Mittwoch, 25. März 2020

Einer dieser Tage in der Eifel


Mitte Februar ist das Futter nicht mehr ganz so reichlich.
Nicht zum Sorgen machen, bei weitem nicht. Es gibt so viel Regen, ist so nass, dass der Landwirt nur vom Güllefahren träumen kann. Oder vielleicht ein U-Boot-Gülleverteiler?
So gibt es reichlich Flächen. Doch keiner glaubt noch an den harten Winter, an Frost der sich durch hohes Gras friert. So wollen sie keine Schafe mehr auf den fetten, grünen Mähwiesen.
Das kürzere, die filzigen Hänge, kein Problem.
Zäune bauen kostet in den buschigen Steilhängen richtig Zeit.
 


Auch auf den lehmigen Wiesen, wo sich jeder Schritt im Boden fest saugt.
Es ist so nass, dass der Tritt der Schafe sofort für Spuren sorgt, die Fläche schwärzt.
Hier ist es ein Segen, dass die Schäferei alt eingesessen ist.
Es ist nicht der Schäfer, der Futter rauben will, dem man nicht glaubt.
Die Landwirte wissen, das es nicht nur wieder nachwächst, nein, sie wissen auch, dass gerade der Vertritt dem Wachstum richtig Schub gibt.
Habe dafür ein paar Vergleichsbilder gemacht:

29. Januar 2020





26. Februar 2020 vier Wochen später



01. März 2020



15.März 2020, 2 Wochen später


04. März 2020




14. März 2020, 10 Tage später

07. März 2020

08. März 2020



09. März 2020



15. März 2020




Die Schafe scheinen das Grün zu inhalieren. Ich muss riesige Stücke netzen, im Schnitt 12 bis 15 Zäune pro Tag. Dazu hüte ich auf den nahen Flächen, bei denen es sich gar nicht lohnt oder gefährdete Obstbäume stehen.


Und damit werden die Tage schnell wieder lang. So ist es natürlich eine große Erleichterung Hüten und Zaunbauen zu kombinieren. Eine spezielle Herausforderung für die Hunde. Ich bin weit weg, zum Teil außer Sicht und sie sollen ihre Grenzen halten.
Ylva hat da wenig Probleme mit, sie arbeitet gerne die Außenseite, abgesehen von Faulheitsanfällen. Und ihr harter Rippengriff. Immerhin packt sie keine kleinen Lämmer, bis zur Schur. Nackige Schafe aber mag sie nicht anfassen, so schwenkt sie auf Lämmer um. Dann muss ich da scharf drauf gucken. Aber die Schur ist ja noch weit weg.
Doch auch hier gibt es ein paar alte und doch klein gebliebene Lämmer, viel Wolle, das greift Ylva gerne. Und sollte so ein Micker umfallen, macht sie weiter. Der letzte Zwischenfall war vor drei Jahren und doch lasse ich sie außer Sicht nur in sehr klaren Grenzen laufen. Nie würde sie einfach in die Herde schneiden, da kann ich ihr vertrauen.
Lille tut sich mit dieser weit entfernten Grenze wesentlich schwerer. Auch wenn er viel läufiger ist, niemals pausiert, mag er nicht gerne außer Sicht von mir arbeiten. So kommt er immer mal wieder gucken ob ich noch da bin, holt sich den Raunzer: „Gehst du zurück in deine Grenze!!“
Sollten die Schafe dies nutzen und übertreten, lässt er sie gewähren. Einerseits gut, da ich mir so sicher sein kann, dass er nicht irgendwelche eigenmächtige Gewaltaktionen startet.
Andererseits kann dann auch plötzlich die ganze Herde weg sein und ich muss rennen, sie wieder einsammeln.


Das ist immerhin leicht.
Die Schafe haben endlich mich und die Hunde als ihre Führer akzeptiert, folgen mir vertrauensvoll durch dick und dünn.


Am besten funktionieren Lille und Ylva in einer Grenze zusammen. Lille hat den Fleiß und mit Ylva die Selbständigkeit. Doch sind mir zwei Hunde zusammen so weit weg immer etwas unheimlich. So bin ich auf hab acht, lasse den Zaun auch mal fallen und laufe gucken.








Und dann dieser Tag.
Wir waren Gestern ein ganzes Stück gezogen.
Und für was? Eine Wiese von 6,5 auf 1,5 Zäune, der Weg parallel zu der kurzen Seite.
Heute soll es nun die Verlängerung geben, die ist noch länger und noch schmaler. Immerhin ist auf der kurzen Seite wieder ein befahrbarer Weg. Gegenüber dessen ist eine fette Neueinsaat und der Bauer empfindlich. Auf keinen Fall dürfen die Schafe da drauf!!
Am Abend noch hatte ich die noch übrigen sieben Zäune schon mal aufgebaut. Ein Netz parallel zum Weg, eins oben am Acker und fünf unten zu dem unbefestigten, grünen Feldweg (gelb auf der Karte und lila das, wo sie gerade noch stehen).


Aus dem Acker lugt das erste vorsichtige Grün, dahin verläuft ein fester, dreireihiger Stacheldraht über einer Hangkante. Normalerweise schon ein recht sicherer Halt für Schafe. Da ich aber meine Pappenheimer kenne, plane ich die Hunde hier hinter dem Stacheldraht laufen zu lassen. Auch für sie ist es eine eindeutige, gut zu haltende Grenze.
Morgens früh bei der ersten Kontrolle stelle ich schon mal das zweite Batteriegerät an den Eingang zur Fläche.
Als es später ans Aufbauen geht komme ich von der anderen Seite, baue schon etwas ab, bis mir die Schafe zu viel Matsch machen. Da lasse ich sie rüber, setze die Hunde in die Grenze.
Es ist Hang, der Boden nass und lehmig, es regnet, wie eigentlich immer die letzten Wochen. Es sind weite Strecken Zaun zu schleppen und nicht immer sehe ich Hunde und Schafe.
Doch Futter ist frisch, was sollte passieren?
Zwischendurch ereilt mich die What'sApp, dass die Leipziger Buchmesse auf Grund der anrollenden Corona Pandemie abgesagt ist.
Oh! So schade!
Da wollte der Verlag Edition-Weltenschreiber mein neu erschienenes Fantasie-Buch „Narla, die Wurzellose“ der Welt präsentieren. 


Ich baue Zäune ab, knobele im Kopf an dieser Botschaft.
Bis es mich trifft, wie lange hatte ich den Kopf nicht mehr bei Schafen und Hunden?
Schnell mal durch den Schlamm kämpfen, gucken. Die Herde steht ganz am anderen Ende, von mir gut 500 Meter, auf Klump. Da kann was nicht stimmen!
Ich eile, eile.
Quaatsch, quaatsch.
Beim Näherkommen sehe ich auch, dass das unmöglich alle Schafe sind, wohl eher ein kleiner Rest.
Und wenn sie da raus sind, trotz Zaun, dann stehen sie auf der verbotenen Neueinsaat.
Alles in mir krampft zusammen.
Oben den Weg herunter kommt ein Trecker.
Mein Herz sackt in die Hose, ich renne.
Der Trecker dreht um, fährt davon.
Auf dem Stück sind nur noch ungefähr 100 Tiere, viele kleine Lämmer, die nicht begriffen habe die Kurve durch den Ausgang zu laufen. Und ja, der Zaun dort liegt am Boden. Die restliche Herde sehe ich weit verteilt in der satten, grünen Neueinsaat.
Wo sind die Hunde?
WO?!!
Und dann sehe ich sie.
Tanzend und beißend um ein am Boden liegendes Tier.
Ich schreie, renne.
Da liegt es, ein älteres, aber mickriges Lamm.
Zerfetzt.
Tot.
Ich brülle, schreie, schluchze.
Doch habe ich Zeit mir die Hunde vorzuknöpfen?
Nein, denn immer noch sind da die Schafe, weit verteilt am Schmatzen.
Ich rufe, muss die Hunde arbeiten lassen.
Steuere die Herde zurück auf ihre Fläche.
Oh sind sie sauer, den Scheiß wollen sie nun wirklich nicht mehr!
Eisregen und Tränen in meinem Gesicht.
Der Zaun muss wieder aufgestellt werden.
Ich sehe schräg gegenüber des Ausganges eine weitere Schneise im Zaun.
Hier sind keine Schafspuren, im Stacheldraht hängen Büschel von Rehhaaren. Das Wild müssen da zwischen meiner Morgenkontrolle und später durch sein.
Das erklärt das Drama.
Doch hilft es mir nicht.
Und auch nicht dem toten Lamm.
Zeit es zu bergen.
Zeit meinen Boss anzurufen.
Auch wenn ich meine Stimme in keiner Weise unter Kontrolle habe.
Er kommt direkt gefahren, beruhigt.
Dieser Trecker war nicht von diesem Bauern und auch sieht man der Fläche nichts an. Spätestens nach dem nächtlichen Regen sind alle Suren weg gewaschen.
Vielen Dank.
Doch immer noch sind jede Menge Zäune zu bauen.
Und kaum ist mein Boss gefahren überkommt mich wieder das Schluchzen.
Hemmungslos, zitternd am ganzen Körper.
Ich arbeite und kann doch nicht aufhören zu weinen.
Die Schafe untermalen das mit lautem Protest.
Sie wollen besseres Futter!!
Plötzlich fühle ich einen rasenden, stechenden Schmerz in der linken Brustseite.
Schock!
Das ist nur der Schock!
Anna!
Jetzt krieg Dich endlich wieder ein!!
Ich versuche das Schluchzen unter Kontrolle zu bekommen.
Tief und langsam atmen!
Das war nur Panik!
Das Dir der linke Arm, die Muskeln über der linken Brust schon den ganzen Tag schmerzen kommt von der Anstrengung so viele Zäune zu schleppen!
Und doch, ganz überzeugen kann ich mich nicht.
So spreche ich, nur sicherheitshalber, eine Sprachnachricht für meine Kinder in den Handy-Speicher.
Tief ein und ausatmen.
Zaun bauen.
Ein kleines Lamm schlupft unter dem Stacheldraht durch, rennt außen hinter schon gebauten Zaun.
Das bekomme ich nur mit dem Hund gefangen.
Lille soll es holen.
Ich hatte erzählt, wie vorsichtig er dabei vorgeht.
Diesmal rennt er hin, packt es mit einem Griff, schüttelt.
Ja, er lässt sich auch sofort abrufen.
Und doch.
Habe ich mit einer Blödheit meinen Hund auf immer verdorben?
Eisern kämpfe ich gegen die nächste Heulattacke.
Weiter machen.
Es wird dunkel.
Irgendwann habe ich alle 23 Zäune stehen.
Ja, Schafe. Ich sehe, dass ihr sauer seid, dass ihr mit eurem empörten Gerenne das ganze Futter eingesaut habt.
Aber bis morgen müsst ihr nun ausharren.
Ich lade die kleine Leiche ein.
Es schmerzt mich so fürchterlich.
Wie muss es sein, die Herde nach einer Wolfsattcke vorzufinden?
Was für ein Horror!
Hör auf damit!
Keine Gedanken für jetzt!
Fahr Heim, bugsiere das Lamm in die Abdeckertonne, versorge die Hunde.
Heiße Dusche, ein Bier, ein warmes Mahl, Bett.
Ich schlafe um halb neun.
Am nächsten Tag fühle ich mich immer noch wie unter die Räder gekommen.
Doch wir müssen ein ganzes Stück ziehen und ich habe Hilfe mit den Zäunen.



Und so vergehen die Tage.
Lille zeigt nicht einmal mehr den mörderischen Griff und auch kein besonderes Interesse an einzelnen, arbeitet in seinem gewohnten Fleiß.
Ich bin vorsichtiger, ja. Doch kehrt das Vertrauen in meine Hunde und Fähigkeiten zurück.




Die Tage und die Arbeit, sie bleiben unverändert.
Nur von außen erreichen einen Nachrichten von der sich drastisch ändernden Welt.

An Euch alle!
Bleibt auseinander!
Unterstützt Euch trotzdem!
Und vor allem, bleibt Gesund!

Noch ein paar Hochwasserimpressionen











Und der Frühling kommt doch!



1 Kommentar:

  1. Danke Frau Kimmel für die Mitnahme in ihre Welt. Wirklich schön und Lebensecht beschrieben. Ich wünsche ihnen noch viel Erfolg und Kraft bei ihrer Arbeit. Vergessen Sie sich selbst nicht. Schöne Grüße W.F.

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