Januar.
Winter.Die Lammzeit ist noch gut sechs Wochen entfernt.
Das
Frühjahrswachstum wohl noch vier Monate.
Wovon
werden die tragenden Schafe denn jetzt noch satt?
Das
fragt sich der Nichtschäfer und auch so mancher
Standortkoppelschafhalter, der nun schon seit bald vier Monaten seine
Schäfchen im trockenen hat und füttert. Zumindest hoffentlich, denn
auf den Schafweiden ist jetzt meist schon lange kein Futter mehr.
Doch
dafür auf den Landwirtschaftlichen Mähwiesen.
Der
Winter 2017/2018 ist mal wieder sehr mild. Selbst jetzt gibt es Tage
mit 12°C. Dafür ist es unglaublich nass, viele Flächen stehen
unter Wasser, die Böden sind vollgesogen, jeder Schritt quatscht.
Mild
und feucht, dass lässt Gras auch im Januar grünen.
Und so
bekommen wir auch unsere Schafe rund.
Lille links in der Grenze, Ylva läuft auf der Außenseite |
Doch
erwartet die Jahreszeit eine unglaubliche Flexibilität und häufigen
Flächenwechsel.
Eingezäunte
Schafe jetzt noch satt bekommen? Wohl kaum. Außer, ich bin ein
fleißiger Zaunbauer, stecke dauernd um, verbringe damit die Zeit,
die sonst zu hüten wäre.
Schafe
satt hüten, erreiche ich jetzt nicht damit, den Zaun morgens auf zu
machen, die Schafe fressen zu lassen. Der Tag muss gut eingeteilt
werden, damit ich abends auch eine runde Herde habe.
An uns
Menschen erklärt:
Ich
habe einen leckeren, nahrhaften, sättigenden Gemüseeintopf, von dem
ich gestern schon gegessen habe und eine frische Laugenbrezel mit
Butter, Käse oder Wurst und etwas Salat und einen feinen Nachtisch.
Genehmige ich mir zuerst den Nachtisch, passt vielleicht gerade noch
so die Brezel rein, aber auf den Eintopf habe ich garantiert keine
Lust mehr.
Macht
ja auch nichts, hab ich den schnell verdaulichen Zucker verdaut, esse
ich eben wieder etwas.
Die
Möglichkeit hat Schaf nicht, dann ist es Nachts, der Pferch leer, es
muss hungrig bis zum Morgen warten.
"Guten Morgen" satte, zufriedene Herde am Morgen |
So darf
ich beim Hüten morgens nicht mit mit dem besten Futter anfangen. Da
arbeite ich mich langsam hin.
Zuerst
kommt das, wo die Herde schon drauf war, das, was sie am Abend
verschmähen würden. Haben sie da morgens keine Lust drauf, ist es
entweder nicht mehr genießbar, oder sie sind noch zu satt vom
Vortag, warten auf besseres. Das muss ich dann einschätzen. Aber so
früh ist es auch kein Problem, die Schafe mal ne halbe Stunde nicht
am Fressen zu haben, der Tag ist ja noch lang.
Umgekehrt,
die Schafe fressen abends nicht mehr, birgt immer die Gefahr, dass
man sich in die Irre führen lässt, denkt, sie sind schon satt und
dann Schafe einsperrt, die bei angepasster Hüteweise und besserem
Nachtisch noch ein, zwei Stunde gefressen hätten.
Wenn
jetzt jemand über arme Schafe klagt, die sich nicht jederzeit
Leckeres reinpfeifen dürfen, sollten sich das Beispiel oben nochmal
ansehen. Für uns Menschen wäre es auch definitiv gesünder, würden
wir den Eintopf nicht als schon-mal-von-gegessen entsorgen, sondern
uns vor dem Leckeren eine vernünftige Grundlage schaffen. So würde
uns so manche ungesunde Heißhungerattacke am späten Abend erspart.
Die
Hütetage diesen Januar sind unglaublich abwechslungsreich. Nicht
nur, dass es viele kleine, schnell abgefressene Wiesen zu hüten
gibt. Auch sind die Wege dazwischen oft schmal und mit lumpigen
Pferdedraht begrenzt.
Die
Böden sind so nass, dass die Schafe tatsächlich mal die etwas
überständligen Flächen bevorzugen. Auf kurzem Gras laufen sie
einmal drüber, haben es eingeschlammt und mögen nicht mehr.
Das
Wetter bringt alles, was es bereit hält, Regen, Sturm Friederike,
Hagel, Eisregen, Schnee. Die Schafe kümmert all das nicht, so lange
ihr Futter stimmt.
Ich
hingegen vermisse Licht und Sonne.
Der
Arzt hat bei mir Vitamin-D Mangel festgestellt!
Regen
und Eisregen quälen mich, währen die Herde ruhig frisst, werden
Füße und Hände immer kälter, röter.
Doch
als das in Schnee übergeht, genieße ich es.
Das
Weiß, endlich wieder hell!
Wie die
Flocken leise auf uns fallen, Häufchen bilden, auf meinem Hut, auf
den Schafrücken.
Selbst
bei Friederike ist kein Schaf nervös. Wobei es so doll weht, dass
sie im Wind nicht mehr fressen. Doch kaum ist etwas Windschutz, wird
weiter gegrast. Nur ich hoffe, dass der Windschutz in Form von Bäumen
stehen bleibt, keine Äste auf uns schmeißt. Selbst stehe ich dicht
an einem dicken Stamm, spüre wie sich der Wurzelteller in den Böen
hebt und senkt.
Vielleicht
fragt sich der ein oder andere, was ich bei diesem Wetter anziehe.
Oder es wird einfach vermutet, dass ich abgehärtet bin. Leider muss
ich dazu sagen, mitnichten. Ich friere leicht und schnell. So muss
die Kleidung mich warm halten.
Da fang
ich doch mal unten an.
Ein
paar Baumwollsocken, darüber vierfädig gestrickte Wollsocken und
dann nochmal ein Paar achtfädige. So sind meine Winterschuhe
mindestens eine Größe größer, als die Sommerschuhe. Bei Regen und
nassen Flächen trage ich muck boots mit eingelegter Lammfellsohle.
Ist es einigermaßen trocken, habe ich von Meindel Leder gorotex
Wanderschuhe mit Lammfellfutter, über die kommen noch von meinem
Vater handgefertigte Ledergamaschen.
Zur
Unterwäsche trage ich einen wollnen Liebestöter, darüber eine
lange Wollunterhose und ein Langarmwollhemd. Beides von räer, dem
Bundeswehr und Army shop, der einfach preislich unschlagbar ist.
Nun
kommt eine gefütterte Outdoor Hose. Oben folgt ein Holzfellerhemd,
eine Fleecejacke mit Wollanteil, die ich auch zum Arbeiten trage.
Darüber eine ältere Wollfleecejacke von Mufflon. In neuer trage ich
eine Mufflonjacke den ganzen Winter für Gut.
(ein link zu einem TV-Wetter-Beitrag mit mir von 2016)
Weiter
geht es mit einer Lammfellweste. Die war eine teure Investition, doch
ich trage sie nun seit 25 Jahren. Also es rechnet sich.
Darüber
kommt ein Amerikanische Marineuniform Jacke mit hohem Wollanteil.
Durch die Wolle kommt Nässe kaum durch und ich brauche keine
zusätzliche Regenjacke an den Armen. Die Marinejacke und auch die
Regenhose stammen wieder von räer. So ist letztere auch in tarn,
dafür wasserdicht und atmungsaktiv für gerade 20 Euro.
An den
Händen habe ich wollne Fingerhandschuhe, so behalte ich
Bewegungsfreiheit. Bei längerem Stehen ziehe ich mir an die Hand,
die die Schäferschippe hält noch einen Lammfellfäustling.
Um den
Hals trage ich einen Wollschal und ein buff Tuch aus Wolle. Letzteres
kann ich auch über den Kopf unter dem Hut tragen.
Tja,
und über das alles kommt der Regenumhang aus dem Kleißner
Schäfereibedarf.
Und ein
australischer Akubra Hut aus Kaninchenwolle, der meinen Kopf sicher
trocken hält.
Das
Reifenmännchen lässt grüßen. ;)
Die
Sorgen haben die Hunde nicht, sie lassen sich von keinerlei Wetter
beeindrucken.
Hauptsache
sie können arbeiten.
Ylva
und Lillebror, meine beiden Altdeutschen Hütehunde, sind beide
unermüdlich. Aber während Ylva auch mal Pause macht, wenn gerade
nichts zu tun ist, läuft Lille, läuft und läuft.
Da
Lille sicher, konzentriert und gleichmäßig seine Grenze geht, fange
ich nun an, ihn an der Straße zu arbeiten. Etwas, was ich mit Ylva
nicht mache, sie ist nicht so linienbeständig, versteht nicht, warum
sie nicht auch auf dem breiten Asphalt laufen kann. Muss ich mit ihr
an der Straße wehren, behalte ich sie bei mir. Ich schicke sie, wenn
kein Auto kommt und lasse die Schafe nicht bis direkt ran fressen.
Lille
macht seine Sache sehr gut.
Es ist
eine kurvige Straße, die doch gut einsehbar ist. Die Autos fahren
nicht schneller als fünfzig Kilometer pro Stunde, gerade noch meine
Komfortzone.
Am
ersten Tag rufe ich Lille bei jedem Auto zu mir. Doch schon am
zweiten lasse ich ihn. Er läuft so sicher und gleichmäßig, kein
abschweifen. Trotzdem ist mein Blick jede Sekunde bei ihm.
Er weiß
nicht, dass er nicht auf die Straße darf!
Er weiß
nicht, wie gefährlich die Autos sind!
So muss
ich jeden Moment bereit sein, ihn abzurufen. Und auch das ist nicht
einfach. Bei jeder anderen Grenze hieß ein Ermahnen bisher, weg vom
Vieh zu gehen. Nun möchte ich das Gegenteil. Für den Hund schwer
verständlich.
In den
Tagen an der Straße überlegt er sich genau zweimal, dass man doch
auch mal kurz rüber laufen könnte. Beide Male konnte ich das sofort
abbrechen. Und doch muss ich wissen, dass das für ihn nicht heißt,
dass er nun weiß, dass die Straße tabu ist. So bedeutet es
weiterhin hundertprozentige Wachsamkeit bei mir.
Als
Außenseite würde ich eh kein Hund Straße laufen lassen, dazu hätte
ich zu viel Angst, dass irgendetwas unerwartetes passiert.
Ja,
hüten im Januar.
Nicht
die schönste Zeit des Jahres.
Und
doch.
So
direkt der wilden rauen Natur ausgeliefert ist man im restlichen Jahr
nicht.
Abends
habe ich müde, glückliche Hunde und satte, zufrieden Schafe.
Schafe
die ihrem Ursprung folgen, lebendes Grün verspeisen.
Die
Stallzeit mit all ihrer enge, dem dauernden, kräftezehrenden
Füttern, kommt früh genug.
Schon
jetzt ist der Stall voll mit Schafen aus der Zwischenlammzeit um
Silvester. Genug zu tun vor und nach dem Hüten.
Nein.
Ich bin
dankbar für jeden Hütetag.
Schafe
und Hunde auch.
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