Donnerstag, 30. August 2018

Hüten im Westerwald Juli 2018


 Das dritte Mal Urlaubsvertretung im schönen Westerwald.
Westerwald, da weht der Wind so kalt.
Ja, das hatte ich letztes Jahr auch schon gehört, um dann unerwartet von Hitze überrascht zu werden.
Das sollte mir nicht noch einmal passieren, fest hatte ich mir vorgenommen, dieses Jahr Westerwald bin ich für alle Wetter gewappnet.
Und dann gucke ich auf die WetterApp, über ganz Deutschland hängt die Hitze.
Ach! Anna, verlass Dich drauf, was willst Du die warmen Sachen alle mitschleppen!
Ich fahre bei 30° Grad los und komme im Westerwald bei 14° Grad an.
Herrlich!
Nein, wirklich. Nach dieser unsäglichen Hitze eine Wohltat. Über die dünne Hose kommt eben noch die Regenhose und einen weiteren Pulli kann ich mir borgen.


Das dritte Jahr.
Diesmal erfolgt die Einweisung über WhatsApp, den Betriebseigentümer treffe ich gar nicht. Bei sechs freien Tagen im Jahr mehr als nachvollziehbar.
Als ich morgens zum Stall komme begrüßt mich das Mädchenhunderudel begeistert und stürmisch.
Hanna, Lena, Locke, Ronja, Hummels und selbst die alte Luzi, alle noch da, alle wollen gleichzeitig bekuschelt werden oder alternativ meinem Lillebror schöne Augen machen.
Als hier alles versorgt ist, fahre ich mit dem Betriebsauto zur Herde.
Schäferauto.






Und was für eins, schon die letzten Jahre habe ich den perfekten Umbau für die Schäferei bewundert.
Fester, stabiler Boden zum Tiere transportieren. Das Seitenfenster durch ein Gitter ersetzt. Und eine Zwischenwand, so dass man nicht, kaum hat man mal ein Schaf geladen, die Hunde auf dem Schoß transportieren muss. Dazu im kleineren Fach hinten noch ein Regal für Zäune. Perfekt.
Als ich bei den Schafen vor fahre, ahne ich schon, dass deren Gedächtnis nicht ganz so gut ist, wie das der Hunde.
Als das vertraute Fahrzeug vor dem Zaun steht, kommen sie erwartungsvoll an um, kaum steige ich aus, umzudrehen. Schnell auf Abstand.
Ich lasse meine Hunde erstmal im Auto, laufe in den Pferch.
Die Schwarzköpfe sind rund und im besten Zustand. Die Schur ist noch nicht lange her und es gibt auch noch einen Haufen kleiner Lämmer. Dies beides macht die Herde wesentlich hupfiger und kribbelig.
Als ich die Hunde aus dem Auto lasse, bremse ich sie sofort ab, kein gerenne vor dem Netz. Und trotzdem gerät die Herde so in Panik, dass sie hinten durch den Zaun drücken.
Das kann ja heiter werden!
Ich schicke Ylva auf Abstand um den Pferch. Die Schafe flüchten zurück. Schnell mache ich den Zaun auf, die zu mir brandende Schafwelle nutzend um auszufahren.
Doch natürlich hängt hinten noch ein Lämmchen im Netz. Da muss ich hin, dass Tierchen befreien.
Derweil stürmen die Schafe aus dem Pferch und in direktem Galopp weiter.
War mir irgendwie kalt?
Doch zwei Wiesenstücke weiter hab ich die Lumpen wieder, schiebe sie auf die zu hütende Fläche. Die Hund kommen auf ihre Grenzen. Die Herde lasse ich in Ruhe. Und sie brandet wie durch Sturm aufgewühlte See hin und her, beäugen mich, die Hunde. Die Lämmer neugierig und aufgeregt. Die Muttern furchtsam oder drohend. Da wird der Hund angestiert und gestampft.


Doch Ylva und Lille lassen sich davon nicht berühren, laufen gleichmäßig ihre Grenzen und langsam, langsam kehrt Ruhe ein. Die Schafe besinnen sich aufs Fressen, verteilen sich weit.


Durchatmen.
Hüten.
Die alte Eiche genießen, die so viel Ruhe ausstrahlt.


Und dann ist auch schon wieder Zeit für die Mittagspause im Schatten.
Klauenschneidezeit.
Doch erstmal wandere ich nur zwischen den Schafen, singe und versuche Ruhe auszustrahlen. Die sie mir nicht abnehmen, oh, man, sind die panisch.


Und doch lassen sie sich nach dem Stellen einigermaßen gut zum Wasser den Steinbruch runter führen.
Auch, wenn das funktioniert, drehe ich es die nächsten Tage um, lasse die Schafe vor laufen, gehe selbst hinterher.






Ein paar Hinker schneiden, dass ist mein erklärtes Ziel.
Doch der Versuch die Schafe mit einem Netz eng zu stellen, scheitert kläglich. Haben sie Platz, erwische ich keine, ist es eng, machen sie den Zaun trotz Strom platt.
Beim Mittags stellen sind sie fast noch nervöser als am Tag zuvor.
Und ich?
Ich werde gereizt.
Freundlich gesagt.
Es macht mich rasend, dass die Schafe so panisch sind!
Ich will ein paar Tiere ausschneiden!
Zwei Stunden, was könnte ich jetzt alles machen?
Zum Beispiel einen schönen Mittagsschlaf.
Aber nein! Ich muss hier zwischen den Schafen laufen und für was?
Dafür das ich nach ZWEI Stunden gerade mal zwei Lämmer geschnitten habe.
AAAAARRRRRGGG!
JA! Ich weiß, dass Wut das nicht besser macht!
Doch ich bin sooooo geladen!
Nein! Es bringt nichts! Natürlich nicht!
Da kann ich noch so freundlich singen, langsam und gezielt ruhig gehen.
Schafe haben einen siebten Sinn für Stimmungen, vor meiner Gewitterwolke halten sie lieber richtig Abstand!
AAAAAAAAAA!

Nächster Tag!

Heute steht Fußbad an.
Die Herde in den Zwangspferch bugsiert und sie stehen vor der Durchlaufwanne als hätten sie das noch nie gemacht, als wären Piranhas darin.
Bei weit über 1000 Tieren hilft nun auch kein schieben von hinten.
Schafe die nicht laufen wollen, drücken sich schnell zu Tode.
Ja, mit falschem Verhalten meinerseits hab ich vor Jahren mal zwei Lämmer tot getreten bekommen.
Vorne mit Kraftfuttereimer locken und die Hunde an den Seiten arbeiten lassen. Das ist die Lösung.
Bringt aber die Schwierigkeit mit sich, dass man den Zaun vom Zwangspferch, so lange die Hunde arbeiten, nicht unter Strom setzen kann. Und dann drücken doch immer wieder Lämmer in den Zaun.
Endlich, endlich kommt die Erste durch die Wanne gehüpft.
Und ist die Erste durch, läuft der Rest.
Die Hunde abgerufen und Strom auf den Zaun. Hier kürzt keiner ab.
Heute brauche ich nicht schneiden oder, wir hatten das schon, versuchen zu schneiden, die Herde soll nach dem Fußbad einfach nur stehen.


Damit ist auch schon wieder Halbzeit.
Und die Schafe und ich nähern uns jeden Tag ein bisschen mehr.
Da wird schon einmal versucht, etwas von meinem Brot zu stibitzen.
Und dann stehe ich beim Stellen und eine Alte schiebt sich an mich ran, lehnt sich gegen mich.




Die ganze Herde entspannt, steht ruhig, käut wieder.
Ich kann mich zwischen ihnen bewegen, die eine oder andere behandeln, das steigende Zutrauen der Tiere spüren.
Ich genieße die Tage, hüte lange bis die Schafe so rund sind, dass sie im Pferch kaum noch fressen.
Harmonie!
Ich liebe es Schäferin zu sein!






Und damit ist die Zeit auch schon wieder um, ich verlasse den märchenhaften Westerwald, zurück in die Hitze.