Mittwoch, 7. März 2018

Schafe satt hüten im Januar 2018



Januar.
Winter.
Die Lammzeit ist noch gut sechs Wochen entfernt.
Das Frühjahrswachstum wohl noch vier Monate.
Wovon werden die tragenden Schafe denn jetzt noch satt?

Das fragt sich der Nichtschäfer und auch so mancher Standortkoppelschafhalter, der nun schon seit bald vier Monaten seine Schäfchen im trockenen hat und füttert. Zumindest hoffentlich, denn auf den Schafweiden ist jetzt meist schon lange kein Futter mehr.
Doch dafür auf den Landwirtschaftlichen Mähwiesen.


Der Winter 2017/2018 ist mal wieder sehr mild. Selbst jetzt gibt es Tage mit 12°C. Dafür ist es unglaublich nass, viele Flächen stehen unter Wasser, die Böden sind vollgesogen, jeder Schritt quatscht.
Mild und feucht, dass lässt Gras auch im Januar grünen.
Und so bekommen wir auch unsere Schafe rund.

Lille links in der Grenze, Ylva läuft auf der Außenseite

Doch erwartet die Jahreszeit eine unglaubliche Flexibilität und häufigen Flächenwechsel.
Eingezäunte Schafe jetzt noch satt bekommen? Wohl kaum. Außer, ich bin ein fleißiger Zaunbauer, stecke dauernd um, verbringe damit die Zeit, die sonst zu hüten wäre.
Schafe satt hüten, erreiche ich jetzt nicht damit, den Zaun morgens auf zu machen, die Schafe fressen zu lassen. Der Tag muss gut eingeteilt werden, damit ich abends auch eine runde Herde habe.
An uns Menschen erklärt:
Ich habe einen leckeren, nahrhaften, sättigenden Gemüseeintopf, von dem ich gestern schon gegessen habe und eine frische Laugenbrezel mit Butter, Käse oder Wurst und etwas Salat und einen feinen Nachtisch. Genehmige ich mir zuerst den Nachtisch, passt vielleicht gerade noch so die Brezel rein, aber auf den Eintopf habe ich garantiert keine Lust mehr.
Macht ja auch nichts, hab ich den schnell verdaulichen Zucker verdaut, esse ich eben wieder etwas.
Die Möglichkeit hat Schaf nicht, dann ist es Nachts, der Pferch leer, es muss hungrig bis zum Morgen warten.

"Guten Morgen" satte, zufriedene Herde am Morgen

So darf ich beim Hüten morgens nicht mit mit dem besten Futter anfangen. Da arbeite ich mich langsam hin.
Zuerst kommt das, wo die Herde schon drauf war, das, was sie am Abend verschmähen würden. Haben sie da morgens keine Lust drauf, ist es entweder nicht mehr genießbar, oder sie sind noch zu satt vom Vortag, warten auf besseres. Das muss ich dann einschätzen. Aber so früh ist es auch kein Problem, die Schafe mal ne halbe Stunde nicht am Fressen zu haben, der Tag ist ja noch lang.
Umgekehrt, die Schafe fressen abends nicht mehr, birgt immer die Gefahr, dass man sich in die Irre führen lässt, denkt, sie sind schon satt und dann Schafe einsperrt, die bei angepasster Hüteweise und besserem Nachtisch noch ein, zwei Stunde gefressen hätten.
Wenn jetzt jemand über arme Schafe klagt, die sich nicht jederzeit Leckeres reinpfeifen dürfen, sollten sich das Beispiel oben nochmal ansehen. Für uns Menschen wäre es auch definitiv gesünder, würden wir den Eintopf nicht als schon-mal-von-gegessen entsorgen, sondern uns vor dem Leckeren eine vernünftige Grundlage schaffen. So würde uns so manche ungesunde Heißhungerattacke am späten Abend erspart.
Die Hütetage diesen Januar sind unglaublich abwechslungsreich. Nicht nur, dass es viele kleine, schnell abgefressene Wiesen zu hüten gibt. Auch sind die Wege dazwischen oft schmal und mit lumpigen Pferdedraht begrenzt.




Die Böden sind so nass, dass die Schafe tatsächlich mal die etwas überständligen Flächen bevorzugen. Auf kurzem Gras laufen sie einmal drüber, haben es eingeschlammt und mögen nicht mehr.


Das Wetter bringt alles, was es bereit hält, Regen, Sturm Friederike, Hagel, Eisregen, Schnee. Die Schafe kümmert all das nicht, so lange ihr Futter stimmt.
Ich hingegen vermisse Licht und Sonne.
Der Arzt hat bei mir Vitamin-D Mangel festgestellt!
Regen und Eisregen quälen mich, währen die Herde ruhig frisst, werden Füße und Hände immer kälter, röter.




Doch als das in Schnee übergeht, genieße ich es.


Das Weiß, endlich wieder hell!
Wie die Flocken leise auf uns fallen, Häufchen bilden, auf meinem Hut, auf den Schafrücken.




Selbst bei Friederike ist kein Schaf nervös. Wobei es so doll weht, dass sie im Wind nicht mehr fressen. Doch kaum ist etwas Windschutz, wird weiter gegrast. Nur ich hoffe, dass der Windschutz in Form von Bäumen stehen bleibt, keine Äste auf uns schmeißt. Selbst stehe ich dicht an einem dicken Stamm, spüre wie sich der Wurzelteller in den Böen hebt und senkt.








Vielleicht fragt sich der ein oder andere, was ich bei diesem Wetter anziehe. Oder es wird einfach vermutet, dass ich abgehärtet bin. Leider muss ich dazu sagen, mitnichten. Ich friere leicht und schnell. So muss die Kleidung mich warm halten.
Da fang ich doch mal unten an.
Ein paar Baumwollsocken, darüber vierfädig gestrickte Wollsocken und dann nochmal ein Paar achtfädige. So sind meine Winterschuhe mindestens eine Größe größer, als die Sommerschuhe. Bei Regen und nassen Flächen trage ich muck boots mit eingelegter Lammfellsohle. Ist es einigermaßen trocken, habe ich von Meindel Leder gorotex Wanderschuhe mit Lammfellfutter, über die kommen noch von meinem Vater handgefertigte Ledergamaschen.
Zur Unterwäsche trage ich einen wollnen Liebestöter, darüber eine lange Wollunterhose und ein Langarmwollhemd. Beides von räer, dem Bundeswehr und Army shop, der einfach preislich unschlagbar ist.
Nun kommt eine gefütterte Outdoor Hose. Oben folgt ein Holzfellerhemd, eine Fleecejacke mit Wollanteil, die ich auch zum Arbeiten trage. Darüber eine ältere Wollfleecejacke von Mufflon. In neuer trage ich eine Mufflonjacke den ganzen Winter für Gut.
  
(ein link zu einem TV-Wetter-Beitrag mit mir von 2016)
Weiter geht es mit einer Lammfellweste. Die war eine teure Investition, doch ich trage sie nun seit 25 Jahren. Also es rechnet sich.
Darüber kommt ein Amerikanische Marineuniform Jacke mit hohem Wollanteil. Durch die Wolle kommt Nässe kaum durch und ich brauche keine zusätzliche Regenjacke an den Armen. Die Marinejacke und auch die Regenhose stammen wieder von räer. So ist letztere auch in tarn, dafür wasserdicht und atmungsaktiv für gerade 20 Euro.
An den Händen habe ich wollne Fingerhandschuhe, so behalte ich Bewegungsfreiheit. Bei längerem Stehen ziehe ich mir an die Hand, die die Schäferschippe hält noch einen Lammfellfäustling.
Um den Hals trage ich einen Wollschal und ein buff Tuch aus Wolle. Letzteres kann ich auch über den Kopf unter dem Hut tragen.
Tja, und über das alles kommt der Regenumhang aus dem Kleißner Schäfereibedarf.
Und ein australischer Akubra Hut aus Kaninchenwolle, der meinen Kopf sicher trocken hält.


Das Reifenmännchen lässt grüßen. ;)
Die Sorgen haben die Hunde nicht, sie lassen sich von keinerlei Wetter beeindrucken.
Hauptsache sie können arbeiten.


Ylva und Lillebror, meine beiden Altdeutschen Hütehunde, sind beide unermüdlich. Aber während Ylva auch mal Pause macht, wenn gerade nichts zu tun ist, läuft Lille, läuft und läuft.



Da Lille sicher, konzentriert und gleichmäßig seine Grenze geht, fange ich nun an, ihn an der Straße zu arbeiten. Etwas, was ich mit Ylva nicht mache, sie ist nicht so linienbeständig, versteht nicht, warum sie nicht auch auf dem breiten Asphalt laufen kann. Muss ich mit ihr an der Straße wehren, behalte ich sie bei mir. Ich schicke sie, wenn kein Auto kommt und lasse die Schafe nicht bis direkt ran fressen.
Lille macht seine Sache sehr gut.
Es ist eine kurvige Straße, die doch gut einsehbar ist. Die Autos fahren nicht schneller als fünfzig Kilometer pro Stunde, gerade noch meine Komfortzone.


Am ersten Tag rufe ich Lille bei jedem Auto zu mir. Doch schon am zweiten lasse ich ihn. Er läuft so sicher und gleichmäßig, kein abschweifen. Trotzdem ist mein Blick jede Sekunde bei ihm.
Er weiß nicht, dass er nicht auf die Straße darf!
Er weiß nicht, wie gefährlich die Autos sind!
So muss ich jeden Moment bereit sein, ihn abzurufen. Und auch das ist nicht einfach. Bei jeder anderen Grenze hieß ein Ermahnen bisher, weg vom Vieh zu gehen. Nun möchte ich das Gegenteil. Für den Hund schwer verständlich.

In den Tagen an der Straße überlegt er sich genau zweimal, dass man doch auch mal kurz rüber laufen könnte. Beide Male konnte ich das sofort abbrechen. Und doch muss ich wissen, dass das für ihn nicht heißt, dass er nun weiß, dass die Straße tabu ist. So bedeutet es weiterhin hundertprozentige Wachsamkeit bei mir.
Als Außenseite würde ich eh kein Hund Straße laufen lassen, dazu hätte ich zu viel Angst, dass irgendetwas unerwartetes passiert.
Ja, hüten im Januar.


Nicht die schönste Zeit des Jahres.
Und doch.
So direkt der wilden rauen Natur ausgeliefert ist man im restlichen Jahr nicht.
Abends habe ich müde, glückliche Hunde und satte, zufrieden Schafe.
Schafe die ihrem Ursprung folgen, lebendes Grün verspeisen.
Die Stallzeit mit all ihrer enge, dem dauernden, kräftezehrenden Füttern, kommt früh genug.
Schon jetzt ist der Stall voll mit Schafen aus der Zwischenlammzeit um Silvester. Genug zu tun vor und nach dem Hüten.
Nein.
Ich bin dankbar für jeden Hütetag.
Schafe und Hunde auch.


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