Sonntag, 19. Februar 2017

Danewerk


Schon zwei Jahre ist es her, dass ich das letzte mal am Danewerk, dem Wikingerwall, gehütet habe.
Die Schnuckenherde meines Ursprungsbetriebes weidet dort immer im Januar und Februar.
So auch dieses Weihnachten 2016. Für die drei Feiertage gilt Hütepause und die Herde wird in großen Netzen neben dem Wall auf Bauernwiesen gestellt.

Frohe Weihnachten!
Und auch wie jedes Jahr komme ich auf meinem Feiertagsbesuch mit raus, die Schafe umstellen auf frisches Grün.
Ein wiedersehen mit den zappeligen Schnucken und dem altehrwürdigen Wall, der in dem flachen Schleswig-Holstein einfach Eindruck macht.
So schreibe ich diesen Januar einen Bericht über das Danewerk:

Die Schnuckenherde die ich hüte macht Naturschutzarbeit.
Magerrasen auf dem Danewerk.
Diese werden einmal im April direkt nach dem Stallaustrieb und dann nochmal im Winter beweidet.
Das Danewerk ist ein alter Wall der von den Wikingern um 700 n.C. erbaut wurde und sich quer durch das heutige Schleswig-Holstein zieht. Er diente als Verteidigungsanlage, Schiffe wurden darüber von Nord- zu Ostsee transportiert oder das Vorland gegen Feinde geflutet. Über die Jahrhunderte ist er ausgebaut und erweitert worden, um dann in friedlicheren Zeiten eingerissen zu werden.
Heute sind nur noch Teilstücke erhalten. Diese stehen unter Natur- und Denkmalschutz. Eine Nominierung zum UNESCO Weltkulturerbe ist angestrebt.

Frühjahr 2014, vor der Waldemarsmauer, Baubeginn 1163

So tragen die Schafe mit ihrer schonenden Beweidung zur Denkmalpflege und Geschichtserhaltung bei.
Das Hüten ist nicht einfach, der Wall schmal, an manchen Stellen kaum breiter als zehn Meter. Das Futter ist karg, links und rechts fette Wiesen.
Wo die Schafe wohl lieber fressen würden?

Ylva wehrt zum "guten" Futter

So müssen die Hunde beständig hart wehren. Wall rauf, Wall runter.
Und ich stehe oben.
Nur da kann ich beide Seiten im Blick haben.
Immer im Wind, bei Regen, Hagel oder Schnee.


Junge Hunde lassen sich hier hervorragen trainieren. Die Herde steht immer eng, macht immer druck, an den Wallseiten klare Grenzen. So mancher Junghund hat sich am Wall seine Flausen abgearbeitet.

 
Drei Hunde, Murla, Marlis und Ylva

Hier habe ich, selbst noch Auszubildende, meinen ersten Hund gerichtet.
22 Jahre ist das nun her.

1995 mit meiner Gipsy und Racker


Eine Begebenheit von Januar 2015:
Ich stelle mittags die Schafe.
Es ist ein windiger Tag. Um uns in dieser dreiviertel Stunde etwas Schutz zu geben, stehen wir zwischen dem Wikingerwall und einem kleinen Buckel.
Die Schafe haben Mittagspause und käuen wieder. Ich trinke einen Tee, schleife meine Messer und schneide dann Klauen. Dazu stehe ich in der Herde und schaue mich nach Hinkern um. Oft genug stellen diese sich schon an, warten, den wehen Fuß leicht angehoben, darauf, dass sie an der Reihe sind. So greife ich sie mir, kaum habe ich das Schaf zwischen meinen Beinen fertig behandelt.
Wenn sie denn auch mal beim Schneiden still halten würden!
Anstehen ist kein Garant dafür, das Füßebehandeln ruhig über sich ergehen zu lassen. Oft sind es sogar die Leitschafe, die Tiere die immer bei mir stehen, die sich am heftigsten gegen solch empörendes Verhalten meinerseits wehren.
Während dem Schneiden habe ich meine Hunde immer im Blick. Einer ist angebunden, hat Pause.

Stellpause. Ich schneide Klauen. Die Herde verschiebt sich. Murla bleibt ruhig, sie hat Pause.
 Der andere stellt mir die Herde. Dicht sollen die Tiere stehen, so dass ich an jedes ran komme. Aber stapeln soll er sie nicht. So schon muss ich die zutraulichen Schafe immer etwas wegschieben, da sie sich an mich kuscheln, an mir herumnutzeln und sich gegenseitig aus meiner Nähe drängeln. „He, macht mir Platz, ich kann nichts sehen, Lumpenpack!“
Als ich so mit Schafsklaue und Hund im Augenwinkel beschäftigt bin, kommt ein Schaf an mir vorbei gerannt. Total eingewickelt in Stacheldraht, zwei rotte Zaunpfosten schleift es noch nach. Scheiße!
Ich lass mein Schaf sausen und greife mir die Alte.
So ein Kack!
Wo hat sie das den her?
Naja, eigentlich habe ich ja Glück. Es hätten in diesem Stacheldrahtchaos auch mehrere Tiere hängen können.
„Na, komm, halt still Mäuschen, ich muss Dich da irgendwie raustüddeln.“
Beruhigend vor mich hinmurmelnd zerre ich Fell aus Draht.
Das Schaf steht ganz still, lässt mich machen. Auch die Herde schiebt sich wieder kontaktsuchend heran.
Haut ab! Nicht dass ihr auch noch hineingeratet!
Während ich so am machen bin, kommt eine Spaziergängerin mit Hund vorbei. Sie schaut zu: „Brauchen Sie Hilfe?“
„Danke, was ich bräuchte sind feste Handschuhe.“
Die erste blutige Schramme hab ich bereits.
Die Frau guckt noch einen Moment, dann bindet sie ihren Hund weg und kommt zum Helfen.
Danke!
Die Herde wird nervös, die Alte zappelig, aber als die Fremde sich friedlich zeigt, beruhigen sich alle schnell. Zusammen pulen wir das Schaf aus dem Draht und ziehen den Stacheldrahthaufen weg auf den Acker.
Vielen, vielen Dank!
Nun stehen wir noch eine weile gemeinsam vor der friedlich käuenden Herde. Die steht entspannt, schiebt sich wieder kontaktsuchend an uns heran. Die Frau ist erstaunt und fasziniert.
So zutrauliche Tiere!
Und dann die Standartfrage: „Die werden doch aber nicht gegessen? Diese süßen Tiere soll man essen?“
Dazu meine Standartantwort: „Was denn sonst? Wie kann ich überhaupt anderes Fleisch essen? Sieh, wie gut es ihnen geht.“
Schweigen.
Dann ist die Stellzeit um.
Der Hund der Spaziergängerin ist hocherfreut, weg zu kommen.
Ich werde später nochmal zu der Stelle fahren und den Stacheldraht aufladen, damit der Landwirt ihn nicht in seinen Maschinen hat.
Jetzt ziehe ich erstmal weiter mit der Herde.
Auf Wegen, älter als alt.

Ich liebe das Danewerk.
Bei jedem Wetter.
Da zu stehen, oben auf dem Wall, den Gezeiten ausgeliefert, sie zu spüren, mit ihnen zu leben.
Für viele wird es nur wie ein kleiner Hügel sein, nichts mit hoch, kein Vergleich zu Bergen.
Und doch.
Es ist der höchste Punkt in dieser absolut flachen, platten Landschaft.
Ich bin der höchste Punkt.
Mein Blick geht unendlich und weit.
Genau wie der Himmel über mir.
Ich fühle mich so frei, so offen und doch gleichzeitig so verwurzelt.
Die Vergangenheit, auch die ist zu spüren.
Hier sind schon die Wikinger gelaufen.
Und nun ich mit den Schafen.
Das ist Geschichte!


Ein Link zu Wikipedia für alle die mehr über das Danewert wissen wollen:
 

9 Kommentare:

  1. Wonderful description! What an interesting place to feed sheep. Wear did you get your hat and cloak? I purchased a rain cloak 20 years ago on a visit to Germany. I would like to get another. It was the best at keeping me dry while standing in the field. I adore your writing, even though it is translated poorly through Google!

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    1. Thank you, Susan. I really appreciate your liking of my story. I would love to translate it, but my English isn’t that good and I would need way too much time.
      To the cloak: I got it from hear:
      http://www.schaefereibedarf.de/
      And I really can recommend it. If you have the time, you could take cuddled inside a nap in the rain. ;)
      But sorry to say, I cant recommend the hat. I have always worn this sheep wool hats and was satisfied. But my last one let water through after only two hours.
      So I went looking for a different hat. As much as I want to support German hat manufactures, my dry head is more important to me.
      So now, I have a Australian Akubra from rabbit hair. And I love this hat, fits perfectly and after one year permanent wearing, my head is still dry in the evening.
      I choose a Hat similar to the traditional German shepherd hat. I like the German shepherd clothing traditions. The same way, I loved watching the traditional clothing from all over the world at the terra madre parade in Turin last summer.

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  2. hallo anna,
    schöne bilder!! ein hügel schafe und ein hund im schafspelz mitten drin. ach, hast du ein romantisches leben ;-) und nach getaner arbeit fallen du und die hunde in wohlverdienten tiefschlaf, mit rot-windgepeitschtem gesicht und verklebten haaren, wa?
    sehe ich das richtig, heidschnucken, gehörnte weiße und moorschnucken in einer herde? interessante mischung! wie macht ihr dann das mit den böcken? bei so vielen? oder ist die herde deswegen so interessant gemischt?
    seit neulich mal gucke ich immer wieder gerne bei dir vorbei. norden, schnucken und karge landschaft ist einfach toll. und es macht wirklich spaß, bei dir zu lesen.
    liebe grüße
    anke

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    1. Hallo Anke,

      vielen Dank!
      Ursprünglich war es eine Herde Weiße Gehörnte Heidschnucken.
      Da es nur noch wenige dieser Rasse gab und es schwierig war an Böcke zu kommen, die den betrieblichen Anforderungen (gute Muttereigenschaften, genügend Milch, Wetterfest, Marschfähig) genügten, wurden vor ca. 25 Jahren aus Island weiße Islandschafe importiert und eingekreuzt.
      Vor 15 Jahren dann wurde die Herdbuchzucht aufgegeben und es wurde eine einfache Gebrauchschafherde. Die Pflegeverträge schreiben „nordische Heideschafe“ vor, die Wirtschaftlichkeit Lämmer die über den Handel vermarktbar sind. So sind seit dem sehr unterschiedliche Böcke im Ritt: Weiße Gehörnte Heidschnucke, Graue Gehörnte Heidschnucke, Gotlandschaf, Charmoise, Suffolk, Schwarzköpfiges- und Weißköpfiges Fleischschaf, Swifter.
      Die weibliche Nachzucht wird dann aus den nordischen Heideschaftypen gewählt.
      Das macht die Herde so bunt und die Lammzeit immer wieder voll Überraschungen.
      Liebe Grüße

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    2. hallo anna,
      nordische heideschafe selbst gemacht - hört sich nett an. und sieht auf den bildern nett aus! ja, man muss ja immer sehen, was am besten zu einem passt, was man braucht und wie man demgemäß die schafe "mischt". ich schwanke da auch immer zwischen "herdbuch machen?" oder lustige experimente. zum glück kann ich mir da einiges leisten und darf bei meinen geliebten kurzschwanzschafen bleiben. die abnahme ist durch die mitglieder unseres hofes geregelt. deswegen durfte ich solche verrückten sachen machen wie: moorschnucke x milchschaf... :-)milchschaf waren meine ersten und die damen konnte ich als meine tüddelschafe nicht einfach wegschlachten. hat n bisschen gedauert, aber dann hat die schnucke mich eingefangen.... kamen aber nette mädchen heraus, die ich jetzt nächsten herbst mal testen will, was sie als mütter so machen. dann habt ihr wohl keine relativ "reinen" islandschafe mehr? das ist nämlich der neue, sich anbahnende spleen bei mir. hatte sie aber noch nie real "in der hand". gute muttereigenschaften sind mir wichtig und robust sollten die damen sein, wir sind im ehemaligen niedermoor "mit ohne selen" oder sonstigen mineralstoffen. islandschafe müssten da doch evtl. auch gut klarkommen? maedi is halt so ne sache.....hast du da sowas wie eine lieblingsrasse in den nordischen heideschafen für die muttertiere?
      falls du noch ein minütchen zeit hast... ;-)
      liebe grüße
      anke

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    3. Hallo Anke,
      also von „Nordischen Heideschafen“ mag ich schon die gehörnten Schnucken am liebsten. Ich mag das sie einen „Henkel“ haben und auch ihr ganzes wildes, zapelliges Wesen spricht mich an. Alles unter Schnuckengröße finde ich zu klein. Gotländer sind mir zu wild, beim Klauenschneiden eine Katastrophe, da sie sich im Kreuz so steif machen. Pommern sprechen mich nicht an.
      Isländer hingegen finde ich eine tolle, schöne Schafrasse. Nur hat sich da auf Island in den letzten Jahren viel verändert. Aus meiner Sicht nicht unbedingt zum positiven. Ja, sie sind Wetterfest, müssen sie doch 4 Monate frei in den Bergen überleben. Nur stehen sie die restliche Zeit aufgestallt, heutzutage gerne auf Spaltenboden. Dann werden sie künstlich Befruchtet. Und wie das so ist, wenn künstlich Befruchtet wird, gibt’s den Rann auf die Spitzenböcke. Ziel hohe Fruchtbarkeit, viele Lämmer, Gewicht. Was wieder dazu führt, dass in der Lammzeit jedes Lamm von Hand geholt wird. Wobei die Muttereigenschaften auch immer noch im Vordergrund stehen.
      All das was ich geschrieben habe, sind meine Erfahrungen, oder im Fall der Isländer, was ich gehört habe. Also bitte nicht als feststehende Wahrheit nehmen.
      Meine allerliebste Schafrasse ist übrigens das Fuchsschaf. Finde sie wunderschön, gut zu Hüten, machen wunderhübsche Lämmer, die auch noch was auf die Waage bringen, für mich einfach die perfekten Schafe! :)
      LG
      Anna

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    4. hallo anna,
      ja, fuchsschafe sind auch toll. die hatte ich für hier auch in der engeren auswahl, allerdings wusste ich nicht, ob die auf den ärmeren ehemaligen moorböden klarkommen würden.
      moorschnucken haben auch was zappeliges, das kann ich gut nachvollziehen, ist so "schäfisch" - mag ich auch sehr gerne, wie gesagt, die schnucke hat mich um den finger gewickelt. eine von der zweiten gruppe mädels, die ich gekauft hatte und erstmal in stall-quaratäne hatte, ist mir beim entwurmen aus lauter panik direkt ins gesicht gesprungen.... zum glück war mein kieferknochen auch hart....aber sternchen hab ich schon kurz gesehen. hatte halt keine henkel, die lady...;-)
      islandschafe auf spaltenböden... hmmm... naja. wird wohl eh schwierig mit islandschaf-kauf, aber trotzdem danke für die info,ich sammel gerne, was mich weiterbildet.
      ja, vielleicht mach ich erstmal weiter lustige kreuzungsexperimente. momentan wollen wir teppiche weben lassen und ich überlege auch, die wolle der schnucken mit gotländischem pelzschaf (ist ja kein gotländer) aufzumöbeln. ein bock und dann kreuzungen und schauen was passiert. mal eine generation zwischendurch. gibt vielleicht extravagante teppiche???
      man kann so viele nette sachen machen mit schafen, aber derzeit ist auch so viel anderer müll, den man machen muss. vor zwei wochen hatten wir den wolf auf der wildkamera. jetzt hab ich ein doppeltes e-netz um den folientunnel, wo die mütter mit den lämmern stehen. und bin halt so oft wie geht noch nachts draußen. würde meine zeit lieber damit verbringen, nach spannenden schafrasen zu suchen, die nette teppiche machen.
      so, die buddellämmer wollen nochmal den bauch voll kriegen.
      nette abendkonversation mit dir!
      liebe grüße
      anke

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    5. Guten Morgen Anke,
      da drücke ich die Daumen, dass der Wolf nur auf der Durchreise war.
      Zum Fuchsschaf, habe in Schleswig-Holstein in einer Schäferei gearbeitet, die Hochmoor- und Heidepflege mit Fuchsschafen macht, klappt wunderbar.
      Selbst hatte ich mal Schnucken-Fuchsschaf-Mixe. Eine Bekannte ( http://www.woll-werkstatt.de/ ) hat mir einen Teppich aus der Wolle gewebt. Wunderschön!
      Einen schönen Tag wünsche ich!
      LG
      Anna

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  3. hi anna
    :-)
    danke. so schöne inspirationen und ideen und links.
    na dann bastel ich mal weiter.
    und den grauen beobachte ich gut. wird noch spannend, dieses jahr in niedersachsen...
    euch gutes wetter und fleißige schafe!
    bin gespannt auf deinen nächsten text.
    lieben gruß
    anke

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