Mitte
Februar ist das Futter nicht mehr ganz so reichlich.
Nicht
zum Sorgen machen, bei weitem nicht. Es gibt so viel Regen, ist so
nass, dass der Landwirt nur vom Güllefahren träumen kann. Oder
vielleicht ein U-Boot-Gülleverteiler?
So gibt
es reichlich Flächen. Doch keiner glaubt noch an den harten Winter,
an Frost der sich durch hohes Gras friert. So wollen sie keine Schafe
mehr auf den fetten, grünen Mähwiesen.
Das
kürzere, die filzigen Hänge, kein Problem.
Zäune
bauen kostet in den buschigen Steilhängen richtig Zeit.
Auch
auf den lehmigen Wiesen, wo sich jeder Schritt im Boden fest saugt.
Es ist
so nass, dass der Tritt der Schafe sofort für Spuren sorgt, die
Fläche schwärzt.
Hier
ist es ein Segen, dass die Schäferei alt eingesessen ist.
Es ist
nicht der Schäfer, der Futter rauben will, dem man nicht glaubt.
Die
Landwirte wissen, das es nicht nur wieder nachwächst, nein, sie
wissen auch, dass gerade der Vertritt dem Wachstum richtig Schub
gibt.
Habe
dafür ein paar Vergleichsbilder gemacht:
29. Januar 2020
26. Februar 2020 vier Wochen später
01. März 2020
15.März 2020, 2 Wochen später
04. März 2020
14. März 2020, 10 Tage später
07. März 2020
08. März 2020
09. März 2020
15. März 2020
Die
Schafe scheinen das Grün zu inhalieren. Ich muss riesige Stücke
netzen, im Schnitt 12 bis 15 Zäune pro Tag. Dazu hüte ich auf den
nahen Flächen, bei denen es sich gar nicht lohnt oder gefährdete
Obstbäume stehen.
Und
damit werden die Tage schnell wieder lang. So ist es natürlich eine
große Erleichterung Hüten und Zaunbauen zu kombinieren. Eine
spezielle Herausforderung für die Hunde. Ich bin weit weg, zum Teil
außer Sicht und sie sollen ihre Grenzen halten.
Ylva
hat da wenig Probleme mit, sie arbeitet gerne die Außenseite,
abgesehen von Faulheitsanfällen. Und ihr harter Rippengriff.
Immerhin packt sie keine kleinen Lämmer, bis zur Schur. Nackige
Schafe aber mag sie nicht anfassen, so schwenkt sie auf Lämmer um.
Dann muss ich da scharf drauf gucken. Aber die Schur ist ja noch weit
weg.
Doch
auch hier gibt es ein paar alte und doch klein gebliebene Lämmer,
viel Wolle, das greift Ylva gerne. Und sollte so ein Micker umfallen,
macht sie weiter. Der letzte Zwischenfall war vor drei Jahren und
doch lasse ich sie außer Sicht nur in sehr klaren Grenzen laufen.
Nie würde sie einfach in die Herde schneiden, da kann ich ihr
vertrauen.
Lille
tut sich mit dieser weit entfernten Grenze wesentlich schwerer. Auch
wenn er viel läufiger ist, niemals pausiert, mag er nicht gerne
außer Sicht von mir arbeiten. So kommt er immer mal wieder gucken ob
ich noch da bin, holt sich den Raunzer: „Gehst du zurück in deine
Grenze!!“
Sollten
die Schafe dies nutzen und übertreten, lässt er sie gewähren.
Einerseits gut, da ich mir so sicher sein kann, dass er nicht
irgendwelche eigenmächtige Gewaltaktionen startet.
Andererseits
kann dann auch plötzlich die ganze Herde weg sein und ich muss
rennen, sie wieder einsammeln.
Das ist
immerhin leicht.
Die
Schafe haben endlich mich und die Hunde als ihre Führer akzeptiert,
folgen mir vertrauensvoll durch dick und dünn.
Am
besten funktionieren Lille und Ylva in einer Grenze zusammen. Lille
hat den Fleiß und mit Ylva die Selbständigkeit. Doch sind mir zwei
Hunde zusammen so weit weg immer etwas unheimlich. So bin ich auf hab
acht, lasse den Zaun auch mal fallen und laufe gucken.
Und
dann dieser Tag.
Wir
waren Gestern ein ganzes Stück gezogen.
Und für
was? Eine Wiese von 6,5 auf 1,5 Zäune, der Weg parallel zu der
kurzen Seite.
Heute
soll es nun die Verlängerung geben, die ist noch länger und noch
schmaler. Immerhin ist auf der kurzen Seite wieder ein befahrbarer
Weg. Gegenüber dessen ist eine fette Neueinsaat und der Bauer
empfindlich. Auf keinen Fall dürfen die Schafe da drauf!!
Am
Abend noch hatte ich die noch übrigen sieben Zäune schon mal
aufgebaut. Ein Netz parallel zum Weg, eins oben am Acker und fünf
unten zu dem unbefestigten, grünen Feldweg (gelb auf der Karte und
lila das, wo sie gerade noch stehen).
Aus dem
Acker lugt das erste vorsichtige Grün, dahin verläuft ein fester,
dreireihiger Stacheldraht über einer Hangkante. Normalerweise schon
ein recht sicherer Halt für Schafe. Da ich aber meine Pappenheimer
kenne, plane ich die Hunde hier hinter dem Stacheldraht laufen zu
lassen. Auch für sie ist es eine eindeutige, gut zu haltende Grenze.
Morgens
früh bei der ersten Kontrolle stelle ich schon mal das zweite
Batteriegerät an den Eingang zur Fläche.
Als es
später ans Aufbauen geht komme ich von der anderen Seite, baue schon
etwas ab, bis mir die Schafe zu viel Matsch machen. Da lasse ich sie
rüber, setze die Hunde in die Grenze.
Es ist
Hang, der Boden nass und lehmig, es regnet, wie eigentlich immer die
letzten Wochen. Es sind weite Strecken Zaun zu schleppen und nicht
immer sehe ich Hunde und Schafe.
Doch
Futter ist frisch, was sollte passieren?
Zwischendurch
ereilt mich die What'sApp, dass die Leipziger Buchmesse auf Grund der
anrollenden Corona Pandemie abgesagt ist.
Oh! So
schade!
Da
wollte der Verlag Edition-Weltenschreiber mein neu erschienenes
Fantasie-Buch „Narla, die Wurzellose“ der Welt präsentieren.
Ich
baue Zäune ab, knobele im Kopf an dieser Botschaft.
Bis es
mich trifft, wie lange hatte ich den Kopf nicht mehr bei Schafen und
Hunden?
Schnell
mal durch den Schlamm kämpfen, gucken. Die Herde steht ganz am
anderen Ende, von mir gut 500 Meter, auf Klump. Da kann was nicht
stimmen!
Ich
eile, eile.
Quaatsch,
quaatsch.
Beim
Näherkommen sehe ich auch, dass das unmöglich alle Schafe sind,
wohl eher ein kleiner Rest.
Und
wenn sie da raus sind, trotz Zaun, dann stehen sie auf der verbotenen
Neueinsaat.
Alles
in mir krampft zusammen.
Oben
den Weg herunter kommt ein Trecker.
Mein
Herz sackt in die Hose, ich renne.
Der
Trecker dreht um, fährt davon.
Auf dem
Stück sind nur noch ungefähr 100 Tiere, viele kleine Lämmer, die
nicht begriffen habe die Kurve durch den Ausgang zu laufen. Und ja,
der Zaun dort liegt am Boden. Die restliche Herde sehe ich weit
verteilt in der satten, grünen Neueinsaat.
Wo sind
die Hunde?
WO?!!
Und
dann sehe ich sie.
Tanzend
und beißend um ein am Boden liegendes Tier.
Ich
schreie, renne.
Da
liegt es, ein älteres, aber mickriges Lamm.
Zerfetzt.
Tot.
Ich
brülle, schreie, schluchze.
Doch
habe ich Zeit mir die Hunde vorzuknöpfen?
Nein,
denn immer noch sind da die Schafe, weit verteilt am Schmatzen.
Ich
rufe, muss die Hunde arbeiten lassen.
Steuere
die Herde zurück auf ihre Fläche.
Oh sind
sie sauer, den Scheiß wollen sie nun wirklich nicht mehr!
Eisregen
und Tränen in meinem Gesicht.
Der
Zaun muss wieder aufgestellt werden.
Ich
sehe schräg gegenüber des Ausganges eine weitere Schneise im Zaun.
Hier
sind keine Schafspuren, im Stacheldraht hängen Büschel von
Rehhaaren. Das Wild müssen da zwischen meiner Morgenkontrolle und
später durch sein.
Das
erklärt das Drama.
Doch
hilft es mir nicht.
Und
auch nicht dem toten Lamm.
Zeit es
zu bergen.
Zeit
meinen Boss anzurufen.
Auch
wenn ich meine Stimme in keiner Weise unter Kontrolle habe.
Er
kommt direkt gefahren, beruhigt.
Dieser
Trecker war nicht von diesem Bauern und auch sieht man der Fläche
nichts an. Spätestens nach dem nächtlichen Regen sind alle Suren
weg gewaschen.
Vielen
Dank.
Doch
immer noch sind jede Menge Zäune zu bauen.
Und
kaum ist mein Boss gefahren überkommt mich wieder das Schluchzen.
Hemmungslos,
zitternd am ganzen Körper.
Ich
arbeite und kann doch nicht aufhören zu weinen.
Die
Schafe untermalen das mit lautem Protest.
Sie
wollen besseres Futter!!
Plötzlich
fühle ich einen rasenden, stechenden Schmerz in der linken
Brustseite.
Schock!
Das ist
nur der Schock!
Anna!
Jetzt
krieg Dich endlich wieder ein!!
Ich
versuche das Schluchzen unter Kontrolle zu bekommen.
Tief
und langsam atmen!
Das war
nur Panik!
Das Dir
der linke Arm, die Muskeln über der linken Brust schon den ganzen
Tag schmerzen kommt von der Anstrengung so viele Zäune zu schleppen!
Und
doch, ganz überzeugen kann ich mich nicht.
So
spreche ich, nur sicherheitshalber, eine Sprachnachricht für meine
Kinder in den Handy-Speicher.
Tief
ein und ausatmen.
Zaun
bauen.
Ein
kleines Lamm schlupft unter dem Stacheldraht durch, rennt außen
hinter schon gebauten Zaun.
Das
bekomme ich nur mit dem Hund gefangen.
Lille
soll es holen.
Ich
hatte erzählt, wie vorsichtig er dabei vorgeht.
Diesmal
rennt er hin, packt es mit einem Griff, schüttelt.
Ja, er
lässt sich auch sofort abrufen.
Und
doch.
Habe
ich mit einer Blödheit meinen Hund auf immer verdorben?
Eisern
kämpfe ich gegen die nächste Heulattacke.
Weiter
machen.
Es wird
dunkel.
Irgendwann
habe ich alle 23 Zäune stehen.
Ja,
Schafe. Ich sehe, dass ihr sauer seid, dass ihr mit eurem empörten
Gerenne das ganze Futter eingesaut habt.
Aber
bis morgen müsst ihr nun ausharren.
Ich
lade die kleine Leiche ein.
Es
schmerzt mich so fürchterlich.
Wie
muss es sein, die Herde nach einer Wolfsattcke vorzufinden?
Was für
ein Horror!
Hör
auf damit!
Keine
Gedanken für jetzt!
Fahr
Heim, bugsiere das Lamm in die Abdeckertonne, versorge die Hunde.
Heiße
Dusche, ein Bier, ein warmes Mahl, Bett.
Ich
schlafe um halb neun.
Am
nächsten Tag fühle ich mich immer noch wie unter die Räder
gekommen.
Doch
wir müssen ein ganzes Stück ziehen und ich habe Hilfe mit den
Zäunen.
Und so
vergehen die Tage.
Lille
zeigt nicht einmal mehr den mörderischen Griff und auch kein
besonderes Interesse an einzelnen, arbeitet in seinem gewohnten
Fleiß.
Ich bin
vorsichtiger, ja. Doch kehrt das Vertrauen in meine Hunde und
Fähigkeiten zurück.
Die
Tage und die Arbeit, sie bleiben unverändert.
Nur von
außen erreichen einen Nachrichten von der sich drastisch ändernden
Welt.
An Euch
alle!
Bleibt
auseinander!
Unterstützt
Euch trotzdem!
Und vor
allem, bleibt Gesund!
Noch ein paar Hochwasserimpressionen
Und der Frühling kommt doch!
Danke Frau Kimmel für die Mitnahme in ihre Welt. Wirklich schön und Lebensecht beschrieben. Ich wünsche ihnen noch viel Erfolg und Kraft bei ihrer Arbeit. Vergessen Sie sich selbst nicht. Schöne Grüße W.F.
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