Dezember 2016
Landschaftspflege
für die Stadt.
Es ist toll, wenn
Gemeinden die Nachhaltigkeit von Pflege durch Schafe erkennen und
diese nutzen.
Manchmal sind dann
aber auch Flächen dabei, die für die Schäferei einen extremen
Mehraufwand bedeuten.
Wie diese kleine
Rheininsel, durch Sportanlagen und parkähnliche Landschaft stark von
Besuchern frequentiert. Dazu Bäumchen und Büsche, zum Teil frisch
angepflanzt, die natürlich auf keinen Fall beschädigt werden
dürfen. Beweidet soll es trotzdem werden.
Da sie mitten in der
Großstadt liegt, ist ein „eben mal mit der Herde mitnehmen“
nicht möglich. So ist der Plan zwei Hängerladungen Schafe hin zu
fahren, länger als zwei Wochen sollen sie da auch nicht bleiben.
Morgens bepacke ich
den Land Rover mit Zäunen, Batterie, Gerät, koppel den
doppelstöckigen, dreiachsigen Ifor Williams Hänger an und fahre zur
Herde.
Diese steht in einem
Waldtal auf einer großen Mähwiese. Es ist einfachstes Hüten, so
ist heute die Auszubildende dran.
Die Herde im Waldtal |
Aber erstmal wollen
wir den Hänger voll bekommen.
Der Plan klingt
einfach, ich ziehe die Herde an die ausgeklappte Rampe, der Hund hält
die Schafe da, wenn genügend Tiere rauf gelaufen sind, Klappe zu und
ab dafür.
So der Plan.
Erste Schwierigkeit,
es gibt in der Herde ein paar Mutterschafe mit ganz frischen Lämmern.
Nicht ganz geplant, aber auch nicht unerwünscht. Mütter mit
Zwillingen kommen Heim, Einzellämmer, sind sie denn fit, bleiben
draußen.
gerade geboren, fittes Lamm, Mutter kümmert sich gut |
Nun hat sich meine
Altdeutsche Hütehündin Ylva von der Arbeit an Merinolandschafen
gemerkt, Mütter mit neugeborenen Lämmern sind gefährlich. Die
kommen aus der Herde raus und greifen einen an. Denen kommt man
besser gar nicht erst zu nah, muss sie immer im Auge behalten und
kann sich deswegen unmöglich auf vernünftiges Arbeiten
konzentrieren. Erst recht nicht so eine Aufgabe, wie selbstständig
ohne die Sicherheit der Schäferin Schafe an einem Hänger zu halten.
Auch, wenn die paar
Mütter gar nichts machen, außer bei ihrem Lamm stehen zu bleiben.
Wir dagegen an der
Hängerrampe haben ganz andere Probleme. Zwar laufen einige Schafe
brav rauf. Sie kennen das ja. Aber dann wollen auch die Ziegen. Nicht
nur, dass ich die nicht mit haben möchte. Sie verhalten sich, wie
man die Lumpen halt so kennt, bleiben oben auf der Rampe stehen,
verhauen alles, was auch noch hoch will.
Also alles in allem
ein ziemlicher Krampf.
Ich stehe oben auf
der Rampe, verhindere das Flüchten derer die schon oben sind,
verjage Ziegen und die Auszubildende versucht von unten Schafe hoch
zu schieben, während die Herde zu weitläufig um den Hänger steht,
weil kein Hund die Arbeit tut.
Fluch und Schwitz!
So voll wie wir
wollen, bekommen wir die obere Etage nicht.
Die untere ist
einfacher, da laufen die Schafe lieber rein, außerdem können wir
über das Seitentürchen noch Tiere nachladen bis ganz voll ist.
Endlich ist es
geschafft, Klappen zu und los geht es.
Quer durch die große
Stadt.
Mit Land Rover und
riesen Hänger.
Das find ich immer
recht vergnüglich.
Durch die lebende
Fracht muss ich sehr vorsichtig fahren, nicht abrupt Bremsen und
nehme viel Raum auf den Straßen ein.
Andere
Verkehrsteilnehmer reagieren darauf erstaunlich positiv.
Wo sonst das Recht
des stärkeren herrscht, gibt es diese Frage nun nicht.
Der stärkere bin
ich.
Und sie nehmen alle
Rücksicht, lassen mich rein, lassen mir die Vorfahrt.
Warum das so ist?
Wo ich es doch im
sonstigen Fahralltag oft anders erlebe.
Vielleicht, weil es
bei den Städtern eine gewisse Wehmut weckt.
Wie viele von ihnen
würden jetzt gerne ihr schickes, schnelles Auto, ihre Fahrt zum
Büro, gegen eine abenteuerliche Fahrt im Defender tauschen?
Noch mehr belustigen
mich andere Land Rover Fahrer.
Sie grüßen.
Dabei, also was hat
diese alte, abgefuckte Schäferkarre mit ihrem glänzenden, um Jahre
jüngeren, noch nie Dreck gesehenen, Auto zu tun?
Auch hier wohl
wieder, der Traum.
Der Traum, den ich
lebe.
Ja, ein gutes
Gefühl.
Am Ziel angekommen
baue ich acht Zäune auf, durch Büsche und Bäumchen krunkelig und
schnörkelig. Lange haben sie da nicht.
Die Schäfchen, vom
Hänger entlassen, fressen das kurzgemähte Grün, sind aber auch
sehr unsicher. Ihnen fehlt die große Herde. Ja, nett wäre, die
Flächen mit Schlachtlämmern zu pflegen, die aber sind für dieses
Jahr schon alle weg.
In der kurzen Zeit
in der ich dort bin, kommen Spaziergänger mit Hunden über Hunden
vorbei. Zum Glück sind die Schafe verrückte Köter, auf der andren
Seite des Zaunes, gewohnt.
Auch das
Batteriegerät tut seine Pflicht, wie ich bei der Abfahrt noch
Beobachten darf.
Der Hund wird sich
in Zukunft hüten, Schafe zu hüten.
auf der Insel |
Zurück geht es,
quer durch die Stadt.
Mal bei den Anderen
anrufen, wie weit sie mit ihrer Tour sind, ob sie mir vielleicht beim
Laden helfen können.
Ja, sie können
einen Schlenker über die Herde fahren.
Diesmal geht das
Aufladen besser.
Die Auszubildende
hält mit ihrem Hund die Herde am Hänger. Das Hundchen ist die
Schwester von meinem Lillebror, ein Jahr alt und arbeitet schon mit
viel Verstand.
Geschwister, Pira und Lillebror |
Als ich schwer
beladen wieder starte ist es kurz vor vier Uhr, Arbeitsschluss für
den gemeinen Städter.
Zeit, um sich voll
Begeisterung in den Feierabend, ach, ne, halt, Berufsverkehr zu
stürzen.
Die Stadt ist dicht
und es geht nur langsam voran.
Auf der Gegenspur,
stadtauswärts, ist es noch schlimmer, da stehen die Autos.
Aus einer
Seitenstraße von rechts will einer links abbiegen.
Vermutlich stand er
da schon eine Weile, kam nicht raus. Nun beschließt er, einfach mal
auf die große Vorfahrtstraße zu fahren, irgendwer wird ihn dann
doch sicher nach links reinlassen.
Pustekuchen,
natürlich nicht, er bleibt stehen.
Nur ich komme da
gerade von oben. Schnell bin ich nicht und als er da raus fährt,
quer auf meiner Fahrbahn stehen bleibt, gehe ich voll in die Eisen.
Aber ich hab den
schwer geladenen Hänger dran, da ist der Bremsweg nun mal länger.
Ich schrei, fluche.
Der Hänger schiebt.
Hektisch schlage ich
aufs Steuer, aber nein, der Defender hat die Hupe ja auf der Seite.
Genutzt hätte die
eh nichts, wo soll der Quersteher auch hin?
Also Hände am
Steuer lassen. Festhalten.
Ich rutsche.
Zwanzig Zentimeter
vor dem Aufprall.
Auto und Hänger
stehen.
Ich kurbel das
Fenster runter, Brülle aus voller Lunge Beschimpfungen.
Der Opa, der gerade
so entgangen ist, von einem Land Rover volle Breitseite zu bekommen,
blickt nichts, hat nun aber eine Lücke um weiter zu fahren.
Natürlich, alle
anderen Verkehrsteilnehmer sind starr vor Schreck, war doch deutlich
zu sehen, was da gerade beinahe passiert wäre.
Ich bekomme einige
beifällige Blicke und Gesten, einer fährt sogar sein Fenster runter
um mir zu signalisieren, dass er gesehen hat, wie eng das war.
Ich stehe total
unter Schock. Langsam fahre ich wieder an, zur nächsten Tankstelle.
Da stehe ich dann
und bestaune meine zitternden Hände.
Erstmal Zuhause
anrufen und das erlebte los werden.
Ungefähr zehn
Minuten später will ich wieder starten.
Der Defender macht
keinen Zucker.
Scheiße!
Nichts, nada, keine
Reaktion.
Mein erster Gedanke,
hab ich in dem ganzen Schreck vielleicht die Zündung angelassen, die
Batterie ist alle?
Wieder telefoniert,
ob jemand kommen kann, mich überbrücken?
Das Auto macht
nichts mehr?
Nichts mehr.
Das ist nicht die
Batterie, warte, ich komme.
Nun stehe ich also,
mitten in der Großstadt an einer Tankstelle, 40 Schafe auf dem
Hänger und keine funktionierende Zugmaschine.
Ja, der Land Rover
macht nichts mehr, da helfen auch keine Tricks und kein Anschleppen.
Er ist und bleibt
tot.
Was nun?
Ist er doch auch die
einzige Zugmaschine im Betrieb.
So wird unser Land
Rover Schrauber angerufen. Er kennt das Auto. Und uns.
Er kommt.
Und er hängt den
Hänger an und wir beide ziehen die Schafe an ihren Bestimmungsort.
Land Rover
Schrauber, ein Beruf aus Leidenschaft, nicht anders als Schäfer.
Die Geschichten sind
spannend anzuhören, nur eins, nenne gegen über so jemandem einen
Defender niemals Jeep.
Da sollte ich jetzt
wohl nicht noch erwähnen, das das Rechtschreibprogramm meines PCs
Rover anstreicht, Jeep aber nicht.
Nach dem die
Schäfchen sicher bei den anderen abgesetzt sind werden ich und der
Hänger noch nach Hause gefahren.
Super, vielen Dank
dafür.
Als ich ins Haus
komme ist es kurz vor acht Uhr.
Da kommt ein Anruf
von der Polizei, ein Schaf ist draußen.
Wo ist das Schaf
draußen? Es gibt mehr als eine Gruppe.
Auf der Insel in der
Stadt.
Also gut, los
geht’s, wir kommen.
Zu zweit fahren wir,
wieder durch die ganze Stadt. Immerhin, die Leute sind nun größten
teils Zuhause, wir kommen gut durch.
An der Straße zur
Insel, bestimmt noch einen halben Kilometer von der Herde, steht ein
Polizeiauto.
Wir fahren erstmal
zu den Schafen. Batteriegerät schlägt, Schafe sind da. An einer
Stelle sieht der Zaun aus, wie notdürftig und unerfahren wieder
aufgebaut.
Aber kein einzelnes
Schaf zu sehen.
Also gucken wir mal,
warum die Polizei gestanden war.
Und da stehen sie.
Polizisten um ein
einzelnes Schaf, durch blinkendes Blaulicht beleuchtet.
Das Schaf überlegt,
wie es durchbrechen soll, nur weg, immer weiter weg.
Ich bin noch hundert
Meter entfernt, rufe.
„Mäh, Ihr Schafe,
mäh, Ihr Schafe.“
Bei dem Schaf gehen
die Ohren hoch, der Kopf in meine Richtung.
Unsicher und
zögernd, aber es läuft mir nach.
Bis zur Brücke auf
die Insel.
Hier fällt ihm
wieder ein, dass doch dort drüben irgendwas mit einem gefährlichen
Hund war.
Von alleine würde
ein Schaf nicht durch den Zaun brechen und so weit von seiner Herde
weglaufen.
Das Schaf steht wie
festbetoniert, da hilft mein Rufen auch nicht mehr.
Also gehe ich zu der
kleinen Herde die mich schon freudig erwartet, öffne den Zaun und
lasse sie heraus.
Vertrauensvoll
folgen sie mir über die Brücke. Als das verlassene Schaf sie sieht
macht es einen Freudenluftsprung und vereinigt sich mit seiner Herde.
Brav gehen sie mit
mir zurück auf die Weide.
Schafe sind doch
einfach das Beste!
Dass ich sie ohne
Hund handeln konnte, liegt einfach daran, dass Schafe unglaublich
sicherheitsbedürftig sind. In so einer Situation, dunkel, alles
fremd, die große Herde fehlt, halten sie sich an dem was sie kennen
und vertrauen.
Das bin ich und es
gibt mir ein unglaublich warmes Gefühl.
Gute Nacht, Ihr
Schafe!
Nun ist es bald zehn
und der Defender steht immer noch auf einer Tankstelle mitten in der
Stadt.
Und da muss er noch
weg, zur Werkstatt, spätestens morgen Abend muss er wieder laufen.
Wie gut, dass der
Schrauber Deines Vertrauens zur Not auch mal sein Wochenende drauf
gibt.
Also auf zur
Tankstelle.
Oh, oh, jetzt bin
ich doch schon ganz schön müde.
Immerhin, es ist
Dezember und die frische Luft hält wach.
Da nichts am Land
Rover geht, auch keine Lüftung bleibt mir nur, um beschlagene
Scheiben zu verhindern, das Fenster offen zu haben.
Wenigstens das
Warnblinklicht funktioniert.
So hänge ich da
hinten am Bus, eine Bremse die kaum tut, eine Lenkung bei der ich
richtig zerren muss und dazu Sichtweite von zwei Metern.
Total entspannt!
Wow, bin ich froh,
als der Tag vorbei ist.
Aber das schöne ist
doch, irgendwann kommt man doch in sein Bett.
Oh, schläft es sich
dann gut.
Und, dass am
nächsten Morgen der nächste Hund Schafe aus dem Zaun gejagt hat,
weiß man ja auch noch nicht.
Schlaft Gut, Träumt
schön, wiegt Euch ein in Eure Lieblingsgeschichte.
Flächenpflege für die Stadt |
Ich freue mich immer wieder aufs Neue auf deine Beiträge. Sie sind einfach so traumhaft und schön. In deinem Beitrag wurden die Probleme gezeigt und gleichzeitig die schönen Seiten mit den Schäfchen.
AntwortenLöschenHi Annika, vielen Dank :)
LöschenGreat adventure!
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