Schon zwei Jahre ist
es her, dass ich das letzte mal am Danewerk, dem Wikingerwall,
gehütet habe.
Die Schnuckenherde
meines Ursprungsbetriebes weidet dort immer im Januar und Februar.
So auch dieses
Weihnachten 2016. Für die drei Feiertage gilt Hütepause und die
Herde wird in großen Netzen neben dem Wall auf Bauernwiesen
gestellt.
Frohe Weihnachten! |
Und auch wie jedes
Jahr komme ich auf meinem Feiertagsbesuch mit raus, die Schafe
umstellen auf frisches Grün.
Ein wiedersehen mit
den zappeligen Schnucken und dem altehrwürdigen Wall, der in dem
flachen Schleswig-Holstein einfach Eindruck macht.
So schreibe ich
diesen Januar einen Bericht über das Danewerk:
Die Schnuckenherde
die ich hüte macht Naturschutzarbeit.
Magerrasen auf dem
Danewerk.
Diese werden einmal
im April direkt nach dem Stallaustrieb und dann nochmal im Winter
beweidet.
Das Danewerk ist ein
alter Wall der von den Wikingern um 700 n.C. erbaut wurde und sich
quer durch das heutige Schleswig-Holstein zieht. Er diente als
Verteidigungsanlage, Schiffe wurden darüber von Nord- zu Ostsee
transportiert oder das Vorland gegen Feinde geflutet. Über die
Jahrhunderte ist er ausgebaut und erweitert worden, um dann in
friedlicheren Zeiten eingerissen zu werden.
Heute sind nur noch
Teilstücke erhalten. Diese stehen unter Natur- und Denkmalschutz.
Eine Nominierung zum UNESCO Weltkulturerbe ist angestrebt.
Frühjahr 2014, vor der Waldemarsmauer, Baubeginn 1163 |
So tragen die Schafe
mit ihrer schonenden Beweidung zur Denkmalpflege und
Geschichtserhaltung bei.
Das Hüten ist nicht
einfach, der Wall schmal, an manchen Stellen kaum breiter als zehn
Meter. Das Futter ist karg, links und rechts fette Wiesen.
Wo die Schafe wohl
lieber fressen würden?
Ylva wehrt zum "guten" Futter |
So müssen die Hunde
beständig hart wehren. Wall rauf, Wall runter.
Und ich stehe oben.
Nur da kann ich
beide Seiten im Blick haben.
Immer im Wind, bei
Regen, Hagel oder Schnee.
Junge Hunde lassen
sich hier hervorragen trainieren. Die Herde steht immer eng, macht
immer druck, an den Wallseiten klare Grenzen. So mancher Junghund hat
sich am Wall seine Flausen abgearbeitet.
Drei Hunde, Murla, Marlis und Ylva
Hier habe ich,
selbst noch Auszubildende, meinen ersten Hund gerichtet.
22 Jahre ist das nun
her.
1995 mit meiner Gipsy und Racker |
Eine Begebenheit von
Januar 2015:
Ich stelle mittags
die Schafe.
Es ist ein windiger
Tag. Um uns in dieser dreiviertel Stunde etwas Schutz zu geben,
stehen wir zwischen dem Wikingerwall und einem kleinen Buckel.
Die Schafe haben
Mittagspause und käuen wieder. Ich trinke einen Tee, schleife meine
Messer und schneide dann Klauen. Dazu stehe ich in der Herde und
schaue mich nach Hinkern um. Oft genug stellen diese sich schon an,
warten, den wehen Fuß leicht angehoben, darauf, dass sie an der
Reihe sind. So greife ich sie mir, kaum habe ich das Schaf zwischen
meinen Beinen fertig behandelt.
Wenn sie denn auch
mal beim Schneiden still halten würden!
Anstehen ist kein
Garant dafür, das Füßebehandeln ruhig über sich ergehen zu
lassen. Oft sind es sogar die Leitschafe, die Tiere die immer bei mir
stehen, die sich am heftigsten gegen solch empörendes Verhalten
meinerseits wehren.
Während dem
Schneiden habe ich meine Hunde immer im Blick. Einer ist angebunden,
hat Pause.
Stellpause. Ich schneide Klauen. Die Herde verschiebt sich. Murla bleibt ruhig, sie hat Pause. |
Der andere stellt mir die Herde. Dicht sollen die Tiere
stehen, so dass ich an jedes ran komme. Aber stapeln soll er sie
nicht. So schon muss ich die zutraulichen Schafe immer etwas
wegschieben, da sie sich an mich kuscheln, an mir herumnutzeln und
sich gegenseitig aus meiner Nähe drängeln. „He, macht mir Platz,
ich kann nichts sehen, Lumpenpack!“
Als ich so mit
Schafsklaue und Hund im Augenwinkel beschäftigt bin, kommt ein Schaf
an mir vorbei gerannt. Total eingewickelt in Stacheldraht, zwei rotte
Zaunpfosten schleift es noch nach. Scheiße!
Ich lass mein Schaf
sausen und greife mir die Alte.
So ein Kack!
Wo hat sie das den
her?
Naja, eigentlich
habe ich ja Glück. Es hätten in diesem Stacheldrahtchaos auch
mehrere Tiere hängen können.
„Na, komm, halt
still Mäuschen, ich muss Dich da irgendwie raustüddeln.“
Beruhigend vor mich
hinmurmelnd zerre ich Fell aus Draht.
Das Schaf steht ganz
still, lässt mich machen. Auch die Herde schiebt sich wieder
kontaktsuchend heran.
Haut ab! Nicht dass
ihr auch noch hineingeratet!
Während ich so am
machen bin, kommt eine Spaziergängerin mit Hund vorbei. Sie schaut
zu: „Brauchen Sie Hilfe?“
„Danke, was ich
bräuchte sind feste Handschuhe.“
Die erste blutige
Schramme hab ich bereits.
Die Frau guckt noch
einen Moment, dann bindet sie ihren Hund weg und kommt zum Helfen.
Danke!
Die Herde wird
nervös, die Alte zappelig, aber als die Fremde sich friedlich zeigt,
beruhigen sich alle schnell. Zusammen pulen wir das Schaf aus dem
Draht und ziehen den Stacheldrahthaufen weg auf den Acker.
Vielen, vielen Dank!
Nun stehen wir noch
eine weile gemeinsam vor der friedlich käuenden Herde. Die steht
entspannt, schiebt sich wieder kontaktsuchend an uns heran. Die Frau
ist erstaunt und fasziniert.
So zutrauliche
Tiere!
Und dann die
Standartfrage: „Die werden doch aber nicht gegessen? Diese süßen
Tiere soll man essen?“
Dazu meine
Standartantwort: „Was denn sonst? Wie kann ich überhaupt anderes
Fleisch essen? Sieh, wie gut es ihnen geht.“
Schweigen.
Dann ist die
Stellzeit um.
Der Hund der
Spaziergängerin ist hocherfreut, weg zu kommen.
Ich werde später
nochmal zu der Stelle fahren und den Stacheldraht aufladen, damit der
Landwirt ihn nicht in seinen Maschinen hat.
Jetzt ziehe ich
erstmal weiter mit der Herde.
Auf Wegen, älter
als alt.
Ich liebe das
Danewerk.
Bei jedem Wetter.
Da zu stehen, oben
auf dem Wall, den Gezeiten ausgeliefert, sie zu spüren, mit ihnen zu
leben.
Für viele wird es
nur wie ein kleiner Hügel sein, nichts mit hoch, kein Vergleich zu
Bergen.
Und doch.
Es ist der höchste
Punkt in dieser absolut flachen, platten Landschaft.
Ich bin der höchste
Punkt.
Mein Blick geht
unendlich und weit.
Genau wie der Himmel
über mir.
Ich fühle mich so
frei, so offen und doch gleichzeitig so verwurzelt.
Die Vergangenheit,
auch die ist zu spüren.
Hier sind schon die
Wikinger gelaufen.
Und nun ich mit den
Schafen.
Das ist Geschichte!
Ein Link zu Wikipedia für alle die mehr über das Danewert wissen wollen: