Mittwoch, 6. Februar 2019

Januar 2019 in Niedersachsen


Die Schnucken sind tragend.
Doch bis zum Beginn der Lammzeit haben sie noch einen Monat.
So werden sie draußen auf Bauernwiesen gekoppelt.
Nicht wirklich arbeitsaufwendig.
Das war in meiner Lehrzeit noch anders.
Damals, vor nun 27 Jahren, haben wir auch die gehütet. Und es waren keine Silo- oder Heuwiesen. Die Bauern hatten ihre Rinder über Sommer draußen, eingezäunt hinter einem Stacheldraht. Etwas über Kniehöhe, oder besser genau auf Schafrückenhöhe.
Ich erinnere mich noch genau.
Hatte ich mich doch auf den Winter gefreut, endlich mal viereckige, flache Flächen hüten. Einfaches Gelände!
Und mein Meister sagte: Pass gut auf! Der Stacheldraht darf nicht weiß werden!
Der Landwirt mag keine Wolle im Draht, wenn das passiert, darfst Du pulen.
Klar, gehört.
Und dann komme ich auf die erste Wiese...
Links Stacheldraht, rechts Stacheldraht, vorne, hinten...
Die Schnucken völlig am ausrasten: Endlich! Endlich! Nach all dem blöden, trögen Naturschutzzeug. Endlich fettes grün. Und sie rennen, springen, drücken in alle Richtungen.
Und die Hunde!
Den ganzen Sommer im Moor darauf trainiert hinter dem Graben zu laufen. Und nun soll Hund davor laufen? Der Sinn des Stacheldrahtschutz erschließt sich ihm nicht.
Keine Begrenzung in die Schafe und sage ich: „Geh zurück!“ Hopp über den Graben.
Dazu eisekalt, eben noch richtig Winter. Aber wehe, ich mache nur einen Schritt, dann nimmt die Herde an es geht weiter, rennt schreiend zusammen. Also still stehen, frieren und um Stacheldrähte bangen.
Wollte ich weiter, musste ich mich unauffällig zum Übergang auf das nächste Stück schummeln. Dann leicht die Leitschafe angezogen, damit sie laufen, die Herde folgte dann gemäßigt, weil es nicht alle sofort mitbekamen. „Abzug aus dem Weiten Gehüt“. Sahen sie nämlich zu früh, dass es weiter ging, rannten sie, schreiend, wollten alle gleichzeitig durch den Durchgang. Der selten breiter als zwei Meter war, mit links und rechts Stacheldraht.
Aber die Zeiten sind ja schon lange vorbei.
Rinder draußen?
Geschichte.
Nun sind es alles Mähwiesen, die wir mit Elektronetzen zäunen.
So sehr die Schafe dieses helle, saftige Grün lieben, was eine gute Schnucke ist, der fehlt die Abwechslung. Und da die Wiesen endlich sind, zumindest die unbegüllten, gehe ich, so lange es erreichbar ist, ins Moor, hüten.
Ja, was soll es im Winter im Moor zu fressen geben?
Heide natürlich.


Und die Schafe finden es nach einer kurzen Eingewöhnung großartig.
Sie lieben das Raufutter zu dem hellen Grün.
Ich und erst die Hunde lieben diese zwei Stunden hüten und natürlich den Weg.


Moor im Winter.


Heide im Winter.


Soooo schöööön!
Viele verbinden mit Heide den Sommer, die Blütezeit, in denen sich Heideflächen in einen lilanen Teppich verwandeln. Natürlich, unbeschreiblich im Anblick.

Heide im Sommer
Aber für mich hat Heide etwas absolut winterliches, weihnachtliches.
Auch jetzt im Januar.
Das Geräusch der Heide knuspernden Schnucken!


Nicht anders, als wenn man den Ziegen vom Straßenrand gesammelte, abgeschmückte Weihnachtsbäume in den Stall schmeißt.
Ein so zufriedenes krunschen und knacken!


Zwei Stunden, dann reicht es und wir wandern zurück auf die Wiese.


Schön langsam. Wegränder. 


Eigentlich abgelutschte Feuchtwiesen.


Link, hier klicken:


Link, hier klicken:

Alles mitnehmen was geht.
Dabei gibt es für mich noch genug anderes zu tun. Im Stall stehen immer noch Bocklämmer. Wie bei so vielen Kollegen dieses Jahr. Der Markt ist übersättigt, die Preise schlecht. 1,80 bis 2,30 Euro das kg Lebendgewicht, wenn sie überhaupt wer will. Dabei muss der Stall leer, bald kommen die neuen Lämmer. Dazu will kein Verbraucher Tiere essen, die älter als ein Jahr sind, die sind doch dann keine Lämmer mehr!
Die weiblichen Mutterlämmer aus beiden Herden des Betriebes stehen auch noch extra draußen und müssen umgekoppelt werden.
Dazu die ganzen Hirtenhunde, die alle versorgt werden wollen und eigene Ansprache brauchen.
Eine Mazedonierin hat sogar herzallerliebste Welpen.








Ja, zu tun gibt es, auch wenn ich wirklich mit meinem Arbeitspensum zufrieden bin. Zumindest nachdem die heftige Bronchitis so weit abgeklungen ist, dass ich nicht die halbe Nacht hustend verbringe und die Nase auch wieder frei ist.
Und dann sind die Wiesen rund ums Moor kurz, es geht weiter auf Ölrettich. Acht bis zehn Netze am Tag und kein Hüten mehr.

Nicht nur die Hirtenhunde, auch deren Hütten müssen mit umziehen. Meine Hütehunde sind auf dem Hänger, nun müssen die runter und die Hirtenhunde rauf, ohne Kontakt ...




Da bin ich doch froh, dass ich zwei Tage die Bentheimer Herde hüten darf.
Was für ein kugelrunder Haufen.
Nachts auf fetter Wiese, Tags drei Stunden auf Rettich hüten. Der Landwirt will, dass nur grob übergehütet wird, kein pferchen. Warum auch immer, wenn er später doch nur unterpflügt.
Die Herde kennt mich und die Hunde nicht und folgt trotzdem dicht auf.


So nette Schafe.
Den Rettich wiederum finden sie nicht ganz so prickelnd und ich bin am Tricksen, um sie zum Fressen zu bringen.


Doch schon am zweiten Tag drücken sie auf den Hund und auch, wenn es eisig und windig ist, wir hüten!



Und es gibt ja noch die Mutterlämmer, die des öfteren umziehen müssen, gerne Strecken von um die sechs Kilometer. Das mach ich doch gerne. Mir den Weg zeigen lassen und los geht es.
Was für brave Lämmer! Sie laufen begeistert und druckvoll hinter her.

Das kenne ich wirklich auch komplett anders. Lämmer die auf riesigen Flächen stehen, bis sie dann weiter müssen, sind sie so verwildert, dass man seine Altdeutschen Hütehunde auf Abstand wie einen Border Collie arbeiten muss. Und erst recht Schwierigkeiten hat, sie auf Wegen durchs Feld zu führen.
Nicht so diese Lämmer, im Gegenteil, sie kleben mir am Hacken, versuchen sogar zu überholen, müssen vom Hund sehr deutlich gebremst werden.
Auch wollen sie gerne auf angrenzenden Fluren räubern, zur Freude meiner Hunde. Was zu tun! Juhu! Rumpel!
Feiner Hund.


Link, hier klicken:

Immer wieder müssen wir dazu Landstraßen überqueren, oder sogar etwas darauf entlang ziehen. Deshalb nun eine kleine Ausführung, was mir bei Verkehr wichtig ist.


Verkehr
Jeder kennt den „Verkehr“ von Leistungshüten. Ein Auto fährt von vorne und hinten an der Herde vorbei, der Hund währt zwischen Auto und Schafen.
Ja, es ist spannend und macht auch Spaß den Hund darauf zu trainieren, immer zwischen Herde und Auto zu laufen.
Im tatsächlichen Straßenverkehr mache ich das nie!
Es ist mir einfach zu riskant, Autofahrer zu unberechenbar.
Die Schafe nutzen immer die komplette Fahrbahnbreite, Autos von hinten müssen dahinter bleiben, Autos von vorne müssen stehen bleiben und warten, bis die Herde vorbei ist.
Autofahrer haben kein Verständnis für Schafe und Hunde. Nichtmal im negativen Sinne, nein, sie können die Situation schlicht nicht einschätzen und ein Tier ist so schnell überfahren.
Nun komme ich zu dem Moment, in dem ich mit der Herde ja erstmal auf die große Straße kommen muss, um den Verkehr zum erliegen zu bringen.
Auch da habe ich genaue Vorstellungen, wie es ablaufen soll.
Als aller erstes erwarte ich, dass ich in der Lage bin, jeder Zeit mit der Herde anzuhalten.
Ich höre tatsächlich, dass es Schäfer gibt, die mit Schafen unterwegs sind, die sie nicht anhalten können. Da muss dann punktgenau die Straße gesperrt sein, da sonst die Herde in den rasenden Verkehr läuft.
Wow!
Echt mutig!
Hätte ich ein Schiss!
Wie funktioniert das denn dann bei Bahnübergängen?
Wobei Bahnübergänge natürlich ein eigenes Kapitel füllen würden. Ich kenne wirklich grauenvolle Berichte. Und bin in diesem Fall einfach unglaublich froh, im Handyzeitalter zu leben. So kann ich vor dem überqueren beim zuständigen Stellwerk anrufen und erfragen, ob der Übergang lange genug frei ist. Fahrpläne haben nun mal keine Verspätungen oder Güterzüge gelistet.

Über 1000 Schnucken warten an einem Bahnübergang
Zurück zu einer Herde, die nicht angehalten werden kann.
Das ist eine Erfahrung, die ich bisher zum Glück noch nicht machen musste. Und hätte ich Schafe, die nicht gewohnt wären, zu stoppen, wenn ich vorne stehen bleibe, würde ich das als erstes trainieren.
Irgendwo auf einem Feldweg, ohne tatsächliche Gefahren.
Meine Hunde sind sehr gut darin Schafe, die meinen an mir vorbei zu stürmen, aufzuhalten.
Gleichzeitig verbiete ich mir absolut die Leitschafe, die hinter mir oder neben mir laufen, zu maßregeln. Bei mir dran ist jedes Tier sicher vor dem Hund und ich führe zu neuen Wiesen. Etwas, was sie immer sehr schnell begreifen und ich so fremde Schafe sehr gut davon überzeuge, mir zu folgen.
Habe ich eine Herde sicher unter Kontrolle, kann jeder Zeit mit ihr anhalten, kann ich auch Straßen alleine ziehen oder kreuzen.
Und doch bin ich froh, wenn mir jemand die Straße frei macht und sichert.
In diesem Fall einer der beiden Auszubildenden des Betriebes.
Derjenige, der mir die Straße frei macht, trägt eine Warnweste und hat eine zweite zum Winken in der Hand.
Wartet er auf meine Ankunft, steht das Auto mit angeschalteter Warnblinkanlage am Straßenrand, an der Seite von der ich komme.
Auch der Auszubildende wartet am Straßenrand auf meiner Seite.
Beides ist mir ganz besonders wichtig, zur Sicherheit meiner Hunde.
Hunde die ein vertrautes Auto oder Menschen sehen, wollen da hin, begrüßen.
Natürlich kann ich den Hund abrufen.
Aber probiert es mal aus, schaut, wie weit der Hund von einem weg ist, bis ich weiß, er will tatsächlich weiter. Das sind schon schnell drei Meter.
Da kommt nun noch die Strecke drauf, die er braucht, um auf mein Rufen zu reagieren.
Sind wir nun bei sechs Meter?
Und wie weit weg ist die viel und schnell befahrene Straße?
Höre ich: Mein Hund horcht da besser!
Kann sein.
Aber gerade marschiere ich mit einem Trupp von 300 zappeligen Lämmern auf eine Schnellstraße zu, hab diese im Blick, nehme Kontakt zu dem Auszubildenden auf, gucke, wie der Verkehr läuft, halte die Hunde bei mir …
Kein zusätzliches Risiko!
Auto und Person stehen auf meiner Straßenseite!
Und warum den Hund nicht anleinen?
Komme ich auf die Straße zu und es ist gerade zu viel Verkehr, so dass ich einige Meter vor der Straße anhalte, um auf den passenden Moment zu warten, muss der Hund vorne arbeiten, die Schafe mit halten.
Außerdem schicke ich den Hund vor einer Straße nicht nach hinten.
Völlig egal, was die Nachzügler für einen Unsinn machen.
Denn, muss ich anhalten und der Hund drückt von hinten... Das Szenario muss ich nicht weiter spinnen.
Oder er kommt eng an den Schafen vor und ein Lamm bekommt Panik, spritzt nach vorne ab, der Hund womöglich hinter her …
Nein, so lange der Verkehr nicht gestoppt ist, bleiben die Hunde vorne bei mir.
Habe ich dem Azubi signalisiert, dass ich so weit bin, auf die Straße zu ziehen, guckt dieser nach einer Lücke im Verkehr, die groß genug ist, dass die nächst kommenden Fahrzeuge von weiten sehen können, dass da irgendetwas passiert. Nun betritt er die Straße, winkt mit der Warnweste.
Jetzt gibt es kein zurück mehr, die Autos müssen halten, ich ziehe mit der Herde an.
Zügig, damit die Fahrer sehen, dass die Straße wirklich blockiert ist.
Sollten sich hinten Schafe am Straßenrand festgefressen haben, schicke ich jetzt auch einmal den Hund. Der Herde Beine machen, damit keine Nachzügler nachtrotteln.
Quere ich die Straße nur, schicke ich den Hund nicht mehr nach den Letzten. Nicht, dass Autos schon anfahren, und da der Hund nochmal kommt.
Das gleiche beim verlassen der Straße, keinen Hund.
Die Begleitperson ist die letzte auf der Straße, kehrt erst zum Auto zurück, wenn wir alle sicher drüber sind und auch das letzte Tier ein Stück weg von der Straße ist.
Ziehe ich auf der Straße, folgt das Betriebsauto mit Warnblinker angeschaltet, lässt keinen vorbei.
Ja, ich bin im Straßenverkehr angespannt und hochkonzentriert.
Gleichzeitig macht es mir Spaß.
Und ich bedanke mich bei allen wartenden Autofahrern mit einem Lächeln, einer Geste oder, haben sie die Scheibe unten, mit einem Dankeschön.
Vielen Dank!
Und die meisten grüßen freundlich zurück, oder freuen sich sogar über diese ungewöhnliche Verzögerung. Natürlich Smartphone im Anschlag.
Das Wandern mit der Herde, ein High Light im Schäferalltag.

der Schafhof

So vergehen die Tage und da kommt doch noch ernsthafter Winter. Der Regen ist vorbei, bitter kalt ist es.
So gibt es zum Schluss noch ein paar Eindrücke vom winterlichen Moor. Früh am morgen, wenn ich die gelangweilten Hütehunde auslaufen lasse.


Einfach atemberaubend.






1 Kommentar: