Bolle Socke
Genau
weiß ich nicht, wie ich anfangen soll. Wie diese Geschichte
erzählen?
Da war
nun der neunte Todestag meines ersten Hundes und ich habe ihren
Nachruf in meinen Blog gestellt.
Und
doch war da noch ein erster Hund.
Nur
leider sehr kurz.
Ich
entschließe mich nun, 22 Jahre später, von ihm zu berichten.
Nicht
um noch daran rum zu urteilen, oder hätte, könnte, wäre, zu
diskutieren, sondern einfach, weil ich viel, sehr viel daraus gelernt
haben.
Zurück
in mein erstes Lehrjahr zur Schäferin im Winter 1994/95.
Damals,
als ich am spekulieren war, welche der drei Hündinnen auf dem
Betrieb wohl meinen Hund gebären würde.
Wie
schon in dem Gipsy Nachruf geschrieben, kam es anders.
Die
Hündinnen wurden alle zusammen im Januar hitzig, zu spät. In der
Frühjahrsreisezeit wurde jeder Hund gebraucht, keine durfte dann mit
Welpen liegen.
Und
doch wurde es höchste Zeit, dass ich Auszubildende einen Welpen
bekam, immerhin wäre ich schon im zweiten Lehrjahr, bis der dann mit
zu den Schafen könnte.
So
klemmte sich mein Meister ans Telefon um in Erfahrung zu bringen, ob
ein Kollege einen Wurf Altdeutscher Hütehunde hätte.
Es fand
sich ein Welpe, ein Rüde.
Eigentlich
ist mein Meister der Überzeugung, dass ein Auszubildender mit einer
Hündin beginnt, da die doch in der Tendenz leichter zu handeln sind
als Rüden. Und doch fuhr er den Welpen holen.
Meine
Aufregung war unglaublich.
Endlich,
endlich! Mein Hund.
Und da
war er, ein kleines, schwarzes, lockiges Kerlchen.
Mein
Meister aber berichtete, das der Welpe mit seiner Schwester und
Mutter zusammen in einem kahlen Zwinger gelebt hatte. Es hatte nicht
mal eine Hütte oder wenigstens einen Tisch gegeben. So hatte die
Mutterhündin keine Rückzugsmöglichkeit gehabt, was hieß jede
Ruhepause musste sie mit Gewalt erzwingen.
Dazu
hatten die Welpen so wenig menschlichen Kontakt erfahren, dass man
den Welpen wie ein flüchtiges Kaninchen raus fangen musste.
Ich
machte mich also daran den kleinen Bolle Socke, nach dem
Kinderkosename einer Freundin benannt, zu zähmen.
Dies
klappte augenscheinlich sehr gut. Er wurde ein netter, witziger
Welpe.
Bis auf
die Kleinigkeit, dass er nie mit Schnauze oder Kopf Kontakt zu einem
aufnahm. Und dass er wegzuckte, wollte man ihm von oben auf den Kopf
langen.
Bolle
wuchs und da ja Winter war und damit kurze Arbeitstage hatte ich viel
Zeit, mich mit ihm zu beschäftigen.
Als er
älter wurde zeigte er sich immer Stressanfälliger.
Da ging
er schon gut und selbstverständlich bei mir an der Leine, war aber
Aufregung da, zog er panisch und wie verrückt. Aufregung bedeutete
in dem Fall, dass wir alle Hunde des Hofes zwei mal am Tag zusammen
auf der Hauskoppel „springen“ ließen. Den Weg dahin mussten sie
lose um den Mensch gruppiert gehen. Wildes toben und voraus rennen
wurden untersagt. Dies weil an der Koppel ein Fluss entlang führte,
an dem manchmal auch ein Angler stand und der dann nicht von acht bis
zehn großen Altdeutschen Hütehunden überfallen werden sollte.
Junghunde kamen dabei immer an die Leine, da das weniger Druck für
sie war, als sie unter ein Kommando zu zwingen.
Doch
für Bolle war jede Art von Stress schon zu viel, führte zu totaler
Panik. Dabei ging der Druck ja nicht gegen ihn, sondern war auf die
älteren Hunde gerichtet.
Schlimmer
noch, wenn er sich bedrängt fühlte. Dann ging er nach vorne und
biss wild um sich. So geschah das auch z.B. bei einem Bad gegen
Flöhe. Fünf Monate alt, und bereit mich ernsthaft zu verletzen.
Bolle
Socke war sechs Monate alt, als mein Meister zu dem Schluss kam, dass
dieser Hund zu viel für mich Anfänger ist. Er übernahm ihn und
suchte ihm einen Platz auf einem Bauernhof.
Gipsy
war zu dem Zeitpunkt 15 Wochen alt und seit 5 Wochen auf dem Betrieb.
Sie war das Geschenk eines befreundeten Schäfer und nun wurde sie an
mich weiter gegeben.
Ihre
und meine Geschichte habe ich schon tausendmal erzählt.
Lillebror
20
Jahre später.
Eigentlich
wollte ich keinen Welpen.
Erstrecht
nicht von diesen Eltern, so gerne ich beide hatte und so hübsch sie
waren, so wenig entsprachen sie dem was ich in einem Hütehund sehen
möchte.
Doch
der Wurf bot sich an und der Wunsch in meiner Familie nach einem
Welpen („Alle haben immer Welpen, nur wir haben nur ältere
Hunde!!“) war groß.
Aber
auf kleinen Fall wollte ich einen Rüden.
Und
dann sah ich die vier Welpen das erste mal im alter von zwei Wochen.
Der
kleine Tigerrüde war es!
Auf den
ersten Blick!
Nur war
er schon vergeben, sollte meine Wahl ja zwischen den beiden Hündinnen
stattfinden.
Zwei
Wochen später der Anruf, dass die Rüdeninteressenten nun doch
lieber den Schwarzen mit länger werdendem Fell nehmen wollten.
Damit
war klar, ich bekomme den kleinen Tiger.
Lillebror,
kleiner Bruder.
Geboren
am 25. November 2015 durch Kaiserschnitt lebte er die ersten vier
Wochen im Haus.
Doch
als die Kerlchen aktiv wurden ging es raus in den Zwinger. Ein extra
Welpengehege im Stall.
Marlis, die Mutterhündin konnte rein und raus
springen, wie es ihr behagte.
Dazu liefen auch die Welpen frei, wann
immer jemand am Stall war.
Überhaupt gab es viel Besuch, von
Erwachsenen wie Kindern, die zum Welpenknuddeln kamen.
Lillebror
war immer etwas anders als seine Geschwister. Er war ruhiger, nicht
so an die anderen angeschlossen und doch immer nah am Menschen. Genau
das, was ich mir vorstellte.
Als
Mutter Marlis und die Geschwister bis auf eine den Betrieb verließen,
liebte es Lillebror, zu den Flaschenlämmern zu klettern, mit denen
zu turnen oder sich unter die Wärmelampe zu kuscheln.
(Die Welpenbilder von Lillebror stammen von Michelle Berkel. Vielen, vielen Dank dafür! Sie waren und sind eine große Freude!)
Mit
zehn Wochen kam er dann zu mir und band sich vom ersten Augenblick an
mich.
Nicht einmal weinte er nach seinem alten Zuhause und trottelte
mir auf Schritt und tritt hinterher, begierig unsere Welt erkundend.
ich schneide Klauen |
Nun ist
er zwei Jahre alt, ein wunderbarer, selbstbewuster junger Rüde. Da
ich beide Eltern gut kannte, ist es sehr spannend, zu sehen, was er
von diesen mitbringt und wie ich gewisse Anlagen erzieherisch
beeinflussen kann. Auch ist interessant zu beobachten, dass er Dinge
mitbringt, die keiner seiner Eltern hatten, die aber durchaus von
Vorfahren schon gezeigt wurden. Aber dazu ein andermal mehr.
Herzlichen
Glückwunsch zum 2. Geburtstag mein Lillebror.
Welpen
Diesen
August gab es in meinem Ursprungsbetrieb ein Wurf Altdeutscher
Strobelwelpen, zehn Stück an der Zahl.
Halt,
halt, wer nun denkt, das wird die Geschichte eines dritten Hundes für
mich, bloß nicht.
Nein,
nein.
Ich
habe keinen festen Betrieb, nicht die Notwendigkeit mehr Hunde zu
halten, so viel komme ich nicht zum hüten. Zwei reichen in meinem
unsteten Lebensalltag völlig.
Zurück
zu den Zehn.
Draußen
in Hütte und Zwinger geboren wuchsen sie zu properen kleinen
Knäulen. Natürlich sind zehn für eine Hündin selbst mit so viel
Milch wie Lilou ganz schön viel. Ab der 2,5ten Woche füttert man
zu.
Als sie
mobiler wurden, wurde ihre Zwingertür geöffnet und sie konnten sich
auf großer Fläche frei bewegen.
Dazu
hatten sie viel menschlichen Knuddelkontakt.
Auch
wir sind extra dafür hingefahren, als die Welpen fünfeinhalb Wochen
alt waren.
Nun ist
bekannt, dass mein Vater sehr gute Altdeutsche Hütehunde im
ursprünglich süddeutschen Schlag züchtet. Gute Weghunde, sauberer,
druckvoller Griff, sich allen Anforderungen einer Wanderschäferei
mit Begeisterung stellend. So geht der Interessentenkreis weit über
Schleswig-Holstein hinaus.
Und da
ich am Tag, als die Welpen 8 Wochen alt wurden, meine Oktoberfahrt
nach Süden machte, bot es sich an, dass ich Welpen mitnahm.
Kein
Problem.
Am
Abend vorher war ich dann doch etwas besorgt. Nicht nur ist mein Auto
mit Gepäck, zwei großen Altdeutschen und einer unzufriedenen Katze
schon ganz schön voll.
Außerdem
fragte ich mich, wie wohl 500 Kilometer rum gehen, mit weinenden,
pinkelnden, kotzenden Welpen im Kofferraum.
Bisher
hatte ich immer nur mal einen Welpen transportiert, dies dann auf dem
Beifahrersitz, in nahem Kontakt zu mir.
Ist
natürlich bei drei völlig unmöglich.
So
hatte ich einige Vorbereitungen getroffen. Eine gut ausgepolsterte
Box, jede Menge Ersatzhandtücher und Küchenrolle. Dazu Wasser,
Schüssel, Trockenfutter und drei Leinen.
Morgens
wurden die Welpen erstmal die 120 Kilometer zu mir gebracht. Das
hatte gut geklappt, hatten sie doch ihren Vater und vertraute
Menschen dabei. So tollten sie auch gleich unbekümmert bei mir über
den Rasen.
Meine
Hunde, Ylva und Lille, waren entsetzt.
Ylva
dachte wohl: „Das ist jetzt nicht ihr Ernst!?!“
Lillebror
hingegen, der mit seinen fast zwei bei fremden Rüden schon den
Dicken macht, fand diese kleinen unbekümmert forschen Dinger so was
von gruselig. Grummelte mit eingekniffenem Schwanz um immer aus dem
Weg zu springen, als würden die ihm gleich in die Füße hapsen.
Doch es
lag noch eine weite Strecke vor uns, alle eingeladen, auf geht’s.
Ja, die
Lütten mussten einen Moment weinen. Aber nicht lange, dann waren sie
ruhig.
Alle
zwei Stunden machte ich Rast, dabei suchte ich einen Platz wo
möglichst kein anderes Auto fuhr und ich wenn, es rechtzeitig sah.
Und es
war echt irre!
Nicht
nur waren die drei ohne jede Angst. Nein, sie banden sich auch sofort
an mich. Eine Leine war gar nicht nötig.
Interessant
fand ich dabei, dass sie sich eben mich aussuchten, nicht etwa Ylva
oder Lille.
Typisch
Hunde eben, der Mensch ist das wichtige.
meine Reisekatze findest das mit den Welpen noch fürchterlicher als meine Hunde |
Verweilte
ich etwas an einem Ort fingen sie an das drum herum zu erkunden, mit
einander zu spielen, Kontakt mit meinen Hunden zu suchen, immer
wieder unterbrochen mit der Rückkehr zu mir, auf mein Schoß zu
krabbeln, zu kuscheln oder zu beißeln.
Waren
sie so beschäftigt, musste ich sie nur rufen und sofort hatte ich
ihre Aufmerksamkeit, kamen sie angewatzt.
Die
Welpen waren mir nüchtern übergeben worden, aber natürlich hält
das so ein Zwerg nicht den Tag durch. So gab ich ihnen etwas
Trockenfutter in die Box und bei jeder Rast gab es Wasser.
Und
tatsächlich, 500 Kilometer, ohne das einer gespuckt oder sich sonst
wie ins Auto entleert hätte.
Am
Nachmittag konnten die glücklichen Neuwelpenbesitzer ihre kleinen
Lieblinge bei mir abholen und in ihr neues Leben führen.
Die
Welpen haben mich wirklich beeindruckt.
Und
doch bin ich froh, das Lille gerade zwei und Ylva erst sechs wird.
Ich
hoffe sehr, dass sie mir noch lange erhalten bleiben!
Und
nicht nur, weil mir so ein süßer Pups gerade zu anstrengend wäre.
Lille und Ylva tun ihren Job, ihr Hobby, ihre Leidenschaft, Oktober 2017 |