Freitag, 29. Juni 2018

Hüten im Mai 2018 und Buchempfehlung

 
Mai.
Mein absoluter Lieblingsmonat.
Endlich wächst es, sprießt, explodiert.
Alles erstrahlt in frischem neuen Grün, in allen Schattierungen und Abstufungen.
Nur unterbrochen von Blüten, winzig klein, kaum sichtbar, bis groß, Blicke auf sich ziehend.

 
So bunt, so schön.
Der blaue Himmel darüber, besetzt mit kleinen Schäfchenwolken.
Darunter die weit verteilt grasende Herde, wollige Tupfen auf dem Grün.


Und ich stehe, kann mich nicht satt sehen!
Noch brennt auch die Sonne nicht gnadenlos, noch ist nichts überständig, am vertrocknen.
Auch wenn die Temperaturen darauf hin deuten, dass das nicht mehr lange dauert. Darüber bleibe ich entspannt, die Vergangenheit hat doch immer wieder gezeigt, dass auch das Jahr den Mai als Lieblingsmonat auserkoren und den Sommer hierher verschoben hat.
Das Hüten um diese Jahreszeit ist abwechslungsreich und spannend. Die kleinen, übermütigen Lämmer haben noch viel Quatsch im Kopf. Und auch die Mütter, froh draußen zu sein, froh ihre Wolle los zu sein, froh über all das frische Grün, können nicht genug bekommen. Begeistert wollen sie überall mal einen Happen nehmen, möglichst einen ganz besonders frischen. Dafür laufen, rennen, drücken sie und die Hunde haben ordentlich zu tun. 







Vorbei die Zeit der Langeweile für meine beiden Altdeutschen Hütehunde Lille und Ylva, den ganzen Tag laufen, lange Zungen. Abends steigen sie schwerfällig aus dem Auto, müde von der Tagesarbeit. Nur um morgens wieder begeistert los zu stürzen.







Genau wie ich auch.
Ja.
So fühlt sich Schäferglück an!


Außer Mai, Mai, Mai, gibt es nicht wirklich etwas zu erzählen.
Und dann gibt es beim Hüten diese entspannten Momente, die Schafe stehen ruhig, die Hunde tun ihre Arbeit und ich habe Zeit zu lesen.


Hier mal wieder eine Buchempfehlung.

Schweinebande!
Der Fleischreport
Ein Metzgermeister über die Praktiken seiner Zunft
von Franz Josef Voll
Erschienen im LUDWIG Verlag
ISBN: 978-3-453-28087-8
für 16,99 Euro

Ein Buch, bei dem ich denke, es sollte jeder gelesen haben.
Eine Berufskollegin und Freundin hat es mir geschenkt und ich gebe zu, zuerst hatte ich keine Lust hinein zu schauen. Einerseits weil ich nicht wirklich der Sachbuchleser bin und andererseits weil ich dachte, doch das meiste über Fleischproduktion zu wissen.
Ha, ha.
Lag ich bei letzterem falsch!
Als ich dann doch hinein blätterte, immerhin war es ja ein Geschenk, zog es mich sofort in seinen Bann.
Franz Josef Voll schreibt eingängig, leicht zu lesen und unglaublich spannend. Das Buch liest sich wie ein Krimi, man möchte wissen, wie es weiter geht.
Der Autor erzählt seine Lebensgeschichte. Nach der Schule hat er 1969 das Metzgerhandwerk, in einem von damals 400 Betrieben in Essen, von der Picke an gelernt.
Mit der Industrialisierung der Wurst starben die meisten der Metzgereien und Voll wechselte zu einer Kaufhauskette in die Fleischerfachabteilung.
Danach kam eine kurze Zeit in einem industriellen Schlachthof, wo am Tag um die 3000 Schweine geschlachtet wurden. Fließbandtod im Akkord. Jeder war nur für genau einen oder zwei Schnitte zuständig, stumpfsinnig, nur betrunken zu ertragen. Schweine die nicht richtig betäubt am Haken im Tunnel, in dem ihnen bei 80 Grad die Haut abgebrüht wird, wieder zu sich kommen, schreiend.
Lange ertrug Voll das nicht, machte seinen Meister und arbeitete in einem mittelständigen Betrieb der Fleischprodukte für Läden herstellte.
Von dort wechselt er in die Lebensmittelkontrolle. Er der alle Tricks Fleischproduktion kennt.
Und hier muss er erleben, was die in Deutschland so hoch gelobte Lebensmittelkontrolle bedeutet.
Staatliche Lebensmittelkontrolle deren Befugnisse an der Gemeindegrenze endet, die international agierende Konzerne kontrollieren sollen.
Ha, ha.
Voll gibt nicht auf, wendet sich an die Medien, versucht die Öffentlichkeit über Realitäten zu informieren, schreibt dieses Buch.
Ein Buch das mich fast sprachlos zurück lässt.
Und wer glaubt, es beträfe ihn nicht, er sei ja Vegetarier, der irrt.
Denn auch zur Herstellung von vegetarischen und veganen Erzeugnissen hat Voll etwas zu sagen, von Zusatzstoffen, Farbstoffen, Stabilisatoren und zur Not auch Hühnerfleisch, das nicht deklariert werden muss.
Dann das Seperatorenfleisch, wieso Knochen und Reste überhaupt Fleisch im Wort haben? Seperatorenfleisch darf nirgends drin sein, und doch steht in vielen Fleischverarbeitungsanlage ein Kutter, der genau dies verarbeitet. Seperatorenfleisch, was sich nicht einmal im Labor in der Wurst nachweisen lässt.
Voll nennt als Kriterien der Industrie für die Verwendung von Zusatzstoffen:
  • billig
  • billig
  • lässt sich im Labor schlecht oder überhaupt nicht nachweisen
  • kann noch mehr Wasser am Fleischeiweiß binden

Das Lesen dieses Buches beraubt einem aller Illusionen.
Auch derer, dass wir Verbraucher doch Schuld an dieser Misere wären.
Ja, der Verbraucher kauft billig, aber das was gekauft wird, ist so billig in der Produktion, dass er immer noch beraubt wird. Ohne es zu wissen.
Kleine und mittelständige Handwerksbetriebe, alle tot.
Hygieneauflagen sind so ausgelegt, dass sie den kleinen das Genick brechen, irgendwo muss der machtlose Kontrolleur doch ansetzen.
Politik und Industrie gehen Hand in Hand.
Und wer glaubt, dass das nur die Fleischverarbeitung betrifft, der hat nicht zwischen den Zeilen gelesen.
Voll beschreibt die Dinge, von denen er Ahnung hat, sehr genau.
Und doch ahnt man, dass es überall wo es um Gewinnmaximierung geht, die gleiche Geschichte ist.
Denn: „Technisch haben wir heute einen Punkt erreicht, an dem alles machbar ist, und moralisch haben wir einen Punkt erreicht, an dem alles, was machbar ist, gemacht wird.“

Was hat das alles mit einer Geschichten schreibenden Schäferin zu tun?
Auch ich bin Verbraucher.
Auch ich bin Bürgerin.
Und in den meisten Schäferein, in denen ich arbeite, wird der Großteil der Lämmer und Altschafe an den Handel verkauft. Zu Preisen, die den Betrieb schon lange nicht mehr tragen. Der normale Schäfereibetrieb kann sich die Selbstvermarktung nicht leisten, zu hoch sind alle Hygieneauflagen. Und auch den kleinen Schlachter neben an gibt es nicht mehr, auch er ist an diesen Auflagen gescheitert. Und dies nicht, weil irgendjemand damit einen Verbraucher schützen wollte. Nein, dies nur um alle Macht der Industrie zu überlassen.
Oh, es ist traurig.
Es macht wütend.

Und antworten hab ich keine.
Außer vielleicht, dass ich immer mehr versuche darauf zu achten, dass ich regional einkaufe, weiß, wie die Dinge produziert werden.
Ohne dabei jemand mit Fanatismus zu nerven.
Der Verbraucher ist Unschuldig, zu viele mächtige Kräfte hat er gegen sich.
So möchte ich mich aber auch nicht mehr für seltsam halten, wenn ich die Tiere in meiner Gefriertruhe persönlich kenne. Der einjährige Ziegenhammel, der den ganzen Winter wild durch den Stall gehupst ist, über alle Absperrungen hinweg, sich im Lämmerschlupf fett gefressen hat, Schafe schikanierte. Bis er oben im Gitter hängen blieb und sich das Bein so ungünstig brach, dass ich nun leckeren Braten habe.
Oder das alte Saffolkschaf, das Lungenkrank war. Ihr Hackfleisch zieht doch viel Wasser und ich habe die Vermutung, dass sie wohl eher Herzkrank war, was zu Wassereinlagerungen nicht nur in der Lunge führt. Aber als Spagettisoße essen sie sogar die Kids. Lecker!
Guten Appetit!

Schweinebande!
Der Fleischreport
Ein Metzgermeister über die Praktiken seiner Zunft
von Franz Josef Voll
Erschienen im LUDWIG Verlag
ISBN: 978-3-453-28087-8
für 16,99 Euro in der Buchhandlung um Deine Ecke

Und wer wirklich nicht lesen mag, der kann Franz Josef Voll auch einfach mal bei einem Videoportal eingeben und sich ein paar Beiträge zu dem Thema ansehen.
Hiermit versichere ich das ich Herr Voll nicht persönlich kenne, mich nur auf sein Buch beziehe und auch keinerlei Vorteile durch diese Empfehlung habe. Ich hoffe auch keine Nachteile. ;)