Hey Ihr
alle,
Entschuldigung
dass es so lange gedauert hat bis zum nächsten Bericht.
Irgendwie
ist bei mir etwas die Luft raus.
Die
Arbeit erschöpft mich mehr als früher. Abends sinke ich nur noch
erschlagen zu Bett.
Kein
Lesen, kein Film, gerade mal noch etwas Musik auf den Ohren.
Und wie
oft wache ich mitten in der Nacht auf, eingewickelt in das Kopfhörer
Kabel, Musik immer noch am Laufen?
Und
dann bin ich wach, es wird vier, halb fünf, fünf.
Nein,
ich versuche mich nicht zu ärgern und erst recht das
Gedankenkarussell aus zu lassen.
Manchmal
chatte ich mit der anderen Seite der Welt, die haben jetzt gerade
Abend.
Wenn
ich mich freuen kann mal fünf Stunden am Stück geschlafen zu haben,
macht das die Tage nicht wirklich leichter. Im Gegensatz zu früher
kann ich auch in fast jeder Situation direkt einschlafen.
So wie
neulich.
Ich bin
auf dem Weg von der Schäferei in der Eifel 450 Kilometer Südöstlich
zum nächsten Betrieb im tiefen Schwabenländle.
Es ist
regnerisch, die Autobahn voll und ich auf der mittleren Spur.
Ich
wache auf, als das Auto die Spur verlässt.
Rechtzeitig.
Knapp!
Viel zu
knapp!
Als ob
es etwas macht, wenn ich bei dieser Kilometerzahl eine Stunde später
als angekündigt da bin.
Der
einzige der mich unter Druck setzt, bin ich selbst!
Hör
verdammt noch mal auf damit!
Das
hätte Dich diesmal beinahe getötet.
Ja,
erschöpft.
Und
hier, wieder Zuhause im hohen Norden, will ich nicht an Schafe
denken, an Arbeit.
Jetzt
gedanklich zurück gehen, darüber schreiben?
Nein.
Ich
will nicht.
Was
ist, wenn da der burn out winkt?
Doch
dann, heute morgen.
Ich bin
auf der täglichen Fahrradtour mit den Hunden durch den stadtnahen
Wald.
Ja, so
Hütehunde kannste nicht einfach, wie anderes Handwerkzeug, an den
Haken hängen nach Feierabend. Die Leben mit der Familie in der 50qm
Stadtwohnung.
Da muss
ich beschäftigen.
So also
das Fahrrad.
Mitten
im Wald und plötzlich vor mir auf dem Weg, was ist das denn?
Wirklich
Ziegen!
Cool!
Jemand geht mit seinen Geißen im Wald spazieren.
Jemand?
Da
scheint gar keiner dabei zu sein?
Hallo?
Ist da noch jemand?
Nein.
Die
Ziegen sind alleine unterwegs.
Ha, ha,
ha!
Wie
wahrscheinlich ist denn, dass ausgerechnet eine Schäferin über
diese Ziegen im Stadtwald stolpert.
Ca. 15
Ziegenböcke!
Okay.
Und
nun?
Ich
rufe die Polizei an, erzähle was los ist.
Sie
wollen kommen. Aber der Weg ist schwer zu beschreiben. Ich sage, ich
bringe die Ziege zu der großen Wiese, leichter zu finden.
„Nein!
Lassen sie bloß. Bleiben sie bitte wo sie sind, die Kollegen
kommen.“
Ja, ja.
Aber
gut, dann halten wir uns an die Ansage.
So
nicht!
Ylva
raus gestellt, die eine Seite blockieren. Die andere Seite übernimmt
der See. Ich schiebe von hinten mit Lille an der Leine.
Der ist
natürlich total am Durchdrehen, endlich arbeiten.
Nicht
lange und wir haben das Herdchen auf die Waldwiese verfrachtet. Klare
Weggrenzen, da darf nun auch Lille los. Glücklich pendelt er sich
ein.
Hüten!!!
Ein
totales Glücksgefühl durchströmt mich!
Wie
geil!
Fuck
burn out!
Von
wegen!
Ja, ich
muss vielleicht meine Arbeitsbelastung verändern!
YouTube: gefundene Ziegenböcke hüten
So trifft eine ganze Weile später die Polizei auf eine fröhliche Schäferin die mit zwei Hunden fremde Ziegen hütet.
Ich
beschreibe die Situation.
Die
beiden nehmen meine Personalien auf, ja, das ist auch etwas was in
ihre Routine passt.
Mit
allem weiteren sind sie eigentlich Überfordert.
Auf
Fragen erkläre ich, dass das alles Böcke sind und die Rassen,
Burenziege, Toggenburger, vermutlich Thüringer Waldziege und gemixte
Tiere. Außerdem, dass sie alle elektronische Ohrmarken haben.
„Das
ist ja schon mal gut.“
Ich
schaue ihn etwas mitleidig an, wie er denn die Ohrmarke lesen wolle.
Ja, die
Böckchen sind nett, lassen einen nahe ran, aber eins packen?
Sicher
nicht.
Auch
erkläre ich, dass die große Nummer die Einzeltierkennzeichnung ist,
die Betriebsnummer ist die kleine darüber.
Wo sie
denn anrufen müssen, wenn sie die Nummer haben?
Na beim
Amt.
Welches
Amt genau.
Oh,
dass weiß ich nicht, habe keine Tiere hier. Aber wenn sie bei der
Stadtzentrale anrufen, die müssten es sicher wissen.
Damit
bin ich entlassen.
Hätte
ich nicht zu tun, ich wäre gerne geblieben, hätte Mäuschen
gespielt.
Wie sie
das wohl gelöst haben?
Und mit
diesem Erlebnis ist meine Motivation zurück.
Also
Bericht schreiben.Zurück ins Schwabenländle.
Das
vierte Jahr.
Routine.
Auch
wenn die Schafe wieder in auf anderen Flächen weiden als die Jahre
zuvor.
Und dann diese unglaublich nette, brave Merinoschafherde.
Ja, es
macht mir Freude.
Einen
Tag bekomme ich Besuch von einer Photographin. Sie begleitet mich
einen vollen Tag mit der Kamera. Ich bin zuvor nicht wirklich
enthusiastisch, nicht nur bin ich gerade aus einer heftigen PMS
Attacke mit drei Tagen migräneartigen Kopfschmerzen getaucht.
Auch ist es einfach nicht etwas was ich wünsche:
Auch ist es einfach nicht etwas was ich wünsche:
Gesellschaft
beim Hüten.
Also
menschliche.
Aber
nicht nur die wunderbaren Bilder die ich bereits von Cordula gesehen
habe und das Wissen, dass ein Schäfer sie über Jahre gerne mit
nimmt hatte mich zusagen lassen, sondern auch den wirklich netten
Kontakt den wir bereits auf facebook pflegen.
Und
meine Erwartungen werden im positiven bei weitem Übertroffen. Wir
haben sofort einen Draht zueinander, finden 1000 und ein Thema zum
Reden. Und doch stört sich auch keiner an den stillen Momenten. Auch
weiß Cordula wo sie stehen muss, um das Geschehen nicht zu stören,
mir nicht im Weg zu sein. Selbst die doch so fremdenscheuen Schafe
nehmen sie als eine vertraute Person.
So
vergehen die anderthalb Tage wie im Flug und zum Abschied bekomme ich
diesen unglaublich schönen Satz geschenkt:
„Damit
habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich hatte erwartet eine Schäferin
zu treffen, aber kennen gelernt habe ich Dich!"
Von
Cordula erfahre ich auch, dass Sven de Vries seinen Betrieb gar nicht
so weit weg hat. So verabreden ich mich auf einen Besuch dort.
Mit
einem großen Topf Schafhack-Chillie vom Tag zuvor mache ich mich
abends auf den Weg.
Da habe ich die Schafe schon gezielt schnell voll gehütet und den Nachtpferch größer als üblich gestellt, aber mit der Stunde fahrt ist es dann doch halb zehn bis ich ankomme.
Da habe ich die Schafe schon gezielt schnell voll gehütet und den Nachtpferch größer als üblich gestellt, aber mit der Stunde fahrt ist es dann doch halb zehn bis ich ankomme.
Bei
lecker Essen sind wir schnell in der klassischen Schäferunterhaltung.
Klatsch über Kollegen, Betriebe, besonders den auf dem wir beide
schon gearbeitet haben, Schafe, Flächen, all das was Schäferherzen
bewegt.
Ein
rundum schöner Abend.
Bis ich
aufbreche ist es zwölf. Naja, waren auch nur zweieinhalb Stunden.
In
google die Route eingespeichert, eine Stunde Rückweg.
Ich
fahre wie im Autopilot.
Nicht
mehr denken, soooo müde.
Ein
Uhr, endlich, mein Bett ruft so laut!
Seltsam,
von dieser Seite bin ich noch nie in de Ort gekommen?
Hm,
nichts vertraut hier.
Angehalten,
aufs Navi geguckt.
…
…
Es gibt
zwei Orte mit diesem Namen!
Eins in
Baden-Württemberg.
Und ich
bin in dem in Bayern.
70
Kilometer, über eine Stunde, von meinem Ziel entfernt.
Wo ist
der Kopf explodier Emoji?
Und
mein Tank ist leer.
Richtig
leer.
Damit
komme ich nicht mehr Heim.
Kein
Portemonnaie, keinen Personalausweis, keine EC-Karte.
Doch in
meinem Handyfach ist noch ein Fuffi.
Und
tatsächlich findet sich eine Tankstelle mit Nachtschalter.
Zu
Müde, um zu registrieren wie viel Glück ich doch habe.
Da
stehe ich, Tankpistole im Auto, schaue den fliegenden Nummern zu.
Gott,
bin ich müde!
45, 46,
47, …
Haaaaalt!
Stoooop!
48,93
Liter.
58,67
Euro.
Starr!
Starr!
Ich
habe tatsächlich die Liter beobachtet, nicht die Euro.
…
…
Also
erstmal das Auto auf den Kopf gestellt. Irgendwo finden sich doch
immer noch ein paar Groschen.
Groschen?
Ja.
Drei
Euro und ein bisschen.
Da
fehlen noch FÜNF Euro!!
Im Kopf
fühle ich mich wie ein Zombie.
Wahrscheinlich
wanke ich ähnlich, zum Nachtschalter, warte, bis das Mädchen hinter
der Scheibe ein Nicken gibt.
Die
Arme, wird jetzt wohl gleich die Polizei rufen müssen.
Ich bin
nicht mal mehr zum Bitten oder Jammern in der Lage.
Erkläre
kurz die Situation und halte den Fuffi und die Groschen hoch.
Sie
sagt, ich soll sie in das Schubfach einlegen.
Sie
entnimmt das Geld und zählt.
Ich
starre.
Nun
dreht sie sich weg, nimmt das Trinkgeldsparschwein und schüttelt den
armseligen Inhalt auf den Tresen.
Ich
starre.
Sie
zählt die nächsten Groschen.
Ich
starre.
Sie
greift in ihre Hosentasche. Zieht ihr Portemonnaie heraus.
Ich
starre.
Sie
zählt das fehlende Geld von ihrem eigenen ab, rechnete ab und gab
mir die Quittung.
Ich
stammelte ein fassungsloses Dank.
DANKE!
DANKE!
Zurück
im Auto bin ich am Grübeln, irgendetwas, wie ich meinen Dank zeigen
kann?
Hmm.
Mein Blick fällt auf den USB Stick fürs Autoradio.
Ich
ziehe hin und gehe zurück zum Schalter.
„Magst
Du Linkin Park?“
„Hm,
Joa. Welches Album?“
„Alle.“
„Ja.“
Ich
gebe den Stick durch und bedanke mich noch einmal.
Wenn
ich es richtig habe, hat sie jetzt auch eine Version meines
Fantasybuches, das mit der Weile im Lektorat ist.
Wollt
Ihr jetzt noch hören, dass ich am nächsten Abend, zufrieden nicht
kochen zu müssen, den letzten Rest von dem Chilli gegessen habe?
Und das
normalerweise gekochtes Essen ja problemlos zwei Tage hält.
Aber
nicht, wenn es bei dieser Hitze solche Strecken zurück gelegt hat.
Zwei
Stunden später beschließt mein Körper, dass dies eindeutig nicht
mehr genießbar war und schnell wieder raus muss.
In
einer Nacht drei Kilogramm abnehmen, auch nicht schlecht.
Und ich
bin einfach nur froh.
Es
hätte schlimmer sein können.
Ich
hatte schon einmal einen Magen-Darm-Infekt bei dem wirklich nichts
mehr ging.
Und was
tun, wenn die Herde laufen muss. Keiner da ist, um einzuspringen?
Ein
Problem vor dem so viele Schäfer immer wieder stehen.
Doch
ich schaffe den Tag.
Zurück
geht es in die Eifel, dort weiter arbeiten.
Ich
bekomme den Anruf der Schwabenland Chefin, den ich etwas gefürchtet
habe.
Wir
hatten die Betriebsübergabe nur am Telefon gemacht, waren uns nicht
begegnet.
Und nun
fürchte ich, was ich wohl alles verrissen habe.
Aber
nein, sie ist hochzufrieden wie sie ihren Betrieb, die Gärten, die
Hühner, Hunde und natürlich Schafe vorgefunden hatte.
Aber
sie möchte mir doch noch sagen, dass sie wirklich denkt, ich soll
mehr auf mich selbst achten.
Ich
arbeite zu viel, fahre zu lange Strecken und die dauernden
Betriebswechsel sind auch nicht gut.
Ich
starre durch den Telefonhörer.
Das
sagt mir hier gerade eine Schäferin!