November, die trübe
Jahreszeit will sich diesen Herbst auch genau so präsentieren.
Es regnet, regnet,
regnet.
Wenn nicht, ist es
trotzdem diesig und verhangen.
Bedaure ich das
Wetter?
Kein bisschen.
Die Herde wird in
stadtnahen Waldtälern gehütet.
Der allgemeine
Städter des deutschen Südens geht bei Regen nicht spazieren, auch
nicht mit dem Hund.
Schleswig-Holsteiner
sind da doch härter im nehmen, die trifft man bei jedem Wetter.
Das es hier anders
ist finde ich nun wirklich nicht schade.
Ich genieße die
Ruhe.
Päuschen |
Zu hören sind nur
die steten Regentropfen und das gleichmäßige rupfen der Schafe.
Sie fressen gut,
auch die Neuzugekauften sind endlich im Herdenverbund angekommen, nur
die Ziegen haben wie immer Unsinn im Kopf. Dafür verbeißen sie
Gesträuch und Büsche besser und auch noch ein Stockwerk höher als
die Schafe. In der Landschaftspflege sind sie unentbehrlich.
Irgendwie mag ich
Geißen und ihre beständigen Kapriolen auch.
Meistens.
Manchmal.
Es macht das Hüten
in jedem Fall spannender und abwechslungsreicher.
Wobei ich dafür ja
auch den jungen Hund habe.
Klein Lillebror,
Altdeutscher Tiger, ist nun ein Jahr und voller Arbeitseifer. Er kann
den ganzen Tag laufen und lernt wahnsinnig schnell.
Die Herde reagiert
sehr empfindlich auf ihn, ist er doch der größte, hellste,
druckvollste Hund dem sie je begegnet sind.
Nicht nur packt
Lille den Schafen in den Nacken, er arbeitet dabei auch mit vollem
Körpereinsatz.
Ich bin sehr
zufrieden.
Lillebror in der Grenze |
Beim Altdeutschen
Hütehund gibt es drei zulässige Griffe, den Keulen-, Nacken- und
Rippengriff.
Der Griff soll kurz
sein, das Schaf weder halten noch schütteln und auf keinen Fall
beißen.
Die Griffe sind
erblich und verlieren sich bei schlechter Zuchtauswahl schnell.
Greift der Hund an
anderen Stellen wie Kehle, Bauch, Pansen, Vorderbein, Gesicht, kommt
es leicht zu erheblichen Verletzungen.
Zeigt ein Hund
mehrere Varianten, kann bei der Ausbildung noch dran gefeilt werden.
Die gewünschte Art muss aber auch gezeigt werden und es ist sehr
schwierig, den Fehlgriff konsequent zu unterbinden und den anderen zu
fördern. Besonders da ein Fehlgriff oft für den Hund
selbstbelohnend ist, ist er doch für das Schaf schmerzhafter und so
einschüchternder.
Ich hatte einmal
eine junge Hündin, die Griff zu ca. 80% ans Vorderbein, zu 20% an
die Keule.
Ich versuchte ihr
den Vorderbeingriff abzugewöhnen in dem ich ihr diesen untersagte
und sie möglichst dann laufen ließ, wenn die Keule leichter zu
erreichen war.
Nun brauche ich aber
beim Hüten seltenst einen Hund hinter den Schafen und wenn braucht
er da kein Druck zu machen, bewegen die Tiere sich ja schon.
Druck macht die
Hüteherde immer vorne, da stehen sie Schulter an Schulter und wollen
weiter, bieten dem Hund die Stirn.
Wie sollte ich dem
Hund erklären, dass er diese Front aufbrechen muss um an die Keule
zu kommen, wenn er die effektive Methode des Vorderfuß greifen und
hochziehen schon mit sich bringt?
Als Einschub, dass
Vorderbein ist beim Schaf nur durch Muskel und Sehnen verbunden, ein
Hochziehen kann zu Hohlreißen in der Achsel führen, was eine sehr
heftige und schmerzhafte Verletzung ist. Daher greifen auch wir
Menschen Schafe nie am Vorderbein.
So gab ich die
Hündin letztlich in Privathand wo sie nun als geprüfter
Rettungshund sehr erfolgreich arbeitet.
Das der Hund für
den Keulengriff die Herdenfront aufbrechen muss ist der Grund, warum
ich den Griff nicht mag. Er muss wesentlich härter Arbeiten und
macht weniger Eindruck.
Leider, für mich,
bevorzugen die meisten Schäfer doch den Keulengriff und es ist immer
schwer, einen Hund zu finden, der einen der anderen Griffe zeigt.
Vielleicht noch ein
Einschub zum Griff an sich.
Wieso muss der Hund
überhaupt greifen?
Kommt nicht der
Border Collie zum Beispiel ohne Griff aus.
Der Border Collie
arbeitet auf Grund seiner Genetik über die Fluchtdistanz des
Schafes. Er findet den Punkt ab dem das Tier sich anbewegt und
balanciert auf diesem die Schafe.
Täglich gehütete
Schafe haben keine Fluchtdistanz.
Das heißt, die
Herde hat keine Angst, sie frisst völlig entspannt direkt neben dem
Hund. Im Gegenteil, sie testen den Hund sogar, ab man ihn nicht
vielleicht verscheuchen kann.
Die Schafe wissen
auch, dass ihnen nichts passiert, wenn sie sich an die von mir
aufgestellten Regeln halten. Der Hund straft nur Regelverstöße. Den
Schafen ist dieses Risiko bei Grenzüberschreitungen durchaus
bewusst, manche gehen es trotzdem ein, da doch das Verbotene lockt.
Wer Schafe
untereinander beobachtet, weiß, dass sie durchaus nicht zimperlich
miteinander umgehen. Natürlich kein Vergleich zu Ziegen, die sich
nicht nur stoßen, sondern auch beißen und ihre Hörner ganz gezielt
zum Spießen einsetzen.
So muss der Hund
auch bei Ziegen immer noch deutlicher sein und es braucht viel Mut
für einen Jungspund sich derer anzunehmen.
Ich hab schon mit
zwei ziegenunsicheren Hunden gleichzeitig gehütet, wo dann alle
Schafe brav auf ihrer Fläche fraßen, die Ziegen aber auf der
anderen Seite der Grenze im verboten Grün.
Oh, das macht
wütend.
Es gibt viele Hunde,
die zwar wie irre rennen können, aber die Grenze, wenn die Schafe
wirklich Druck drauf machen, nicht halten. Dafür braucht es einen
anständigen Griff und Ausstrahlung.
Mich beeindruckt ein
Hund, der in seiner Grenze rumschnuffelt oder schläft und kein Schaf
geht rüber, mehr, als unsinnige Renner. Ist der Hund schwach, nerven
und testen ihn die Schafe beständig, ein starker Hund macht seine
Regeln klar und damit herrscht Friede.
Schafe sind sehr
schlaue Tiere, mögen es aber auch sicher und vorausschaubar.
Zurück zum Griff.
Nicht nur mag ich
den Rippen und Nackengriff auch mag ich, wenn der Hund mit
Körpereinsatz arbeitet. Ein Hund der den Kopf vorstreckt und spitz
zubeißt, macht schnell Schaden und wird trotzdem vom Schaf kaum
Ernst genommen.
Hingegen einer, der
sein Gewicht mit einsetzt, gegen das Schaf rumpst, beim Griff mehr
das Maul weit auf hat, seine Aufprallgeschwindigkeit mit rein legt
und weiter gar nicht beißt, macht richtig Eindruck, wird von den
Schafen respektiert.
Lillebror zeigt all
das.
Nun muss ich ihm
klar machen, dass solch eine harte Aktion nur sehr selten nötig ist.
Die Schafe wissen
schnell, was dieser Hund bedeutet und benehmen sich tadellos. So hab
ich einen jungen Hund neben mir, der sich langweilt. Natürlich, hab
ich eine klare Grenze, wie einen Weg oder Furche, kann er die laufen.
Doch oft hab ich die nicht, oder es ist nicht die Grenze wo die
eigentliche Arbeit anliegt. Die ist an der Herdenfront zum frischen
Futter. Der Hund soll hier das Fresstempo bestimmen. Rumpelt die
Lille auf beschrieben Art ab, stoppt die Herde, dreht. Das ist nicht
das was ich möchte.
So warte ich ab,
schicke ihn nicht und er langweilt sich. Erstaunlich schnell fällt
bei ihm der Groschen. Bewegt er sich in langsamen, ruhigen Trab an
der Herde, darf er laufen, auch die Schafe bleiben entspannt und so
in seiner Nähe.
Ich bestätige das
stimmlich und unterbinde jede heftige Aktion sofort.
So lernt der junge
Hund.
Ich muss ihn dafür
aber dauerhaft in der Konzentration haben, denn natürlich machen ihm
die wilden Aktionen mehr Spaß.
Da einige meine
Berichte mit extra Augenmerk auf die Hundeausbildung lesen, führe
ich das noch etwas aus.
Ein Anfängerfehler
den ich schon häufig gesehen habe ist, selbstständiges Handeln des
Hundes nicht zu Kommentieren. Der Hund schleicht, glaubt er sich
unbeobachtet, davon, vorsichtig und langsam, läuft weit raus, ohne
die Herde zu stören, puzzelt Ausreißer aus den Büschen und zeigt
auch sonst großes Verständnis für das Hütegeschehen.
Spricht man ihn an,
versteht er das als Aufforderung und knallt los.
So lässt man ihn
gewähren, ist man ja froh, dass er so weit weg und so vorsichtig
arbeitet, würde man ihn doch da niemals hin dirigiert bekommen.
Macht er zu doll,
schimpft man.
Dann wird berichtet,
dass der Hund nur heimlich ruhige Arbeit leistet.
Es gilt von Anfang
an, die Verbindung zum Hund immer zu halten und zu stürmische
Aktionen sofort abzubrechen. Bewegt er sich langsam, ihn ruhig
stimmlich bestätigen. Interpretiert er das als Losstürmaufforderung
wird seine Aktion abgebrochen.
Das kann für den
jungen Hund durchaus sehr frustrierend sein, um so gelangweilter er
ist, um so mehr Spannung baut er auf und um so doller knallt er los,
wenn er denn darf.
So muss er lernen
mit Frust umzugehen, zu entspannen. Jede ruhige Bewegung wird positiv
bestätigt.
Hier liegt auch ganz
viel an mir. Ich muss den Hund unter Kontrolle haben und ihn trotzdem
loslassen. So sehr loslassen, dass er sich traut sich zu bewegen.
Schaffe ich das nicht, hilft manchmal etwas zu lesen, zu singen oder
etwas anderes zu tun, was unseren Geist lockert. Dabei darf ich dann
aber wiederum den Hund nicht ganz aus dem Bewusstsein verlieren.
Lasse ich ihn ganz los, macht er mit Sicherheit scheiß und hat er
erst mal raus, auf diese Momente zu spitzen, wird eine Kooperation
schwierig.
Wir alle kennen es
von unseren Hunden, was sie treiben, wenn wir das Handy ans Ohr
nehmen. Der alte Hund arbeitet aber auch wieder vernünftig, wenn ich
das Handy weglege und lebt nicht nur für diese Momente.
So den Jungen fürs
telefonieren besser anleinen.
Bei der stimmlichen
Begleitung ist das Lob das Entscheidende und viel schwerer als der
Tadel.
Das Lob muss
angenommen werden und der Hund darf nicht durchknallen.
Oft hab ich Hunde
gesehen, die Lob als Aufforderung zum Losbrettern verstehen. Zur
Folge hat, dass man sie nur noch weniger lobt, nur noch schimpft.
Dabei sollte das
Verhältnis Lob zu Tadel, meiner Meinung nach, 5 zu 1 sein.
Fünf Lob auf einen
Tadel.
Das gilt nicht nur
für Hunde, auch für Kinder, oder Mitarbeiter.
Ich weiß, viele
werden nun die Stirn runzeln, schafft man doch kaum ein 1 zu 1
Verhältnis. In allen Fällen.
Bekommt der Hund
aber nur negatives von mir, empfindet er uns als Störung in seinem
Schafehüten. Er arbeitet nicht mit uns zusammen. Wozu auch?
Ein anderer
Anfängerfehler ist, dem Hund zu wenig zu vertrauen.
So wird er dauernd
ermahnt, nicht dies oder das zu tun. Dabei macht der das noch gar
nicht.
Macht er das
Verbotene dann doch, hört sich der Tadel nicht anders an, als die
Ermahnung vorher.
Dazu sage ich, traue
dem Hund mehr zu, lass ihn machen, lobe ihn, so lange alles richtig
läuft.
Schießt er dann
plötzlich los um scheiß zu machen, dann kommt das Negative, aber
richtig. Da muss ich dann auch mal dem Hund hinterher und meine
Ansichten hart deutlich machen.
Um ihn danach sofort
wieder frei zu geben, kein Groll und „wie konnte er nur“ und
„jetzt darfste nicht mehr so weit“, „siehste, was du davon
hast“, nein, nun wird sein gutes Tun wieder bestätigt, positiv
begleitet.
Bin ich mir sicher,
dass er weit weg von mir wieder in die Herde knallen wird, dann
positioniere ich mich eben mal so, dass ich durch die Herde durch
schnell genug vor Ort bin und dann gibt’s ÄRGER.
Ich weiß, es ist
immer einfacher gesagt, als umgesetzt.
Meine innere
Grundspannung und Willen ist auch nicht jeden Tag gleich. Es gibt
Tage, da zerre ich mit den Hunden hin und her und es gibt Tage da
kann ich mir gar nicht vorstellen, dass der Hund nicht mit mir
zusammen arbeitet. Das sind dann die Tage, wo der Hund den Scheiß
nicht mal versucht.
Lille bewegt sich ruhig an der Herde, brav |
So hüten wir an den
grauen, diesigen Herbsttagen.
Kaum hört der Regen
auf, dampfen die Wälder und Dunstschleier liegen über den
Baumkronen, in den Wiesentälern, hüllen alles in eine ganz eigene
Stimmung.
Bis die Hundehalter
die Lücke bemerkt haben und zu hunderten angewandert kommen.
Meine Hunde gucken
schon nicht mehr nach ihnen und auch die Schafe lassen sich beim
Fressen nicht beirren.
Nur ich spiele
Alleinunterhalter, beantworte zehntausend Fragen, bin freundlich und
nett und doch immer unter Anspannung.
Die meisten Hunde
sind entweder angeleint oder brav.
Aber das weiß ich
ja nie vorher.
So bin ich immer
bereit die Herde zu verteidigen.
In meinen ganzen
Schäferjahren hat in meinem Beisein noch nie ein Hund in der Herde
gehetzt.
Das aber, weil ich
immer bereit bin.
Bereit den Jäger
mit meinem Stock zu erschlagen!
Und verkünde ich
das laut und rennend, hat es mir bisher jeder Hund geglaubt und ist
abgedreht.
Die meisten
Hundehalter sind dann ziemlich Schuldbewusst, aber es gibt auch die
anderen:
„Hier waren sonst
noch nie Schafe!“ Deswegen braucht man für einen nicht hörende
Hund auch keine Leine mit nehmen.
„Er wäre nicht
reingerannt, bei uns im Ort ist auch ein Schäfer, er kennt das.“
Klar, das wissen meine Schafe und ich ja vorher, wenn der Hund
alleine über die Wiese gerannt kommt, der Halter erst Minuten später
auftaucht.
„Der darf machen
was er will.“ Nachdem ihr Deutschkurzhaar beim Einfahren in den
Nachtpferch von hinten auf die Schafe geschoben hat. Dann nur durch
mein Drohen nicht in den Pferch gefolgt ist, davor stand, bis ich den
Zaun zu hatte. Da tauchte Frauchen auch erst auf. Meine Antwort war:
„Wenn er in die Schafe geht, mache ICH, was ICH will!“
„Macht er ja
nicht, haben sie doch gesehen!“
Spaziergänger |
So möchte ich den
Bericht hier nun nicht beenden.
Natürlich bleiben
einem solche Begegnungen besonders eindrücklich in Erinnerung, aber
es gibt auch so viele schöne und nette oder auch Lustige.
Die Frau mit
kleiner, ungefähr dreijähriger Tochter, die sich, wie alle Eltern
total freut, dass ihr Kind die Schafe sehen kann, mit den Hunden
schmusen darf.
Sagt die Tochter:
„Ich würde gerne so ein Schaf essen!“
Der Mutter fällt
alles aus dem Gesicht: „Wir essen keine Tiere!“
„Doch, ich würde
gerne ein Schaf essen.“
Die Mutter wieder:
„Wir essen keine Tiere. Wenn Du groß bist, darfst Du anders
entscheiden. Jetzt essen wir keine Tiere!“
Da kann ich mir ein:
„Schafe schmecken sehr lecker.“ nicht verkneifen.
Oder abends, ich
habe den Pferch im neuen Tal bereits zu, hält ein Auto am
Straßenrand.
Die Fahrerin fragt:
„Wie lange sind sie denn hier?“
„Heute angekommen
und in diesem Gebiet so um die zwei Wochen, dann geht’s weiter.“
„Wissen sie was,
dass muss ich ihnen erzählen!“ Ihre Stimme zittert: „Am 16. März
ist meine Tochter geboren. Damals standen hier Schafe.“
Nun funkeln Tränen
in ihren Augen: „Und heute, heute stehen hier wieder Schafe und
heute hat meine Tochter einen Sohn geboren!“
Wow!
„Vielen Dank und
Herzlichen Glückwunsch!“