Die Schafe im Weiten Gehüt zwischen Wasser und Mittagsschattenplatz. Lille läuft alleine raus auf eine ihm bekannte Grenze. |
Ein
Jahr ist es her, dass ich das erste Mal die Urlaubsvertretung im
Westerwald machte.
Nun
sollen es wieder sechs Tage sein.
Als ich
das in meiner Familie erzähle singen Mutter und Oma:
„In
dem schönen Westerwald
Ja da pfeift der Wind so kalt“
Ja da pfeift der Wind so kalt“
Was für
wahre Worte.
Habe
ich doch letztes Jahr jämmerlich gefroren. Wie konnte ich auch
ahnen, so weit im Süden das gleiche Klima wie in Schleswig-Holstein
vorzufinden.
Das
soll mir diesmal nicht passieren!
Ich bin
ausgerüstet, habe Wollunterwäsche, Fellweste und Umhang im Gepäck.
Freudig
begrüßt wird meine Ankunft samt Hund und Katz.
Die
Einführung dauert nicht lange, steht die Herde doch im gleichen
Gebiet wie letztes Jahr.
Am
nächsten Morgen geht es zum Stall.
Etwas
nervös bin ich schon, habe ich die Hunde doch nur sechs Tage vor
einem Jahr gesehen.
Aber
kein Problem, sie wissen noch wer ich bin und freuen sich ein Loch in
den Bauch.
Hingerissen
sind sie von meinem Altdeutschen Rüden Lillebror (Lille).
Beim
letzten Mal war er noch ein halbjähriger Welpe, nicht ernst zu
nehmen.
Was für
ein stattlicher Kerl er geworden ist!
Das
Hündinnenrudel überschlägt sich vor Begeisterung.
Der
Stall ist bis auf ein paar frisch gelammte Mutterschafe leer. Die
sind schnell versorgt und auf geht es zur Herde.
Die
Schwarzköpfe sind nicht so begeistert mich zu sehen wie ihre Hüter.
Eher
das Gegenteil.
Die
kennen wir nicht, der folgen wir nicht.
Naja,
das hatten wir ja schon.
Zum
Glück kennen sie ihre Routine. Und auch der Schreck vor den fremden
Hunden legt sich schnell.
Lillebror
ist nach längerer Arbeitspause völlig außer Rand und Band, läuft,
läuft, läuft.
Um eins
zieht es die Herde auf den Stellplatz in den Schatten einer kleinen
Baumgruppe.
Zeit
zum Klauenschneiden.
Normalerweise
binde ich den jungen Hund nun an, er soll Pause machen, während
Ylva, meine erfahrene Strobelhündin, die Herde stellt.
Nun
sind wir dieses Jahr einen Monat früher dran und es sind viele
Mütter mit noch recht kleinen Lämmern in der Herde. Auch wenn ich
die beiden frisch gelammten morgens ins Auto geladen habe, Ylva
findet es gruselig, stellt die Herde nicht eng genug.
Damit
ich Tiere fangen kann, muss die Herde zusammen stehen, nur so komme
ich leicht an Hinker.
Nein,
ich bin nicht gereizt!
Muss
die herzallerliebste Hundedame immer noch extremer in ihrer Furcht
werden?
Hilft
ihr dabei, dass ich grantig bin?
Auch
nicht.
Also
mache ich sie fest.
Schaun
wir mal, was der Junge zeigt.
Beide
Hunde lasse ich nicht gleichzeitig laufen.
Ich bin
doch sehr auf die Schafe konzentriert und zu zweit kann doch schnell
mal das Jagdfieber durchbrechen.
Lille
ist etwas irritiert, als ich in die Herde laufe und ihm verbiete, mir
zu folgen.
Doch
fängt er gleich an zu laufen. Immer außenrum.
Ich
bewege mich, den Hund im Augenwinkel, auf der Suche nach Hinkern.
Viel
Erfolg erwarte ich nicht, kennen die Schafe mich doch nicht, halten
ordentlich Abstand.
Vor
Jahren, bei meiner ersten Aushilfe, versprach ich noch vollmundig vor
dem Ausfahren morgens, Klauen zu schneiden. Die Schafe drehten völlig
am Rad, fremder Hund, fremder Mensch. Das sie mir nicht den Pferch
einrannten war alles.
Mittlerweile
weiß ich mehr.
So gehe
ich langsam, entspannte Bewegung, entspannter Blick, dabei singe ich.
Alles,
damit die Herde ruhig bleibt, sich an mich gewöhnt. Ist eins nahe
genug an mir, schnell Anspannung aufbauen, vorschießen, mit dem
Fanghaken an der Schäferschippe das Hinterbein einhängen und heran
ziehen.
Ich
setzte das Tier auf den Hintern und kümmere mich um die Klauen.
Gleichzeitig habe ich ein wachsamen Blick zum Junghund.
Dies
ist die Gelegenheit für Unsinn.
Doch
Lille würde lieber zu mir kommen, gucken was ich da schaffe. So muss
ich ihm klar sagen, dass das mein Tun ist, er außerhalb der Herde zu
warten hat.
Leider.
Ach,
wenn die Hunde einem auch noch das Klauenschneiden abnehmen könnten!
Viele
Schafe bekomme ich nicht, am ersten Tag gerade mal drei. Nervöses
Schafsvolk.
Direkt
neben dem Stellplatz geht es zur Tränke.
Ein
kleiner See im ehemaligen Steinbruch, der malerisch zwischen
bewaldeten Steilhängen liegt.
Zu dem
schlängelt sich ein schmaler, von den Schafen ausgetretener Pfad.
Auch
wenn das ihr täglicher Weg ist, die Herde tut, als wäre sie hier
noch nie gelaufen.
Ich
muss um jeden Meter kämpfen, sie wollen mir nicht folgen.
Ich
lasse Ylva von hinten schieben. Da hilft nur pure Hundegewalt.
Auf der
Hälfte ist eine größere Freifläche, ich selbst wechsele hinter
die Herde, schiebe mit beiden Hunden.
Und
immer noch laufen sie vorne nur sehr, sehr zögerlich.
Dann
endlich besiegt der Durst ihre Unsicherheit, sie rennen zum Wasser.
Gierig
wird getrunken.
Oh,
man, Leute! Mehr wollte ich von Euch nicht!
Und
zurück auf die Futterflächen könnt ihr alleine laufen.
Ich
bleib hinten, habe Geduld, schaue das alle Lämmer mitkommen.
Wasser in der Kieskuhle |
Schafe
sind in unsicheren Situationen eher wie Esel, nicht wie Pferde. Sie
stellen ihre Beine fest, laufen nicht, rühren sich nicht. Das sie
auf die Idee kommen panisch zu fliehen, da muss schon richtig
mörderischer Rabatz in die Herde kommen. Wobei das auch immer etwas
auf die Schafrasse ankommt und auf die Herdenführung. Ein Schaf, das
über Generationen gelernt hat, dass der sicherste Platz mitten in
seiner Herde ist, will genau diesen aufsuchen, wenn etwas fremd ist.
In
diesem Fall bin leider ich das Fremde.
Schafweide, ein Blütenparadies |
Da die
Schafe so an ihre Routine gewöhnt sind, stellen sie sich abends um
acht, nach dem sie sich satt gefressen haben, freiwillig vor ihrem
Pferch auf.
Nur
hinein laufen wollen sie nicht, ist es doch der Pferch in dem sie die
zweite Nacht verbringen, also keinen frischen Nachtisch mehr enthält.
Wenn
eine Herde nicht läuft, ist es eigentlich unsinnig einen Hunde an
ihr entlang zu schicken. Zwar setzt sie das in Bewegung, aber wenn
der Hund hinten gedreht hat, wieder nach vorne kommt, stoppen sie
wieder.
Auch
dem Hund zu befehlen hinter den Schafen zu bleiben, von hinten zu
drücken, bringt bei einer großen Herde nicht viel. Entweder sie
machen die Front nur immer breiter, oder sie fangen an zu drehen.
Letzteres heißt, die Herde läuft im Kreis, wie ein Malstrom. Dies
wieder aufzubrechen ist dann sehr schwierig, da Schafe immer gerne
anderen Schafen folgen, auch im Kreis.
Nun
habe ich aber nur Ylva, die ich weiter weg von mir steuern kann.
Lillebror
kennt bisher nur, dass ich ihn an der Herde entlang schicke und dass
er, ist er an ihrem Ende angelangt, wieder umdreht und zu mir zurück
kommt.
Noch
ist es nicht einmal sicher, dass er nicht hinter der Herde wechselt
und dann auf der anderen Seite vor kommt.
Hinter
der Herde wechseln ist ein absolutes „no go“ in der
Hüteschäferei.
Ich
schicke ihn ja auf die Seite, auf der etwas geschehen muss. Wechselt
der Hund dann hinten, kommt der Druck von der falschen Seite, schiebt
die Herde noch dahin, wo ich sie gerade nicht haben will. Das kann im
Straßenverkehr tödliche Folgen haben.
Auch
möchte ich bei einem jungen Hund, dass er IMMER nach dem Wenden
wieder zu mir zurück kommt. Lasse ich ihn auf halbem Rückweg
umdrehen und nochmal nach hinten laufen, wird das schnell zur
selbstverständlichen Angewohnheit.
Doch
das eine was man will und das andere was man muss.
Ich
brauche den zweiten Hund auf der anderen Seite der Herde.
Und wie
es mit Lillebror nun schon öfter so war, er funktioniert.
Trotz
breit stehender Herde wechselt er hinten nicht rüber auf Ylvas
Seite.
Und
das, muss ich sagen, ist echt total erstaunlich. Der Junghund weiß
ja nun nicht um was es geht, und die Verlockung hinter der Herde zum
Althund zu wechseln, mit dem zusammen aufzumischen ist riesig.
Aber er
tut es nicht, bleibt auf seiner Seite und lässt sich auch weiter
entfernt von mir stoppen.
Das
„Steh“ Kommando kennt er bisher nur trocken von Spaziergängen.
Doch er
macht es!
Zuträglich
ist dem natürlich, dass er in diesem Moment bereits neun Stunden
durchgehend gelaufen ist und dem entsprechend müde. Doch hat er auch
eine große Anbindung an mich und nicht zu mir kommen zu dürfen,
fällt ihm sichtlich schwer.
Ich
stehe also auf Lilles Seite der Herde im Pferch, rufe die Schafe.
Ylva steht auf der anderen Seite der Herde, etwas zurück vom
Pfercheingang. Und langsam laufen die Schafe in den Pferch. Bleiben
sie stehen lasse ich die Hunde noch mal drücken, aber vor allem habe
ich Geduld.
Eingepfercht!
Zaun
zu, Strom an, zum Stall gefahren, die beiden Mütter mit ihren
Lämmern entladen und Schafe und Hunde versorgt.
Heim
geht’s in den wohlverdienten Feierabend und zu lecker Westerwälder
Küche.
Die
Hunde werden heute genau wie ich schlafen wie Steine.
Abends nach getaner Arbeit, schonmal auf dem Hof einschlafen |
Über
Lillebror bin ich immer noch etwas fassungslos, NEUN Stunden
durchgelaufen.
Etwas
besorgt bin ich ja über so viel Arbeitseifer. Es gibt sie, die Hunde
die sich tot laufen würden, wo ich die Pausen erzwingen muss. Da hab
ich dann einen total nervösen, schwer hechelnden Hund an der Leine,
der einfach nicht begreift, dass er ohne Auszeit nicht überlebt.
Doch
die nächsten Tage die immer heißer und heißer werden, von wegen
Westerwald, der Wind so kalt, zeigen, dass Lille sich auch einteilen
kann, das Laufen den Witterungsverhältnissen anpasst.
Am
nächsten Morgen erwarten mich Zwillinge.
Ich
öffne den Pferch und lasse die Herde aufs Futter ziehen. Die Mutter
bleibt bei ihren Lämmern stehen.
Da sehe
ich ein Schaf, dass den Pferch schon verlassen, sich jetzt aber
hingelegt hat.
Seltsam.
Das ist
nicht normal, irgendwas hat sie.
Nun
rappelt sie sich wieder auf, hinkt ein paar Schritte.
Gut!
Das
heißt sie hat nur etwas eingetreten und deshalb Schmerzen. Ich merke
sie mir um sie später zu fangen.
Mit
diesen Gedanken wende ich mich dem Pferch zu, schließe ihn, so dass
die Mama ihre Zwillinge nicht doch der Herde nach führen kann.
Später, wenn die Schafe auf dem guten Abendfutter stehen, werde ich
sie ins Auto laden und den Pferch umbauen.
Ich
setze mein Rucksack auf, will der Herde ins Gehüt folgen, da sehe
ich das Schaf wieder liegen, den Kopf in die Luft gereckt, das Maul
zu Schnappatmung geöffnet.
Komisch!
Scheiße,
der geht es schlecht.
Ich
befehle die Hunde ins Platz und gehe zu dem Schaf.
Als ich
bei ihr ankomme, schiebt sie die Beine zur Seite weg, das Maul ist
geöffnet.
Nichts
ist zu hören.
Sie
stirbt.
Gerade
jetzt in diesem Moment.
Ich
lege meine Hand auf ihren Brustkorb, spüre den langsam werdenden
Herzschlag.
Und da
hat der Tod sie schon.
Einfach
so.
Tod.
Still
und leise.
Es
braucht einen Moment bis es bei mir so richtig ankommt.
Auch,
was da eigentlich gerade passiert ist.
Das
Schaf ist erstickt.
Es war
so still, weil da keinerlei Atemgeräusche waren.
Kein
Schnaufen, kein Röcheln, nichts.
War es
ein Insekt, dass ihr in den Hals gestochen hat?
Oder
eine Lungenembolie?
Einfach
nur Stille.
Tod.
Ich
schüttel mich.
Es muss
weiter gehen!
Das
Schaf hatte den Weg unter einen Baum genommen, da kann es liegen
bleiben bis ich jemand angerufen habe, der mir beim Einladen hilft.
Sorry,
aber diese großen, schweren Fleischschafe bekomme ich gerade noch
lebend verladen, so nicht.
Abends
wird jemand kommen und mir beim Einladen helfen. Ausladen schaffe ich
alleine.
Und
dann kommt am nächsten Tag der Abdecker.
Aber
jetzt muss es schnell weiter gehen!
Ich
muss der Herde hinterher.
Hüten.
Heute
kann Lille auch schon die freie Grenze an der Herde laufen, die Hunde
werden doch erstaunlich schnell akzeptiert.
Dann
wollen wir mal schauen, ob wir die kleine, separat liegende Wiese auf
der anderen Seite der Kieskuhle erreichen. Der Weg dahin geht über
einen schmalen Wall.
Langsam
hüte ich sie zum Eingang, dann lasse ich Ylva hinten, gehe vor und
locke.
"Sollen wir Ihr wirklich hinterher laufen?" |
Das Futter auf dem Wall ist lecker und tatsächlich folgen sie
mir vorsichtig.
"Bei dem leckeren Futter kommen wir. Vorsichtig." |
Die
Wiese ist von Wald umgeben, hier kann ich sie einfach fressen lassen.
Der Tag
ist unglaublich warm, überhaupt wird es jeden Tag nur heißer.
Ich
laufe mit den Hunden den Pfad runter zum Wasser, lasse sie baden und
trinken.
Als wir
zurück kommen fressen die Schafe zufrieden und wir lümmeln uns in
den Schatten.
Zurück
lasse ich sie alleine gehen, wenn sie keine Lust mehr haben auf der
Wiese zu fressen.
Das
klappt zu Anfang sehr gut, doch nach der Hälfte des Walles bleiben
sie stehen. Wie angewurzelt, selbst die von hinten schiebende Herde
bringt die vorne nicht zum Laufen.
Von
hinten drücken hat bei der lang gestreckten Herde keinen Sinn. Nach
rechts ist ein alter, morscher Zaun, der droht einzubrechen.
Nach
links kommt Wiese, da lasse ich Ylva laufen.
Aber
nein, die Herde bewegt sich nicht.
Mir
fällt ein, dass rechts im Zaun eine Öffnung ist, vor der nur sehr
notdürftig Zaun hängt. Wenn sich da Lämmer durch drücken und dann
hinter dem Zaun entlang laufen, habe ich ein Problem.
So
schiebe ich mich zwischen Herde und Zaun entlang, Lillebror an der
Leine, bis zu der Öffnung. Noch kein Lamm durch, Glück gehabt. Da
ich nun weit genug an der Herde entlang stehe um die vorne zu
beeindrucken, bewegt sich wieder was.
Es geht
zurück auf die Wiesen und in den mittäglichen Schatten, Singen für
die Schafe.
Das
tränken erweist sich als ähnlich schwierig, wie zuvor.
Erst am
nächsten Tag klappt es besser. Vielleicht auch, weil es noch heißer
ist und ich das Tränken hinauszögere, höre ich doch von der Kuhle
hysterisches Hundegekläff.
Als
dies endlich für längere Zeit verstummt ist, machen wir uns auf den
Weg.
Als ich
mit der Herde im Gefolge aus dem schmalen Hohlweg zum See komme, sehe
ich eine Frau mit buntem, maulkorbbesetzten Australian Shepherd an
der Leine und Pferd, dass unter Bäumen am Wasser angebunden ist.
Ich
bitte sie, eine Zeit Platz zu machen, damit ich die Herde tränken
kann.
Zur
Antwort kommt: Ja, sie hätte uns schon gehört. Jetzt müsse sie
aber erstmal noch die Schuhe anziehen.
Etwas
was natürlich dauert, hat man doch noch einen zappelnden Hund an der
Leine.
Ich
halte derweil die Schafe, die es schon sehr zum Wasser zieht.
Der
Shepherd fängt an zu kläffen.
Endlich
zerrt Frauchen die Töle zum Pferd, macht dieses, nun auch nervös,
umständlich los.
Einige
Schafe sind nun schon rechts von ihnen zum Tränken gelaufen.
Der
Shepherd kreischt in den höchsten Tönen.
Die
Schafe sind schreckhaft, hin und her gerissen zwischen Durst und
Angst vor dem Köter.
Und was
macht die Frau?
Sagt
sie ihrem Vieh, dass es nun endlich mal das Maul halten soll?
Oder
geht einfach zügig, um uns nicht weiter zu belästigen?
Nein.
Keins
von beidem.
Der
Hund muss sich setzen.
Und
zwar so lange, bis er ruhig ist.
Dann
darf er wieder aufstehen.
Was er
mit kläffen quittiert.
Also
wieder sitzen.
Ich bin
zu sprachlos, um der Tante lauthals mitzuteilen was ein Schäfer von
ihrer Blümchenerziehung hält.
Den
Schafen reichts. Sie nehmen Reißaus. Fliehen zurück, den Berg
hinauf.
Und ich
hinterher.
Wie war
das mit dem Witz zur antiautoritären Erziehung und dem Honigglas?
Am
liebsten hätte ich...
Aber
was solls, so Leuten kommst Du eh nicht bei.
Und was
mache ich nun?
Die
Herde nochmal zum Wasser prügeln?
Wo sie
da unten nur eine Kackbratze mit Köter erwarten?
Nein.
Das
wäre auch zu viel für meine Hunde, müssen wir heute doch noch
reisen. Und am Ende erwartet uns ein Wassertank mit Bütten, die ich
am Morgen bereits befüllt habe.
Für
die Hunde, die nun auch um ihr kühlendes Bad gekommen sind, habe ich
Wasser im Auto dabei.
Sorry,
wenn sich jemand an meiner Ausdrucksweise stört, natürlich weiß es
die Hundehalterin nicht besser und ihr Schützling erst recht nicht.
Aber adäquat sind Gedanken in so einem Moment einfach nicht.
Ich
lasse die Herde grasen, das Futter ist gleichmäßig abgefressen,
nichts mehr, was besonders lockt. Sie stellen sich weit auf und ich
kann mich den vielen Zäunen zuwenden, die es noch abzubauen gilt. Da
einfacher Nadelwald nicht mehr angesagt ist, hatte man an den
Waldrändern Rodungen vorgenommen und direkt dahin junge, gerade mal
ein Meter hohe, Laubbäume gepflanzt. Große Verlockung selbst für
Schwarzköpfe. Direkt dran den Hund laufen zu lassen, hätte viel
gutes Futter gekostet, da die Herde doch gewohnt ist, ein, zwei Meter
Abstand zum Hund zu halten.
So
stehen überall E-Netze, die ich nun abbaue.
Auch
der Nachtpferch muss weg, aber es gilt noch zwei Gelammte einzuladen.
Die eine steigt brav ein, ist sie doch ein erfahrenes Schaf.
Einsteigen, Dein Lamm wartet |
Die
andere aber ist ein Jährling mit ihrem ersten Lamm. Als ich ihr Baby
nehme, hüpft sie nervös rufend um mich herum.
Niemals
wird die ins Auto steigen!
Auch
fangen wird nicht einfach.
Ich
stelle mich gerade hin, das Lamm halte ich stehend zwischen meinen
Beinen fest.
Nun
verhalte ich mich ganz ruhig.
Ein
Schaf, das seinem Lamm nicht folgt, es aber mag und es im Auge hat,
spürt in dieser Situation den unbedingten Zwang doch zumindest
einmal an seinem Lämmchen zu schnuppern. Nur um sicher zu sein, dass
es wirklich ihr Lamm ist. Danach springt sie wieder auf Abstand.
Dieser
eine Moment ist meine Chance.
Jetzt
oder nie!
Ich
packe zu, halte eisern, während sie zappelt und springt.
Entgleitet
sie mir jetzt, ist es vorbei, dann kommt sie nicht mehr nahe genug.
Aber
ich halte fest, verlade sie ins Auto und setze ihr Lamm dazu.
Geschafft.
Lang
ist es nun nicht mehr, bis die Unterstützung kommt.
Die
fahren erstmal das Auto heim und laden die beiden Neumütter aus.
Dann bleibt Chefin, um hinter der Herde zu gehen.
Reisen
wir doch lieber zu zweit. Besonders da es über eine große Straße
geht.
Das
erste Stück geht durch den Wald.
Ich
habe vorne einen Eimer mit Kraftfutter, in der Hoffnung, dass sie dem
Gerassel besser folgen, als mir.
Die
Herde zieht auch gut an und kommt doch bald wieder ins Stocken.
Wieder
ist jeder Meter erbettelt.
Endlich,
nach einem halben Kilometer wird das Unterholz weniger dicht. So kann
ich Ylva parallel im Wald laufen lassen. Wissen die Schafe den Hund
da, laufen sie besser.
Das
Ende der Herde kann ich nicht sehen, aber die Rufe die ich von da
höre, zeigen, dass es anstrengen ist. Stauen sich die Schafe, kommen
hinten die kleinen Lämmer auf quatschige Gedanken.
Nach
dem Wald gibt es nur noch große Wiesen, die alle überhütet werden
dürfen.
In
meinen Gedanken eine einfache Sache.
Von
wegen.
Die
Schafe stellen sich gleich auf der ersten Wiese fressend fest.
Wieder
müssen die Hunde laufen, von hinten kräftig schieben.
Nach
dem wir die Herde über die große Schnellstraße bugsiert haben,
verabschiede ich meine Chefin. Die zweite Hälfte des Weges will ich
alleine schaffen. Es sind nur noch eine kleine Straße und zwei
Asphaltwege zu queren und wir haben doch Zeit.
Es ist
brazelheiß.
Wo
kommt bloß diese Hitze her?
Wir
sind doch extra erst abends los gegangen.
Aber
egal, die Sonne brennt immer noch gnadenlos.
Zwar
habe ich eine Flasche Wasser dabei.
Aber
eben nur das.
Eine
Flasche Wasser.
Ich
leere den nutzlosen Kraftfuttereimer und fülle mein Wasser hinein.
Die
Hunde haben es nötiger.
Immer
noch stellen sich die Schafe fest, wenn man sie lässt.
Warum
weiter drücken, wenn das Futter hier auch schon gut ist?
Ich
gehe mit den Hunden hinten, schiebe.
Aber
vorsichtig.
Die
Schafe sollen schon fressen, nicht einfach alles platt rennen.
Auch
stoppen sie ganz, wenn sie das schieben von hinten als bedrohlich
empfinden.
So
bewegen wir uns langsam, sehr langsam in die gewünschte Richtung.
Eine
Herausforderung bleiben die Teerwege.
Ich
hatte schon bewundert, wie weit ihr Schäfer die Herde fressen lasst,
ohne sich zu Sorgen, dass einzelne Schafe außer Sicht über den Weg
aufs nächste Stück gehen.
Nun
weiß ich, dass sie das einfach nicht tun. Ein Teerweg wird beäugt
wie ein Wildbach.
Gut
erzogene Schafe!
Und
sicher mit einer vertraut rufenden Stimme einfach weiter zu leiten.
Die ich
nun mal nicht habe.
So
schiebe ich sie von hinten an den Weg heran. Stehen sich dicht und
gedrängt vor dem Weg, laufe ich vor, rufe. Die beiden Hunde drücken
von links und rechts.
Irgendwann
dann setzt ein Mutiges seinen Fuß auf die Straße, quert.
Und der
ganze Haufen folgt.
Weiter
geht es.
Endlich,
endlich ist es nicht mehr all zu Weit zu den Tränkbütten.
Hunde
und ich lassen Herde Herde sein und gehen vor.
Die
Hunde fallen jeweils in eine Bütt und auch ich trinke glücklich das
Wasser aus dem Tank, lasse es mir über die Arme laufen, bade mein
Gesicht.
Schmeckt
es lecker?
Das ist
nicht die Frage!
Erfrischt
wandern wir zurück zu den weit verteilt fressenden Schafen, schieben
sie sachte weiter.
Bis
auch sie die Wasserbütten sehen und in wilden Galopp verfallen.
Sie
sind nicht weniger glücklich über das kostbare Nass.
Ich
fülle mit dem Schlauch Wasser nach, bis aller Durst gestillt ist.
Kostbares Nass |
Langsam
geht es nun weiter zum Pferch.
Beim
Einfahren stelle ich wieder auf beiden Seiten ein Hund. Lille ziehe
ich langsam bis zur Ecke des Zaunes. Brav steht er da.
Es
schaut so perfekt aus, dass ich schnell meine Kamera zücke.
Alle
eingepfercht, Feierabend.
Einfahren in den Nachtpferch |
Und
damit sind es schon nur noch drei Tage.
Die
bleiben wir hier auf diesen herrlichen, bunten Wiesen.
Die
Schafe fressen gut, nur mittags müssen sie wirklich lange in den
Schatten.
Es wird
immer nur noch heißer.
Wir
sind bei 28°C.
Mich
tröstet einzig und allein der Blick auf meine WetterApp. In
Wiesbaden sind es nun 35°C. Wie gut, dass ich da jetzt nicht bin.
Nur mein Strohhut liegt dort, während ich hier mit dem dicken
schwarzen Filzhut schmachte.
Mittagspause |
In
Zukunft plane ich jede Wettermöglichkeit ein!
Und
doch genieße ich das Hüten, die weite der Blumenwiesen, die
hügelige Landschaft und die verteilt fressenden Schäfchen!
Ade, du
schöner Westerwald!