Die Schnucken sind tragend.
Doch
bis zum Beginn der Lammzeit haben sie noch einen Monat.
So
werden sie draußen auf Bauernwiesen gekoppelt.
Nicht
wirklich arbeitsaufwendig.
Das war
in meiner Lehrzeit noch anders.
Damals,
vor nun 27 Jahren, haben wir auch die gehütet. Und es waren keine
Silo- oder Heuwiesen. Die Bauern hatten ihre Rinder über Sommer
draußen, eingezäunt hinter einem Stacheldraht. Etwas über
Kniehöhe, oder besser genau auf Schafrückenhöhe.
Ich
erinnere mich noch genau.
Hatte
ich mich doch auf den Winter gefreut, endlich mal viereckige, flache
Flächen hüten. Einfaches Gelände!
Und
mein Meister sagte: Pass gut auf! Der Stacheldraht darf nicht weiß
werden!
Der
Landwirt mag keine Wolle im Draht, wenn das passiert, darfst Du
pulen.
Klar,
gehört.
Und
dann komme ich auf die erste Wiese...
Links
Stacheldraht, rechts Stacheldraht, vorne, hinten...
Die
Schnucken völlig am ausrasten: Endlich! Endlich! Nach all dem
blöden, trögen Naturschutzzeug. Endlich fettes grün. Und sie
rennen, springen, drücken in alle Richtungen.
Und die
Hunde!
Den
ganzen Sommer im Moor darauf trainiert hinter dem Graben zu laufen.
Und nun soll Hund davor laufen? Der Sinn des Stacheldrahtschutz
erschließt sich ihm nicht.
Keine
Begrenzung in die Schafe und sage ich: „Geh zurück!“ Hopp über
den Graben.
Dazu
eisekalt, eben noch richtig Winter. Aber wehe, ich mache nur einen
Schritt, dann nimmt die Herde an es geht weiter, rennt schreiend
zusammen. Also still stehen, frieren und um Stacheldrähte bangen.
Wollte
ich weiter, musste ich mich unauffällig zum Übergang auf das
nächste Stück schummeln. Dann leicht die Leitschafe angezogen,
damit sie laufen, die Herde folgte dann gemäßigt, weil es nicht
alle sofort mitbekamen. „Abzug aus dem Weiten Gehüt“. Sahen sie
nämlich zu früh, dass es weiter ging, rannten sie, schreiend,
wollten alle gleichzeitig durch den Durchgang. Der selten breiter als
zwei Meter war, mit links und rechts Stacheldraht.
Aber
die Zeiten sind ja schon lange vorbei.
Rinder
draußen?
Geschichte.
Nun
sind es alles Mähwiesen, die wir mit Elektronetzen zäunen.
So sehr
die Schafe dieses helle, saftige Grün lieben, was eine gute Schnucke
ist, der fehlt die Abwechslung. Und da die Wiesen endlich sind,
zumindest die unbegüllten, gehe ich, so lange es erreichbar ist, ins
Moor, hüten.
Ja, was
soll es im Winter im Moor zu fressen geben?
Heide
natürlich.
Und die
Schafe finden es nach einer kurzen Eingewöhnung großartig.
Sie
lieben das Raufutter zu dem hellen Grün.
Ich und
erst die Hunde lieben diese zwei Stunden hüten und natürlich den
Weg.
Moor im
Winter.
Heide
im Winter.
Soooo
schöööön!
Viele
verbinden mit Heide den Sommer, die Blütezeit, in denen sich
Heideflächen in einen lilanen Teppich verwandeln. Natürlich,
unbeschreiblich im Anblick.
Heide im Sommer |
Aber
für mich hat Heide etwas absolut winterliches, weihnachtliches.
Auch
jetzt im Januar.
Das
Geräusch der Heide knuspernden Schnucken!
Nicht
anders, als wenn man den Ziegen vom Straßenrand gesammelte,
abgeschmückte Weihnachtsbäume in den Stall schmeißt.
Ein so
zufriedenes krunschen und knacken!
Zwei
Stunden, dann reicht es und wir wandern zurück auf die Wiese.
Schön
langsam. Wegränder.
Eigentlich
abgelutschte Feuchtwiesen.
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Alles mitnehmen was geht.
Dabei
gibt es für mich noch genug anderes zu tun. Im Stall stehen immer
noch Bocklämmer. Wie bei so vielen Kollegen dieses Jahr. Der Markt
ist übersättigt, die Preise schlecht. 1,80 bis 2,30 Euro das kg
Lebendgewicht, wenn sie überhaupt wer will. Dabei muss der Stall
leer, bald kommen die neuen Lämmer. Dazu will kein Verbraucher Tiere
essen, die älter als ein Jahr sind, die sind doch dann keine Lämmer
mehr!
Die
weiblichen Mutterlämmer aus beiden Herden des Betriebes stehen auch
noch extra draußen und müssen umgekoppelt werden.
Dazu
die ganzen Hirtenhunde, die alle versorgt werden wollen und eigene
Ansprache brauchen.
Eine
Mazedonierin hat sogar herzallerliebste Welpen.
Ja, zu tun gibt es, auch wenn ich wirklich mit meinem Arbeitspensum zufrieden bin. Zumindest nachdem die heftige Bronchitis so weit abgeklungen ist, dass ich nicht die halbe Nacht hustend verbringe und die Nase auch wieder frei ist.
Und
dann sind die Wiesen rund ums Moor kurz, es geht weiter auf
Ölrettich. Acht bis zehn Netze am Tag und kein Hüten mehr.
Nicht nur die Hirtenhunde, auch deren Hütten müssen mit umziehen. Meine Hütehunde sind auf dem Hänger, nun müssen die runter und die Hirtenhunde rauf, ohne Kontakt ... |
Was für
ein kugelrunder Haufen.
Nachts
auf fetter Wiese, Tags drei Stunden auf Rettich hüten. Der Landwirt
will, dass nur grob übergehütet wird, kein pferchen. Warum auch
immer, wenn er später doch nur unterpflügt.
Die
Herde kennt mich und die Hunde nicht und folgt trotzdem dicht auf.
So
nette Schafe.
Den
Rettich wiederum finden sie nicht ganz so prickelnd und ich bin am
Tricksen, um sie zum Fressen zu bringen.
Doch schon am zweiten Tag
drücken sie auf den Hund und auch, wenn es eisig und windig ist, wir
hüten!
Und es gibt ja noch die Mutterlämmer, die des öfteren umziehen müssen, gerne Strecken von um die sechs Kilometer. Das mach ich doch gerne. Mir den Weg zeigen lassen und los geht es.
Was für
brave Lämmer! Sie laufen begeistert und druckvoll hinter her.
Das
kenne ich wirklich auch komplett anders. Lämmer die auf riesigen
Flächen stehen, bis sie dann weiter müssen, sind sie so verwildert,
dass man seine Altdeutschen Hütehunde auf Abstand wie einen Border
Collie arbeiten muss. Und erst recht Schwierigkeiten hat, sie auf
Wegen durchs Feld zu führen.
Nicht
so diese Lämmer, im Gegenteil, sie kleben mir am Hacken, versuchen
sogar zu überholen, müssen vom Hund sehr deutlich gebremst werden.
Auch
wollen sie gerne auf angrenzenden Fluren räubern, zur Freude meiner
Hunde. Was zu tun! Juhu! Rumpel!
Feiner
Hund.
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Verkehr
Jeder
kennt den „Verkehr“ von Leistungshüten. Ein Auto fährt von
vorne und hinten an der Herde vorbei, der Hund währt zwischen Auto
und Schafen.
Ja, es
ist spannend und macht auch Spaß den Hund darauf zu trainieren,
immer zwischen Herde und Auto zu laufen.
Im
tatsächlichen Straßenverkehr mache ich das nie!
Es ist
mir einfach zu riskant, Autofahrer zu unberechenbar.
Die
Schafe nutzen immer die komplette Fahrbahnbreite, Autos von hinten
müssen dahinter bleiben, Autos von vorne müssen stehen bleiben und
warten, bis die Herde vorbei ist.
Autofahrer
haben kein Verständnis für Schafe und Hunde. Nichtmal im negativen
Sinne, nein, sie können die Situation schlicht nicht einschätzen
und ein Tier ist so schnell überfahren.
Nun
komme ich zu dem Moment, in dem ich mit der Herde ja erstmal auf die
große Straße kommen muss, um den Verkehr zum erliegen zu bringen.
Auch da
habe ich genaue Vorstellungen, wie es ablaufen soll.
Als
aller erstes erwarte ich, dass ich in der Lage bin, jeder Zeit mit
der Herde anzuhalten.
Ich
höre tatsächlich, dass es Schäfer gibt, die mit Schafen unterwegs
sind, die sie nicht anhalten können. Da muss dann punktgenau die
Straße gesperrt sein, da sonst die Herde in den rasenden Verkehr
läuft.
Wow!
Echt
mutig!
Hätte
ich ein Schiss!
Wie
funktioniert das denn dann bei Bahnübergängen?
Wobei
Bahnübergänge natürlich ein eigenes Kapitel füllen würden. Ich
kenne wirklich grauenvolle Berichte. Und bin in diesem Fall einfach
unglaublich froh, im Handyzeitalter zu leben. So kann ich vor dem
überqueren beim zuständigen Stellwerk anrufen und erfragen, ob der
Übergang lange genug frei ist. Fahrpläne haben nun mal keine
Verspätungen oder Güterzüge gelistet.
Über 1000 Schnucken warten an einem Bahnübergang |
Zurück
zu einer Herde, die nicht angehalten werden kann.
Das ist
eine Erfahrung, die ich bisher zum Glück noch nicht machen musste.
Und hätte ich Schafe, die nicht gewohnt wären, zu stoppen, wenn ich
vorne stehen bleibe, würde ich das als erstes trainieren.
Irgendwo
auf einem Feldweg, ohne tatsächliche Gefahren.
Meine
Hunde sind sehr gut darin Schafe, die meinen an mir vorbei zu
stürmen, aufzuhalten.
Gleichzeitig
verbiete ich mir absolut die Leitschafe, die hinter mir oder neben
mir laufen, zu maßregeln. Bei mir dran ist jedes Tier sicher vor dem
Hund und ich führe zu neuen Wiesen. Etwas, was sie immer sehr
schnell begreifen und ich so fremde Schafe sehr gut davon überzeuge,
mir zu folgen.
Habe
ich eine Herde sicher unter Kontrolle, kann jeder Zeit mit ihr
anhalten, kann ich auch Straßen alleine ziehen oder kreuzen.
Und
doch bin ich froh, wenn mir jemand die Straße frei macht und
sichert.
In
diesem Fall einer der beiden Auszubildenden des Betriebes.
Derjenige,
der mir die Straße frei macht, trägt eine Warnweste und hat eine
zweite zum Winken in der Hand.
Wartet
er auf meine Ankunft, steht das Auto mit angeschalteter
Warnblinkanlage am Straßenrand, an der Seite von der ich komme.
Auch
der Auszubildende wartet am Straßenrand auf meiner Seite.
Beides
ist mir ganz besonders wichtig, zur Sicherheit meiner Hunde.
Hunde
die ein vertrautes Auto oder Menschen sehen, wollen da hin, begrüßen.
Natürlich
kann ich den Hund abrufen.
Aber
probiert es mal aus, schaut, wie weit der Hund von einem weg ist, bis
ich weiß, er will tatsächlich weiter. Das sind schon schnell drei
Meter.
Da
kommt nun noch die Strecke drauf, die er braucht, um auf mein Rufen
zu reagieren.
Sind
wir nun bei sechs Meter?
Und wie
weit weg ist die viel und schnell befahrene Straße?
Höre
ich: Mein Hund horcht da besser!
Kann
sein.
Aber
gerade marschiere ich mit einem Trupp von 300 zappeligen Lämmern auf
eine Schnellstraße zu, hab diese im Blick, nehme Kontakt zu dem
Auszubildenden auf, gucke, wie der Verkehr läuft, halte die Hunde
bei mir …
Kein
zusätzliches Risiko!
Auto
und Person stehen auf meiner Straßenseite!
Und
warum den Hund nicht anleinen?
Komme
ich auf die Straße zu und es ist gerade zu viel Verkehr, so dass ich
einige Meter vor der Straße anhalte, um auf den passenden Moment zu
warten, muss der Hund vorne arbeiten, die Schafe mit halten.
Außerdem
schicke ich den Hund vor einer Straße nicht nach hinten.
Völlig
egal, was die Nachzügler für einen Unsinn machen.
Denn,
muss ich anhalten und der Hund drückt von hinten... Das Szenario
muss ich nicht weiter spinnen.
Oder er
kommt eng an den Schafen vor und ein Lamm bekommt Panik, spritzt nach
vorne ab, der Hund womöglich hinter her …
Nein,
so lange der Verkehr nicht gestoppt ist, bleiben die Hunde vorne bei
mir.
Habe
ich dem Azubi signalisiert, dass ich so weit bin, auf die Straße zu
ziehen, guckt dieser nach einer Lücke im Verkehr, die groß genug
ist, dass die nächst kommenden Fahrzeuge von weiten sehen können,
dass da irgendetwas passiert. Nun betritt er die Straße, winkt mit
der Warnweste.
Jetzt
gibt es kein zurück mehr, die Autos müssen halten, ich ziehe mit
der Herde an.
Zügig,
damit die Fahrer sehen, dass die Straße wirklich blockiert ist.
Sollten
sich hinten Schafe am Straßenrand festgefressen haben, schicke ich
jetzt auch einmal den Hund. Der Herde Beine machen, damit keine
Nachzügler nachtrotteln.
Quere
ich die Straße nur, schicke ich den Hund nicht mehr nach den
Letzten. Nicht, dass Autos schon anfahren, und da der Hund nochmal
kommt.
Das
gleiche beim verlassen der Straße, keinen Hund.
Die
Begleitperson ist die letzte auf der Straße, kehrt erst zum Auto
zurück, wenn wir alle sicher drüber sind und auch das letzte Tier
ein Stück weg von der Straße ist.
Ziehe
ich auf der Straße, folgt das Betriebsauto mit Warnblinker
angeschaltet, lässt keinen vorbei.
Ja, ich
bin im Straßenverkehr angespannt und hochkonzentriert.
Gleichzeitig
macht es mir Spaß.
Und ich
bedanke mich bei allen wartenden Autofahrern mit einem Lächeln,
einer Geste oder, haben sie die Scheibe unten, mit einem Dankeschön.
Vielen
Dank!
Und die
meisten grüßen freundlich zurück, oder freuen sich sogar über
diese ungewöhnliche Verzögerung. Natürlich Smartphone im Anschlag.
Das
Wandern mit der Herde, ein High Light im Schäferalltag.
der Schafhof |
So
vergehen die Tage und da kommt doch noch ernsthafter Winter. Der
Regen ist vorbei, bitter kalt ist es.
So gibt
es zum Schluss noch ein paar Eindrücke vom winterlichen Moor. Früh
am morgen, wenn ich die gelangweilten Hütehunde auslaufen lasse.
Einfach
atemberaubend.
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