Das
dritte Mal Urlaubsvertretung im schönen Westerwald.
Westerwald,
da weht der Wind so kalt.
Ja, das
hatte ich letztes Jahr auch schon gehört, um dann unerwartet von
Hitze überrascht zu werden.
Das
sollte mir nicht noch einmal passieren, fest hatte ich mir
vorgenommen, dieses Jahr Westerwald bin ich für alle Wetter
gewappnet.
Und
dann gucke ich auf die WetterApp, über ganz Deutschland hängt die
Hitze.
Ach!
Anna, verlass Dich drauf, was willst Du die warmen Sachen alle
mitschleppen!
Ich
fahre bei 30° Grad los und komme im Westerwald bei 14° Grad an.
Herrlich!
Nein,
wirklich. Nach dieser unsäglichen Hitze eine Wohltat. Über die
dünne Hose kommt eben noch die Regenhose und einen weiteren Pulli
kann ich mir borgen.
Das
dritte Jahr.
Diesmal
erfolgt die Einweisung über WhatsApp, den Betriebseigentümer treffe
ich gar nicht. Bei sechs freien Tagen im Jahr mehr als
nachvollziehbar.
Als ich
morgens zum Stall komme begrüßt mich das Mädchenhunderudel
begeistert und stürmisch.
Hanna,
Lena, Locke, Ronja, Hummels und selbst die alte Luzi, alle noch da,
alle wollen gleichzeitig bekuschelt werden oder alternativ meinem
Lillebror schöne Augen machen.
Als
hier alles versorgt ist, fahre ich mit dem Betriebsauto zur Herde.
Schäferauto.
Fester,
stabiler Boden zum Tiere transportieren. Das Seitenfenster durch ein
Gitter ersetzt. Und eine Zwischenwand, so dass man nicht, kaum hat
man mal ein Schaf geladen, die Hunde auf dem Schoß transportieren
muss. Dazu im kleineren Fach hinten noch ein Regal für Zäune.
Perfekt.
Als ich
bei den Schafen vor fahre, ahne ich schon, dass deren Gedächtnis
nicht ganz so gut ist, wie das der Hunde.
Als das
vertraute Fahrzeug vor dem Zaun steht, kommen sie erwartungsvoll an
um, kaum steige ich aus, umzudrehen. Schnell auf Abstand.
Ich
lasse meine Hunde erstmal im Auto, laufe in den Pferch.
Die
Schwarzköpfe sind rund und im besten Zustand. Die Schur ist noch
nicht lange her und es gibt auch noch einen Haufen kleiner Lämmer.
Dies beides macht die Herde wesentlich hupfiger und kribbelig.
Als ich
die Hunde aus dem Auto lasse, bremse ich sie sofort ab, kein gerenne
vor dem Netz. Und trotzdem gerät die Herde so in Panik, dass sie
hinten durch den Zaun drücken.
Das
kann ja heiter werden!
Ich
schicke Ylva auf Abstand um den Pferch. Die Schafe flüchten zurück.
Schnell mache ich den Zaun auf, die zu mir brandende Schafwelle
nutzend um auszufahren.
Doch
natürlich hängt hinten noch ein Lämmchen im Netz. Da muss ich hin,
dass Tierchen befreien.
Derweil
stürmen die Schafe aus dem Pferch und in direktem Galopp weiter.
War mir
irgendwie kalt?
Doch
zwei Wiesenstücke weiter hab ich die Lumpen wieder, schiebe sie auf
die zu hütende Fläche. Die Hund kommen auf ihre Grenzen. Die Herde
lasse ich in Ruhe. Und sie brandet wie durch Sturm aufgewühlte See
hin und her, beäugen mich, die Hunde. Die Lämmer neugierig und
aufgeregt. Die Muttern furchtsam oder drohend. Da wird der Hund
angestiert und gestampft.
Doch Ylva und Lille lassen sich davon nicht
berühren, laufen gleichmäßig ihre Grenzen und langsam, langsam
kehrt Ruhe ein. Die Schafe besinnen sich aufs Fressen, verteilen sich
weit.
Durchatmen.
Hüten.
Die
alte Eiche genießen, die so viel Ruhe ausstrahlt.
Und
dann ist auch schon wieder Zeit für die Mittagspause im Schatten.
Klauenschneidezeit.
Doch
erstmal wandere ich nur zwischen den Schafen, singe und versuche Ruhe
auszustrahlen. Die sie mir nicht abnehmen, oh, man, sind die panisch.
Und
doch lassen sie sich nach dem Stellen einigermaßen gut zum Wasser
den Steinbruch runter führen.
Auch,
wenn das funktioniert, drehe ich es die nächsten Tage um, lasse die
Schafe vor laufen, gehe selbst hinterher.
Doch
der Versuch die Schafe mit einem Netz eng zu stellen, scheitert
kläglich. Haben sie Platz, erwische ich keine, ist es eng, machen
sie den Zaun trotz Strom platt.
Beim
Mittags stellen sind sie fast noch nervöser als am Tag zuvor.
Und
ich?
Ich
werde gereizt.
Freundlich
gesagt.
Es
macht mich rasend, dass die Schafe so panisch sind!
Ich
will ein paar Tiere ausschneiden!
Zwei
Stunden, was könnte ich jetzt alles machen?
Zum
Beispiel einen schönen Mittagsschlaf.
Aber
nein! Ich muss hier zwischen den Schafen laufen und für was?
Dafür
das ich nach ZWEI Stunden gerade mal zwei Lämmer geschnitten habe.
AAAAARRRRRGGG!
JA! Ich
weiß, dass Wut das nicht besser macht!
Doch
ich bin sooooo geladen!
Nein!
Es bringt nichts! Natürlich nicht!
Da kann
ich noch so freundlich singen, langsam und gezielt ruhig gehen.
Schafe
haben einen siebten Sinn für Stimmungen, vor meiner Gewitterwolke
halten sie lieber richtig Abstand!
AAAAAAAAAA!
Nächster
Tag!
Heute
steht Fußbad an.
Die
Herde in den Zwangspferch bugsiert und sie stehen vor der
Durchlaufwanne als hätten sie das noch nie gemacht, als wären
Piranhas darin.
Bei
weit über 1000 Tieren hilft nun auch kein schieben von hinten.
Schafe
die nicht laufen wollen, drücken sich schnell zu Tode.
Ja, mit
falschem Verhalten meinerseits hab ich vor Jahren mal zwei Lämmer
tot getreten bekommen.
Vorne
mit Kraftfuttereimer locken und die Hunde an den Seiten arbeiten
lassen. Das ist die Lösung.
Bringt
aber die Schwierigkeit mit sich, dass man den Zaun vom Zwangspferch,
so lange die Hunde arbeiten, nicht unter Strom setzen kann. Und dann
drücken doch immer wieder Lämmer in den Zaun.
Endlich,
endlich kommt die Erste durch die Wanne gehüpft.
Und ist
die Erste durch, läuft der Rest.
Die
Hunde abgerufen und Strom auf den Zaun. Hier kürzt keiner ab.
Heute
brauche ich nicht schneiden oder, wir hatten das schon, versuchen zu
schneiden, die Herde soll nach dem Fußbad einfach nur stehen.
Damit
ist auch schon wieder Halbzeit.
Und die
Schafe und ich nähern uns jeden Tag ein bisschen mehr.
Da wird
schon einmal versucht, etwas von meinem Brot zu stibitzen.
Und
dann stehe ich beim Stellen und eine Alte schiebt sich an mich ran,
lehnt sich gegen mich.
Die ganze Herde entspannt, steht ruhig, käut wieder.
Ich
kann mich zwischen ihnen bewegen, die eine oder andere behandeln, das
steigende Zutrauen der Tiere spüren.
Ich
genieße die Tage, hüte lange bis die Schafe so rund sind, dass sie
im Pferch kaum noch fressen.
Harmonie!
Ich
liebe es Schäferin zu sein!
Und
damit ist die Zeit auch schon wieder um, ich verlasse den
märchenhaften Westerwald, zurück in die Hitze.