Freitag, 15. Februar 2019

Liebeserklärung an ein Buch


  „Eine für alle“
Mein Leben als Schäferin
von Ruth Häckh


Wo fange ich an?

Im Titel verrate ich es ja schon, eine Liebeserklärung.
Mit der ich gar nicht so richtig gerechnet habe.
Nicht, weil ich es der Autorin Ruth Häckh nicht zugetraut hätte, wirklich nicht.
Nein, ich war nur zu beschäftigt damit, besorgt zu sein, was, wenn es mir nicht gefällt, zumindest Teile davon? Was mache ich dann?
Denn auch, wenn ich mich prinzipiell für einen ehrlichen Menschen halte, fällt mir kaum etwas schwerer, als Kritik an jemandem zu üben, der mir wichtig ist.
Gleichzeitig konnte ich es kaum erwarten, dass Buch in den Händen zu halten.


Und kurz nach dem erscheinen im November 2018 lag es endlich im Briefkasten.
Es mag albern klingen, aber schon der erste Eindruck begeisterte mich. Das Buch liegt wunderbar in der Hand. Das Titelbild, die strahlende Schäferin mit Lämmchen auf dem Arm, würde sicher auch viele fachfremde Menschen ansprechen. Und für mich stand da auch noch die Schafsmama, ihr Lämmchen riechend.
Aufgeschlagen und die ganze erste Doppelseite die ziehende Schafherde von hinten, vorne weg die Schäferin.
Wow! Was für ein Bild!
Überhaupt ist das Buch voll mit Bildern, in der Mitte viele Farbaufnahmen und noch mehr schwarzweiß Drucke zwischen den Texten.
Fotografien aus dem Leben einer Wanderschäferin.
Jedes einzelne lädt zum Verweilen ein, zum Betrachten, zum Träumen, zum Staunen.
Immer und immer wieder.


Auch wenn der Text flüssig geschrieben ist, wirklich zum Eintauchen drängt, habe ich mich ganz bewusst dagegen entschieden. Jeden einzelnen Absatz wollte ich wertschätzen, genießen. So habe ich mir beim Lesen viel Zeit gelassen, nie mehr als ein Kapitel am Stück, nie, wenn ich abends müde im Bett lag. Auch in den Hüterucksack kam das Buch nicht, keine Knicks, keine Macken, immerhin hat mein Exemplar eine persönliche Widmung.
So kommt diese Buchempfehlung auch erst jetzt.
Doch wie ich mir sofort dachte, macht dies gar nichts, denn „Eine für alle“ ist ein riesen Erfolg. So brauche ich es auch nur noch den letzten unentschlossenen ans Herz legen. Alle anderen, die ihr es schon habt, willkommen im Klub der Begeisterten.


Ruth beginnt ihr Buch mit einer Liebeserklärung.
Eine Liebeserklärung an ihr Leben als Wanderschäferin.
„...Ich liebe die Einsamkeit, und ich liebe sie um so mehr, wenn ich sie mit den Schafen teile. Denn in Wirklichkeit bin ich dort draußen nie allein. Ich habe meine Hunde, ich habe meine Herde, ich bin in bester Gesellschaft....“
Spätestens hier hatte sie mich.


„Eine für alle“ ist in vier Teile gegliedert:
- Unter Wanderschäfern
- Wie alles begann
- Die Kunst des Hütens und andere Schäfergeschichten
- Es geht ums Überleben
Ruth erzählt wie ihr Vater zum Schäfer wurde. Von ihrer eigenen Kindheit, in der der Vater immer und immer bei seiner Herde war. Sogar den Winter über am Bodensee verbrachte, 200 Kilometer von dem Zuhause am Fuße der Schwäbischen Alb, auf Winterweide.
Ihre eigenen Umwege, die sie doch schließlich dahin brachten, den elterlichen Betrieb zu übernehmen.
Sie erzählt von Freude und Mühsal des Wanderschäferleben. Bei dem man doch denkt, dass es mit der sich wandelnden, technisierenden Welt leichter werden müsste. Das Gegenteil ist der Fall, verbaute Landschaften, Auflagen, Bestimmungen, Verordnungen, zunehmender Verkehr, sinkende Einnahmen, all das macht Wanderschäfern das Leben schwer. Auch die Arbeit wird nicht leichter oder weniger, im Gegenteil, um überhaupt zu überleben, müssen mehr und mehr Schafe gehalten werden, auf immer engeren Flächen.
Und wer möchte heutzutage noch so leben?
Die Schäferei, ein verschwindendes Relikt?
Mitnichten.
„...Dieses Tier, das oft als einfältig, gefügig und schicksalsergebenes Geschöpf belächelt wird, ist mit etlichen Talenten gesegnet. Es erweist seine Nützlichkeit nicht nur, indem es Fleisch und Wolle liefert – den früher hochgeschätzten Dünger nicht zu vergessen -, es betreibt auch Landschaftspflege, die Schafherden erschaffen und erhalten. Kein anderes Tier ist dazu fähig; es wäre deshalb nicht nur sinnlos, die Massentierhaltung auf Schafe auszudehnen, es wäre auch unklug. Das sind schon zahlreiche Gründe, weshalb ausgerechnet das Schaf bis heute artgerecht und in Freiheit leben darf...“
Ruth beschränkt sich nicht nur auf ihr Schäferleben, dass sie mit so viel Kraft, Ehrlichkeit und Liebe schildert.
Sie blickt auch auf das große Ganze, Hirtentum Weltweit, den verzweifelten Kampf ums überleben aller Hirten.
Es schmerzt, zu Lesen wie sehr Weidetierhaltung bedroht ist, wie das Verschwinden kaum noch aufzuhalten scheint.
Aber wir hören nicht auf zu hoffen und zu kämpfen, denn „...Kein schöneres Leben gibt’s nicht auf der Welt“.


Ich beende das Buch und mein erstes Gefühl ist Wehmut.
Jetzt ist es zu ende.
Das zweite, warum soll ich noch schreiben? Wird doch alles gesagt, was es über Schäferei zu erzählen gibt.
Tief durchdrungen bin ich von all den Geschichten und dem, was Schäferei ausmacht.
Die Liebe des Schäfers zu seinen Schafen.
Die Liebe der Schafe zu ihrem Schäfer.


Stolz erfüllt mich, Ruth meine Freundin nennen zu dürfen.
Wäre ich das nicht, wäre ich nun Dein Fan!
Stolz auch darauf, ihren Vater, Fritz Häckh, noch etwas kennen gelernt zu haben. Beeindruckt hat mich seine Ruhe, die freundliche Herzlichkeit und das Interesse an seinem Gegenüber.
Vor nun achtundzwanzig Jahren war ich zum ersten Mal in der Schäferei Häckh in Sontheim.
Wir sind raus zur Herde gefahren, natürlich. Da war Großvater Häckh am Hüten. Er freute sich über den unerwarteten Besuch und erzählte. Ich, mit meinen vierzehn Jahren war zwar des pfälzischen mächtig, aber das war nun schwäbisch. So verstand ich kein Wort. Und doch ist mir der alte Mann mit Filzhut, grünem Lodenumhang und Schäferschippe vor der Schafherde im Gedächtnis geblieben.
Wer hätte damals gedacht, dass ich eines Tages genau diese Schafe, oder deren Nachfahren, auch einmal hüten würde.
Oder, dass Ruth und ich auf dem Heuberg Preishüten würden.

1996 Frauenleistungshüten
 Und, noch viel erstaunlicher, dass wir beide als Vertretung für alle deutschen Schäfer nach Paris Reisen würden!
Den Bericht dazu habe ich nun auch hier in meinen Blog gestellt.
Der link dazu:
Zwei Schäferinnen in Paris 
Nein, beides hätte damals keiner Gedacht.
Das Leben nimmt unerwartete Wendungen.
Gebt die Schäferei noch nicht auf!


Als letztes Fazit: „Eine für alle“ ist ein Buch für alle die Tiere und Natur lieben.
Es berichtet von einer alten Württemberger Kultur die verloren geglaubt scheint. Und doch so hochaktuell ist.
Für Schäfer und Städter, für Jung und Alt.
Einfach ein Buch, das in keinem Bücherregal fehlen darf.


Und wie immer:
Am besten in der Buchhandlung bei Euch um die Ecke kaufen oder, wenn nicht vorrätig, bestellen.
Es gilt die deutsche Buchpreisbindung, kostet also überall das selbe.


„Eine für alle“
Mein Leben als Schäferin
von Ruth Häckh
Erschienen im LUDWIG Verlag
ISBN 978-3-453-28103-5

Hier noch ein link zu einem gelungenen ZDF-Beitrag in dem auch Ruth Häckh vorkommt.
Schäfer in Not - Ein Traditionsberuf vor dem Ende
 
Und zu allerletzt: Ich habe keinerlei Vorteile durch diese begeisterte Empfehlung.
Außer, dass es mich für jeden freut, der das Buch noch lesen darf. ;)
P.S. Die hier abgebildeten Bilder habe ich selbst geschossen und sie haben mit dem Buch nichts zu tun.


2 Kommentare:

  1. Hast du wirklich wieder sehr schön geschrieben und ich kann dem nur beipflichten, ich fand das Buch auch superschön und spannend. Ich habe schon so einige Schäferbücher gelesen, aber das ist eines der Besten.

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