Freitag, 30. März 2018

Lämmer zu Ostern



Zu der Behauptung Schäfer würden die im Frühling neugeborenen Lämmer zu Ostern schlachten.
Nein, tun wir nicht!
Ein Schaf wechselt mit einen Jahr das erste paar Schneidezähne.
Bis dahin gilt es als Lamm.
Lämmer werden geschlachtet, wenn sie schlachtreif sind, dass heißt rund oder auch abgedeckt über dem Rücken und von der Größe, durch einen unerfahrenen Betrachter, nicht mehr von einem Schaf zu unterscheiden.
Der Begriff Milchlamm ist ein rechtlich nicht kategorisierter Begriff, der nichts anderes beschreibt als ein solches oben beschriebenes Lamm. Damit soll dem Kunden Zartheit suggeriert werden, da sich hartnäckig das Gerücht hält, Schaffleisch sei zäh. Dabei würde sogar ein Schaf über einem Jahr noch gut schmecken, das Fleisch wir nur etwas fester.
Der angeblich talgige Geschmack, den sich viele vorstellen, bezieht sich auf Hammelfleisch. Das stammte früher von einem älteren, kastrierten Bock, der in der Herde mitlief und das, was das Mutterschaf zum Lämmer austragen und groß ziehen verwendete, in Fett umsetzte. Solche Hammel sind heute nicht mehr zu bekommen, der Verbraucher ist zu sehr gewohnt Fleisch zu essen, das in Konsistenz und ich denke sogar Geschmack einem Wackelpudding gleicht.
Somit sind Tiere, älter als ein Jahr nicht mehr zu vermarkten.
Ein Lamm wird im Herdenverband geboren, wächst dort umsorgt von Mutter und Schäfer heran. Mit etwa drei bis vier Monaten werden die Böckchen abgetrennt, sie haben nun ein Alter in dem sie sonst ihre Mütter und Schwestern decken würden. Es ist die natürliche Zeit für ein junges männliches Tier die Herde zu verlassen. Nun sind sie aber im allgemeinen noch nicht schlachtreif, leben also im Lämmerverband weiter.
Ein vorzeitiges oder zu frühes absetzen der Lämmer würde nicht nur zu Verlustängsten auf beiden Seiten führen, sondern auch zu massiven Euterproblemen bei dem Muttertier. Etwas was kein Schäfer haben möchte.
Wie das Paradoxon entstanden ist, dass der Verbraucher zu Ostern, wenn Lämmer gerade erst geboren werden, Lamm essen möchte, weiß ich nicht.
Es treibt auf jeden Fall den Preis in die Höhe, wobei, nicht nur wegen Ostern, sondern einfach auch, weil es um diese Jahreszeit wenig Lämmer zu kaufen gibt. Um diesen Markt nicht ganz Neuseeland mit seinen umgedrehten Jahreszeiten zu überlassen, wo dass das Fleisch um die halbe Welt gereist ist, bis es hier im Laden als frisch verkauft wird, legen viele Schäfer kleinere Lammzeiten in den Herbst. Diese Lämmer sind dann zu Ostern fertig. Doch die meisten Lämmer werden in Deutschland immer noch um die Osterzeit geboren und da nicht geschlachtet.
Wir Schäfer sind gezwungen unsere Lämmer im ersten Jahr marktfertig zu bekommen, da wir unter den wirtschaftlichen zwängen des Weltmarktes stehen. Die Direktvermarktung lohnt sich in den wenigsten Fällen, nicht nur ist der Arbeitsaufwand dafür immens, und Schäfer kämpfen schon am Rand des menschlich machbaren. Auch hat Staat und EU mit ihren auflagen dafür gesorgt, dass eigene Schlachträume nicht finanzierbar sind und, bis auf den Freistaat, die Sonderregelungen geschaffen hat, alle kleinen Schlachtbetriebe die auch kleine Mengen an Tieren schlachteten, dicht machen mussten.
Die Schäferei ist die letzte Tierhaltung in denen Nutztiere flächendeckend in Freiheit ihr ursprüngliches Leben artgerecht leben dürfen.
Um so mehr wundern mich diese Kampanien dagegen, gerade von denen, die uns doch unterstützen müssten.
Ist es weil sie keine Ahnung haben? Weil sie prinzipiell gegen jede Art der Tierhaltung sind und glauben die Welt könne mit Technik und Industrie ohne diese leben? Weil sie gegen industrielle Massentierhaltung nicht ankommen, und es einfacher finden, die die schon am Boden liegen, die letzten Stiche zu geben?
Ich kann verstehen, dass Menschen für sich entscheiden, kein Tier und auch dessen Produkte zu verwenden.
Was ich nicht verstehe ist der Kreuzzug gegen uns Schäfer.
Zuerst sollte man bei sich selbst anfangen, was ist mit dem Kobald-Minen-Kindersklaven-Handy, den in Bangladesch mit Bluthänden genähten, die Meere verseuchenden Plastikklamotten, der dreifach in Plastik eingeschweißten, veganen Chemiepseudowurst?
Was? Da werden ja keine Tiere getötet? Wer glaubt, dass da wo Umwelt, Natur und Menschen leiden, gefoltert und zerstört werden, keine Tiere leiden und sterben, ist wirklich blauäugig.
Und wenn wirklich auf all dass geachtet wird? Ist dann die kleine Schäferei der Platz um mit seinem Kreuzzug zu beginnen?
Besonders wo der bequeme Verbraucher nicht aufhören wird Fleisch zu essen, aber sich vielleicht überlegen würde, besseres zu kaufen, hätte er eine Bezugsquelle.
Denn er wird mit dieser Kampanie gegen Lamm zu Ostern mit Sicherheit nicht auf seinen Osterbraten verzichten. Und Schweinchen und Kälbchen sind auch süß, frag mal nach deren Leben!
Wir Schäfer decken gerade mal 44% des deutschen Lammfleischmarktes, ich vermute, Ostern sogar noch weniger. Also trifft es uns nicht finanziell, was regen wir uns dann so über diese Osterlamm-Hassbotschaften auf?
Ganz einfach, es kränkt und verletzt.
Alleine die Vorstellung der liebevoll brummelnden Mama ihr kleines, leise zur Antwort zirpendes Lämmchen weg zunehmen. Die Mutter, die nun ihrem Lamm überall hin folgen würde. Das Lamm, das wir deshalb nicht an uns gekuschelt tragen, da es nicht unseres ist, nicht unseren Geruch annehmen soll, das wir an den Vorderbeinen tief über dem Boden tragen, damit die Mutter es immer dicht vor der Nase hat, so ihrem Lamm in die ruhige Einzelbucht folgen kann. Dieses Band der Liebe mit Gewalt zu zerreißen, unvorstellbar entsetzlich!
Mein Vater, gestandener Schäfermeister, bereits im Rentenalter und immer noch aktiv für seine Herde, erzählt gerne diese Geschichte aus seiner Lehrzeit:
Er war noch am Anfang seiner Ausbildung, als eines Tages in der Lammzeit ein großer Schlitten auf den Hof gefahren kam. Heraus stieg ein geschniegelter Mann in Anzug.
Er sei ein Gourmet!
Und wolle gerne ein kleines Babylamm zum essen kaufen, Preis spiele keine Rolle.
Der alte Schäfermeister Stritzel dachte nicht etwa, hier kann er ein mutterloses Lamm, dessen Aufzucht mehr Geld kostet, als es jemals wieder rein bringt, vergolden.
Nein.
Meister Stritzel griff seine Schäferschippe und jagte das Arschloch lautstark von seinem Hof.
So sind wir Schäfer!

Froh, sonnige Ostern wünsche ich allen!

6 Kommentare:

  1. Danke für die Richtigstellung!
    Herzliche Grossstadtgrüsse und frohe Ostern!

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  2. Auch meine Mutter hat beim "alten Schäfermeister Stritzel" gelernt, ihren Schäfermeister gemacht und Teppichweberei gelernt — ihre Erzählungen und ihr Wissen haben eine gute Basis gelegt, für die ich dankbar bin: Respekt vor dem Leben der gesamten Natur kann nur durch Aufklärung, Anschauen und Miterleben kommen.
    Ein sehr gut geschriebener und informativer Beitrag — in dem unendlich emotional aufgeladenen Meinungsstreit zwischen Pro-und-Contra-Fleischverzehr zählt jede Stimme der Vernunft.
    Ich wünsche noch eine frohe Osterzeit!

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    1. Danke, Indina. Auch bei Stritzel gelernt! Sehr schön! Die Schäferwelt ist doch klein.

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  3. yuppieh! vielen dank, liebe anna, solche tollen texte brauchen wir. ich frag mich immer, wieso sich das mit der euterentzündung niemand vorstellen kann?? jede mutter, die schon mal gestillt hat, weiß, wie krass der druck werden kann... achso, ich vergaß, neben plastik-verpacktem einheitsindustrietierfleisch gibbet ja alete-milchpulver... und chemiepseudowurst hat keine kulleraugen, die man vorher fotographieren kann.
    weiterschreiben, weiterschreiben, weiterschreiben! - mögen es viele irgendwie zu lesen bekommen!
    liebe grüße
    anke

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    1. Immer wieder Danke für Deine Kommentare! Freut mich :)
      Liebe Grüße

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