A Tale of the Lake District
Mein Leben als Schäfer
von James Rebanks
Diesmal ist es kein Bericht
sondern eine Buchempfehlung.
Wo soll ich Anfangen?
Vielleicht damit, dass dies
absolut persönlich wird.
Oft kritisiere ich negativ,
wenn jemand in der von mir initiierten facebook-Gruppe
„Wanderschäfer“ einen Link zu einem Bericht einstellt und in der
Überschrift seinen persönlichen Sermon dazu schreibt.
Damit wird dem Leser jede
Möglichkeit auf eigene Meinungsbildung genommen, färbt den Bericht
schon vorweg als Untermauerung des eigenen Standpunktes.
Etwas, was ich total
ablehne.
Und doch werde ich es jetzt
auch machen und daher warne ich Euch Leser vor.
Dies ist nicht einfach eine
Buchempfehlung, nein, es ist zutiefst aus meinem Herzen.
Lange hat mich ein Buch
nicht mehr so berührt, so mitgenommen und so viel aus dem Leben auf
den Punkt gebracht.
Ich hatte „The Sheperd's
life“ schon vor Monaten von meiner Mutter geschenkt bekommen. Im
Original, da ich gerne Bücher in englisch lese.
Somit richtet sich all das
folgende auch auf dies Original und ich kann nur hoffen und wünschen,
dass die Übersetzung dem grandiosen Schreiben von James Rebanks
gerecht wird.
Ich muss gestehen, erst mal
wanderte das Buch ins Regal.
Auch wenn ich gerne
englisch lese, ziehe ich doch andere Inhalte vor. Bücher sollen mich
wegtragen, weit fort aus meinem Alltag. Ich liebe es, einzutauchen,
mich mit den Charakteren zu verbinden und alles andere zu vergessen.
Darum lese ich.
Das Buch eines
Schäfers entspricht natürlich nicht ansatzweise diesen Kriterien.
Im Gegenteil.
Doch bekomme ich oft
sämtliche Bestseller in denen Schafe eine Rolle spielen geschenkt.
„Glenkill“ zum Beispiel schon drei Mal.
Nun ist Frühjahr 2017.
Die Lammzeit ist vorüber
und doch stehen alle Schafe noch im Stall.
Der Tag beschäftigt einen
mit Füttern, Streuen, Tränken und Gesundheitsversorgung.
In dem Betrieb in dem ich
gerade Arbeite ist besonders das Wassergeben eine äußerst
unbeliebte Aufgabe. Alle Schafs- und Ziegengruppen haben schwarze
Maurerbütten gefüllt zum Tränken. Diese müssen einmal am Tag
gereinigt und das Wasser erneuert werden.
Das verdreckte Wasser wird
natürlich nicht einfach in den Stall gelehrt, sondern die Wanne zum
Entleeren und Schrubben raus gezogen.
Der Wasserdruck auf dem
Schlauch ist sehr gut, nicht wie in anderen Betrieben, wo ich
parallel zum Wassermachen den ganzen Stall füttere.
Nein, die Wannen laufen
schnell voll, es bleibt kaum Zeit, zwischendurch etwas anderes zu
erledigen. Ganz im Gegenteil, passiert es dann, dass die Wanne
überläuft und den Stall unter Wasser setzt.
Gleichzeitig braucht es
lange bis alle Wannen gefüllt sind, Zeit in der man rumsteht und
gerne genervt ist.
Oder eben liest.
So stand ich vor dem
Bücherregal auf der Suche nach einem Buch, klein genug für die
Hosentasche, nicht zu spannend, damit ich nicht alles um mich
vergesse und natürlich keins aus der Bücherei, dem ein bisschen
Stalldreck nicht schadet.
Und da sprang mir „The
Shepherd's life“ ins Auge und mit kam es in meine Stalltasche, zu
Klauenschere, Viehzeichenstift, Trinkflasche, Blauspray und
Sonnencreme.
Ich fing an zu lesen und
war vom ersten Moment an gefesselt.
James Rebanks erzählt sein
Leben im Lake District Englands.
Sein Großvater war schon
Schäfer und sein Vater nach ihm.
Als kleiner Junge begleitet
er seinen Großvater auf Schritt und Tritt, wächst im Farmalltag
auf.
Schule erlebt er als große
Störung in seinem Schäferleben, das einfach ist.
Nicht nur das, von Seiten
der Institution Schule und den Nichtfarmern unter den
Klassenkameraden gibt es keinerlei Verständnis, im Gegenteil, nur
Verachtung.
Zu Erfahren, dass das was
man lebt, was man ist, auf was man stolz ist, so gering geschätzt
wird, führt zu Zorn, Gegenwehr und schließlich dazu, dass er mit 16
die Schule schmeißt und ganz in den elterlichen Betrieb eintaucht.
Sein Vater ist vom alten
Schlag und James Rebanks hat eigene Ideen, das ist nicht immer
leicht.
Selbst die Fernbedienung am
Abend unterliegt der Kontrolle des Vaters.
Dies hat zur Folge, dass
Rebanks die Abende gerne lesend verbringt.
Er schreibt dazu:
„I was always curious
about other places, but I had no desire to go to any of them. And we
didn't do holidays.“
„Ich war immer Neugierig
auf andere Gegenden, aber ich hatte kein Bedürfnis dahin zu kommen.
Wir machten keine Ferien.“
Eines Tages stolpert er
über ein Buch des Vaters seiner Mutter, von der er das
Bücherinteresse geerbt hatte. „A Shepherd's Life“ von W.H.
Hudson. Er findet es belustigend, dass sein Großvater, den er nie
kennen gelernt hatte, Bücher über Schäfer las, und beginnt eher
widerwillig das Buch zu lesen. Er erwartet all die Vorurteile und
Bevormundungen die er bisher von der Nichtschäferwelt erfahren hat.
Um so erstaunter und gefesselter ist er.
„Two things I loved: the
brilliant plain storytelling, no messing about; and the sudden
livechanging realization it gave me that we could be in books –
great books.“
„Zwei Dinge die ich
liebte: Der brillante und gleichzeitig einfache Erzählstil, kein
lustig machen. Und die plötzlich lebensverändernde Erkenntnis die
das Buch mir gab: Wir konnten in Büchern sein – in großen
Büchern.“
Mit 21 Jahren
beschließt James Rebanks wieder zur Schule zu gehen. Er macht seinen
Abschluss und wird an der Universität Oxford angenommen, wo er
studiert und mit einem double first
in Geschichte abschließt.
Doch sein Herz gehört
weiter dem Schäferleben im Lake Distrikt.
Dort arbeitet er in seiner
freien Zeit, auch nach dem Studium. Wenn doch die Farm nicht genug
abwirft um ihn und seine Familie voll zu ernähren.
Zu den beständig
schlechter werdenden Bedingungen schreibt er:
„It was the same for
small farmers everywhere. Our sheep made the same price at market as
they had done twenty years earlier. We kept more and more and made
less and less money. The cost of everything else was rocketing. Farm
workers go old and were never replaced. Our buildings were thirty or
forty years old and slowly falling apart, but there was no money to
replace them either. Our tractors and machinery were also ageing.
Farming was changing too, with a raft of new regulations that would
cost a fortune to abide by on an old farm like ours. My father and
mother and I were working like dogs, running fast to stand still, but
just got worse and worse. No one in our world knew what to do about
it, other than work like hell and hope that something would change.
My dad's catchphrase was 'farming is fucked'.“
„Es war das Selbe für
alle kleinen Höfe überall. Unsere Schafe brachten auf dem Markt den
gleichen Preis wie vor zwanzig Jahren. Wir hielten immer mehr und
mehr und machten weniger und noch weniger Geld. Die Kosten von allem
anderen schossen in die Höhe. Farmarbeiter gingen in den Ruhestand
und wurden nie ersetzt. Unsere Gebäude waren dreißig oder vierzig
Jahre alt und fielen langsam auseinander, aber da war kein Geld um
sie zu sanieren. Unsere Traktoren und Maschinen alterten auch. Und
die Landwirtschaft veränderte sich, es gab jede Menge neue
Regulierungen die ein Vermögen kosteten, wollte man so einen alten
Hof wie unseren denen anpassen. Mein Vater, meine Mutter und ich
arbeiteten bis zur Erschöpfung, rannten schnell um auf der Stelle zu
stehen, aber es wurde nur schlimmer und schlimmer. Niemand in unserer
Welt wusste, was dagegen zu tun war, außer wie der Teufel zu
arbeiten und zu hoffen, dass sich irgendwas ändern würde. Der
Standardspruch meines Vaters war: Schäferei ist am Arsch.“
Mit diesen Worten trifft
James Rebanks die Situation der Weidetierhalter weltweit!
Mit seinem Buch erzählt er
nicht nur seine Lebensgeschichte, auch lässt er uns Teilhaben an dem
Jahresablauf in der Schäferei.
Diesen schildert er sehr
Detailfreudig und mitreißend.
Dabei ist es mit Sicherheit
auch für jeden Nichtschäfer verständlich. Wobei ich das natürlich
nicht genau beurteilen kann. Aber die Bestsellerlisten die das Buch
anführt, bestätigen doch meine Aussage.
Für mich war es eine
Freude Einzutauchen. Nicht nur, wegen den vertrauten Aspekten, auch
und gerade da, wo er Dinge schildert die neu und anders sind, als ich
sie aus der Schäferei kenne, fesselt er mich.
Seine Beschreibungen der
Vorbereitungen für die Auktionen und diese selbst sind für mich
eine spannende, fremde Welt. Habe ich bisher nur in Betrieben mit
Gebrauchschafen gearbeitet wo höchstens der Bock gekört von der
Auktion kam, war mir dieser ganze Rummel nicht nur unerklärlich. Ich
wollte ihn auch nicht so recht verstehen.
Rebanks schafft es, mich
hinein zu ziehen, in das Schrubben, Bürsten, Zupfen der Schafe, dem
Präsentieren, den Stolz auf die eigene Zucht.
Ich war so tief in der
Geschichte, dass ich Rotz und Wasser heulen musste, als die Maul- und
Klauenseuche über England rollte und alle Schafe des Hofes,
hochtragend noch dazu, gekeult wurden.
Die Schilderung der
Lammzeit trifft die horrende Arbeitsbelastung, das nervenaufreibende
und gleichzeitig die Freude dieser Jahreszeit.
Auch macht er an allen
Ecken deutlich, wie wertvoll die Arbeit für Natur und Umwelt ist,
wie viel Herzblut, Tradition und Verstand dahinter steckt.
Die Wurzeln die die
Menschen des Lake District mit ihrem Land verbindet, reichen Tief,
machen sie Teil der Landschaft, der Schönheit, schaffen eine
Sicherheit und Geborgenheit von der jeder Stadtmensch nur träumen
kann.
Und auch mich fasziniert
gerade das, bin ich doch Schäferin und Schäfertochter, fehlen die
Wurzeln. Betriebe die schon seit Generationen auf, von und mit ihrer
Scholle leben berühren etwas tief in einem. Eine Sehnsucht die viele
in sich tragen, nach dem Ankommen, dem wissen wo man hin gehört.
James Rebanks berichtet von
einer Kulturform die es schon seit tausenden von Jahren gibt, die von
allen Seiten bedroht wird und doch so brandaktuell ist. Deren Verlust
nicht nur zum Schaden der sie lebenden wäre, sondern ein Schaden für
die Menschheit.
Er spricht mir aus dem
Herzen und aus der Seele.
Leute, lest dieses Buch!
Taucht ein in das Leben
eines Weidetierhalters. Seht, dass es wert ist dies zu erhalten.
Viel Spaß beim Lesen!
Eure Anna
Es folgt kein Link zum
Buch, da ich doch hoffe, dass es Kaufinteressierte in dem kleinen
Buchladen ihres Vertrauens bestellen werden. Die Buchpreisbindung
macht möglich, dass die deutsche Ausgabe überall das selbe kostet:
Mein Leben als Schäfer
von James Rebanks
C. Bertelsmann Verlag,
München 2016
ISBN 9783570102916
Gebunden, 288 Seiten, 19,99 EUR
ISBN 9783570102916
Gebunden, 288 Seiten, 19,99 EUR
Bei Wikipedia gibt es nur
im Original einen Eintrag:
The Shepherd's Life
The Shepherd's Life