„Eine für alle“
Mein Leben als Schäferin
von Ruth Häckh
Wo fange ich an?
Im Titel verrate ich es ja schon, eine Liebeserklärung.
Mit der ich gar nicht so richtig gerechnet habe.
Nicht, weil ich es der Autorin Ruth Häckh nicht zugetraut hätte,
wirklich nicht.
Nein, ich war nur zu beschäftigt damit, besorgt zu sein, was, wenn
es mir nicht gefällt, zumindest Teile davon? Was mache ich dann?
Denn auch, wenn ich mich prinzipiell für einen ehrlichen Menschen
halte, fällt mir kaum etwas schwerer, als Kritik an jemandem zu
üben, der mir wichtig ist.
Gleichzeitig konnte ich es kaum erwarten, dass Buch in den Händen zu
halten.
Und kurz nach dem erscheinen im November 2018 lag es endlich im
Briefkasten.
Es mag albern klingen, aber schon der erste Eindruck begeisterte
mich. Das Buch liegt wunderbar in der Hand. Das Titelbild, die
strahlende Schäferin mit Lämmchen auf dem Arm, würde sicher auch
viele fachfremde Menschen ansprechen. Und für mich stand da auch
noch die Schafsmama, ihr Lämmchen riechend.
Aufgeschlagen und die ganze erste Doppelseite die ziehende Schafherde
von hinten, vorne weg die Schäferin.
Wow! Was für ein Bild!
Überhaupt ist das Buch voll mit Bildern, in der Mitte viele
Farbaufnahmen und noch mehr schwarzweiß Drucke zwischen den Texten.
Fotografien aus dem Leben einer Wanderschäferin.
Jedes einzelne lädt zum Verweilen ein, zum Betrachten, zum Träumen,
zum Staunen.
Immer und immer wieder.
Auch wenn der Text flüssig geschrieben ist, wirklich zum Eintauchen
drängt, habe ich mich ganz bewusst dagegen entschieden. Jeden
einzelnen Absatz wollte ich wertschätzen, genießen. So habe ich mir
beim Lesen viel Zeit gelassen, nie mehr als ein Kapitel am Stück,
nie, wenn ich abends müde im Bett lag. Auch in den Hüterucksack kam
das Buch nicht, keine Knicks, keine Macken, immerhin hat mein
Exemplar eine persönliche Widmung.
So kommt diese Buchempfehlung auch erst jetzt.
Doch wie ich mir sofort dachte, macht dies gar nichts, denn „Eine
für alle“ ist ein riesen Erfolg. So brauche ich es auch nur noch
den letzten unentschlossenen ans Herz legen. Alle anderen, die ihr es
schon habt, willkommen im Klub der Begeisterten.
Ruth beginnt ihr Buch mit einer Liebeserklärung.
Eine Liebeserklärung an ihr Leben als Wanderschäferin.
„...Ich liebe die Einsamkeit, und ich liebe sie um so mehr, wenn
ich sie mit den Schafen teile. Denn in Wirklichkeit bin ich dort
draußen nie allein. Ich habe meine Hunde, ich habe meine Herde, ich
bin in bester Gesellschaft....“
Spätestens hier hatte sie mich.
„Eine für alle“ ist in vier Teile gegliedert:
- Unter Wanderschäfern
- Wie alles begann
- Die Kunst des Hütens und andere Schäfergeschichten
- Es geht ums Überleben
Ruth erzählt wie ihr Vater zum Schäfer wurde. Von ihrer eigenen
Kindheit, in der der Vater immer und immer bei seiner Herde war.
Sogar den Winter über am Bodensee verbrachte, 200 Kilometer von dem
Zuhause am Fuße der Schwäbischen Alb, auf Winterweide.
Ihre eigenen Umwege, die sie doch schließlich dahin brachten, den
elterlichen Betrieb zu übernehmen.
Sie erzählt von Freude und Mühsal des Wanderschäferleben. Bei dem
man doch denkt, dass es mit der sich wandelnden, technisierenden Welt
leichter werden müsste. Das Gegenteil ist der Fall, verbaute
Landschaften, Auflagen, Bestimmungen, Verordnungen, zunehmender
Verkehr, sinkende Einnahmen, all das macht Wanderschäfern das Leben
schwer. Auch die Arbeit wird nicht leichter oder weniger, im
Gegenteil, um überhaupt zu überleben, müssen mehr und mehr Schafe
gehalten werden, auf immer engeren Flächen.
Und wer möchte heutzutage noch so leben?
Die Schäferei, ein verschwindendes Relikt?
Mitnichten.
„...Dieses Tier, das oft als einfältig, gefügig und
schicksalsergebenes Geschöpf belächelt wird, ist mit etlichen
Talenten gesegnet. Es erweist seine Nützlichkeit nicht nur, indem es
Fleisch und Wolle liefert – den früher hochgeschätzten Dünger
nicht zu vergessen -, es betreibt auch Landschaftspflege, die
Schafherden erschaffen und erhalten. Kein anderes Tier ist dazu
fähig; es wäre deshalb nicht nur sinnlos, die Massentierhaltung auf
Schafe auszudehnen, es wäre auch unklug. Das sind schon zahlreiche
Gründe, weshalb ausgerechnet das Schaf bis heute artgerecht und in
Freiheit leben darf...“
Ruth beschränkt sich nicht nur auf ihr Schäferleben, dass sie mit
so viel Kraft, Ehrlichkeit und Liebe schildert.
Sie blickt auch auf das große Ganze, Hirtentum Weltweit, den
verzweifelten Kampf ums überleben aller Hirten.
Es schmerzt, zu Lesen wie sehr Weidetierhaltung bedroht ist, wie das
Verschwinden kaum noch aufzuhalten scheint.
Aber wir hören nicht auf zu hoffen und zu kämpfen, denn „...Kein
schöneres Leben gibt’s nicht auf der Welt“.
Ich beende das Buch und mein erstes Gefühl ist Wehmut.
Jetzt ist es zu ende.
Das zweite, warum soll ich noch schreiben? Wird doch alles gesagt,
was es über Schäferei zu erzählen gibt.
Tief durchdrungen bin ich von all den Geschichten und dem, was
Schäferei ausmacht.
Die Liebe des Schäfers zu seinen Schafen.
Die Liebe der Schafe zu ihrem Schäfer.
Stolz erfüllt mich, Ruth meine Freundin nennen zu dürfen.
Wäre ich das nicht, wäre ich nun Dein Fan!
Stolz auch darauf, ihren Vater, Fritz Häckh, noch etwas kennen
gelernt zu haben. Beeindruckt hat mich seine Ruhe, die freundliche
Herzlichkeit und das Interesse an seinem Gegenüber.
Vor nun achtundzwanzig Jahren war ich zum ersten Mal in der Schäferei
Häckh in Sontheim.
Wir sind raus zur Herde gefahren, natürlich. Da war Großvater Häckh
am Hüten. Er freute sich über den unerwarteten Besuch und erzählte.
Ich, mit meinen vierzehn Jahren war zwar des pfälzischen mächtig,
aber das war nun schwäbisch. So verstand ich kein Wort. Und doch ist
mir der alte Mann mit Filzhut, grünem Lodenumhang und Schäferschippe
vor der Schafherde im Gedächtnis geblieben.
Wer hätte damals gedacht, dass ich eines Tages genau diese Schafe,
oder deren Nachfahren, auch einmal hüten würde.
Oder, dass Ruth und ich auf dem Heuberg Preishüten würden.
1996 Frauenleistungshüten |
Und, noch viel erstaunlicher, dass wir beide als Vertretung für alle
deutschen Schäfer nach Paris Reisen würden!
Den Bericht dazu habe ich nun auch hier in meinen Blog gestellt.
Der link dazu:
Zwei Schäferinnen in Paris
Zwei Schäferinnen in Paris
Nein, beides hätte damals keiner Gedacht.
Das Leben nimmt unerwartete Wendungen.
Gebt die Schäferei noch nicht auf!
Als letztes Fazit: „Eine für alle“ ist ein Buch für alle die
Tiere und Natur lieben.
Es berichtet von einer alten Württemberger Kultur die verloren
geglaubt scheint. Und doch so hochaktuell ist.
Für Schäfer und Städter, für Jung und Alt.
Einfach ein Buch, das in keinem Bücherregal fehlen darf.
Und wie immer:
Am besten in der Buchhandlung bei Euch um die Ecke kaufen oder, wenn
nicht vorrätig, bestellen.
Es gilt die deutsche Buchpreisbindung, kostet also überall das
selbe.
„Eine für alle“
Mein Leben als Schäferin
von Ruth Häckh
Erschienen im LUDWIG Verlag
ISBN 978-3-453-28103-5
Hier noch ein link zu einem gelungenen ZDF-Beitrag in dem auch Ruth Häckh vorkommt.
Schäfer in Not - Ein Traditionsberuf vor dem Ende
Und zu allerletzt: Ich habe keinerlei Vorteile durch diese
begeisterte Empfehlung.