Sonntag, 12. April 2020

Von Wölfen und der Fantasy



Drei Wochen Schäferei und die Welt draußen verändert sich.
Natürlich lese ich und wir reden. Doch ich schaue kein Fährn (hi, hi) und irgendwie bleibt die anrollende Pandemie unwirklich.
Und dann geht es Heim, 670 Kilometer durch plötzlich leeres Land.
Zu einem Kind, das seit Anfang des Jahres offiziell keins mehr ist und sich sehr organisiert und informiert auf die Apokalypse vorbereitet hat.


Der Versuch, der von der Regierung empfohlenen Vorratslagerung, von dem genau auf Tage abgezählten Geld, dass ich da gelassen habe. Und doch sind wir runter auf eine Rolle Klopapier. Es war einfach nichts zu bekommen.
Beim Einkaufen am nächsten Tag trifft mich die ganze neue Realität.
Leere Regale, leise Menschen, die riesen Bögen umeinander machen und höflich warten.



Aber noch mehr trifft mich die Stimmung. Ich bin Schäferin, das spüren der Herdenstimmung ist mein Beruf. Und die Angst liegt wie eine Glocke über allem, macht die Brust eng, raubt die Luft zum Atmen. Noch stärker in meinen Träumen. Die ersten Tage vergeht kaum ein Morgen, an dem ich nicht Schweißgebadet aus Alpträumen von Ersticken in lichtlosen Räumen hochschrecke.
Ich beschließe zumindest bis nach Ostern zu Hause zu bleiben. Auch wenn das Kind sagt: Mutter, fahr, in der Schäferei bist du wenigstens sicher.
Nein, so rum läuft das nicht. Noch nicht!
Die Maßnahmen werden verschärft. Nur noch 2 Personen zusammen im freien. Das Kind ist erleichtert, endlich muss es keine Ausreden mehr erfinden, warum es nicht zu den Keine-Schule-Partys kommt.
Die Innerdeutschen Grenzen werden geschlossen. In Lübeck sind wir plötzlich wieder Zonenrand. Jeden Tag überquere ich für die Hunderunde illegal die Grenze.

von Kindern gebaute Brücke von West nach Ost

Das Spazierengehen auf dem ehemaligen Todesstreifen hat wieder eine erschreckende Realität.

ehemaliger Todesstreifen

Ja, über manche der Maßnahmen lässt sich sicher wundern, über Nachrichten von Corona und Strandpartys auch. Genau wie angezeigte Ordnungswidrigkeit für das alleinige Sitzen auf einer Parkbank, Denunziantentum oder Wohnungsstürmung, weil sich drei Personen treffen, anstatt nur zwei.
Und doch bin ich saufroh, dass wir die Kurve abgeflacht bekommen.
Dass die Krankenhäuser nicht überlaufen.
Dass uns Bilder wie aus Italien, Spanien oder New York erspart bleiben.
Und da ich viele, auch sehr enge, Freunde im Ausland habe, weiß ich wie gut wir es hier doch haben. Wir dürfen unsere Wohnung noch verlassen, wir haben Kündigungsschutz, verlieren nicht mit dem Job auch sofort unsere Krankenversicherung, haben ein Sozialsystem.
Ja, es gibt viel zu Verbessern und auch wir müssen wachsam bleiben, für unsere Demokratie, Pressefreiheit, im Gesetz verankerte Grund- und Menschenrechte.


Bitte bedenkt beim Lesen, dass dies alles nur meine persönliche Meinung und Gedanken sind.
Ich versuche Informiert zu sein. Und egal zu welchem Thema möchte ich auch die Gegenseite hören, versuche ein umfassendes Bild zu bekommen. Und selten ist meine Meinung in Fels gemeißelt, sehe ich schwarz oder weiß. Es gibt so viel grau dazwischen.


Am meisten beeindrucken mich Persönlichkeiten, die auch mal sagen, dass weiß ich nicht, das kann man so oder so sehen. Die, wenn sie einen Entschluss fassen, etwas Anordnen, mir die Hintergründe für ihre Entscheidung erklären können. Sich an die Front einer Entscheidung zu stellen und doch offen auch Zweifel und Ängste zu zugeben, bereit sein einzustehen und auch eine Änderung zu ermöglichen, zeigen sich neue Fakten. Das nenne ich Größe.


Doch genauso wichtig, wie Informiert zu bleiben, Fakten und Quellen zu überprüfen, ist mir, Medien, Nachrichten und facebook in meinem Leben zu begrenzen.
Ich gestalte mein eigenes Wohlgefühl!
Mich mit Negativem zu überschütten, verändert nicht die Welt, sondern mich!


So liebe ich es, mich mit schönen Dingen, Natur, Tiere, Musik zu umgeben, im Jetzt des Momentes zu versinken.


Oder in einem spannenden Buch lesen, das mich mit fort nimmt, alle Realität weit hinter mir lassend. In fremden Welten ertrinken, mit den Charakteren mit zu leben, deren Reise zu begleiten.


Oder die Geschichte gleich selbst zu schreiben.

Narla, die Wurzellose

Nun wurde mein Buch im Verlag Edition-Weltenschreiber veröffentlicht.
Es war ein langer Weg, bei dem ich wirklich sagen kann, der Weg ist das Ziel.
Kaum konnte ich als kleines Kind schreiben, fing ich auch schon an Geschichten zu Papier zu bringen und natürlich zu lesen.
Mein Lieblingsbuch war „Die Brüder aus der Höhle und das Mädchen Idis“ von Auguste Lechner. Ein Roman in dem Höhlenmeschen und deren zahmer Wolf mit dem Bronze Zeitalter konfrontiert werden.
Mit zwölf Jahren las ich Erik Ziemens „Der Wolf“ und alle anderen Fachbücher die ich zu Wölfen finden konnte. Dazu J.R. Tolkins „Der Herr der Ringe“, bis heute 16 Mal eingetaucht, auf ein Abenteuer mit alten Freunden. Dem folgte „die Belgariad und Mallorion Saga“ von David Eddings.
All dies inspirierte und verzauberte mich, brachte meine eigene, erdachte Welt zum ersprießen.
Eine Welt mit Wolfsgott, Zauberern und ihren Ringwölfen. Fern jeder Realität und doch waren die Hauptfiguren bodenständige, einfache Menschen, mit denen ich im Schreiben mit lebte.
So begann Narlas Geschichte, damals noch Momo, schon 1988, als ich gerade zwölf Jahre alt war. Mit Feuereifer schrieb ich auf der alten Schreibmaschine meiner Mutter, auf zwei Fingern, bis die Zeigefinger von dem harten Tastenanschlag bluteten. Das hat sich bis heute nicht geändert, der Tastenanschlag zum Glück schon.


Mein großer Traum war, Schriftstellerin zu werden.
Doch reichen Träume, Schreiben und Fantasie dafür nicht aus. Schulische Leistungen sagten recht deutlich, dass das sehr schwer zu erreichen sein würde. Ich war einfach zu langsam, Dinge zu hinterfragen, das Warum wissen zu wollen, hatte keinen Raum. Dazu meine Rechtschreibschwäche, die sich auf alle Fächer negativ auswirkte.
Doch noch träumte ich.
Es war in der 8. Klasse, als mich mein sehr verehrter Deutschlehrer fragte, ob er mein werdendes Manuskript einsehen dürfe. Oh, war ich aufgeregt. Tage des Bangen und Hoffen.
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, ermuntert von einer Mitschülerin, traute ich mich, zu fragen, wie weit er sei, wie er es fand.
Der Lehrer sah mich an, zog die Braun hoch, verdrehte die Augen. Ohne ein weiteres Wort gab er mir meine Seiten zurück.
Zeit erwachsen zu werden.
Zeit meinen Traum zu beerdigen.
Schriftstellerin.
Das ist der Traum eines Kindes.
Kleines Mädchen, das träumt Prinzessin zu werden.
Man wird erwachsen, wusste was Realität war.


Ich wechselte vom Gymnasium auf die Realschule, wesentlich passender zu meinen Leistungen.
Außerdem zog ich von meiner Mutter aus der Pfalz zu meinem Vater nach Schleswig-Holstein.
Schäferei.
Das wurde mein Zuhause, mein Leben.
Arbeiten mit Schafen und Hunden, immer draußen, all das hatte viel von der archaischen Welt meiner Fantasie. Meine Geschichte verließ mich nie. Meine Gedanken woben daran.
In meine Welt einzutauchen war weiterhin auch Flucht vor unliebsamen Dingen und besonders dem Gedankenkarussell, das uns doch alle so gerne des Abends am Schlafen hindert.
Und immer noch schrieb ich, nicht mehr auf der Schreibmaschine oder linear. Ich pickte einzelne Momente, notierte sie in meinem Tagebuch.
So stand bereits 1996 das Grundgerüst von Narla.


2007 verfasste ich eine 60 Seitige Kurzgeschichte als Hochzeitsgeschenk für Verwandte. Dies machte mir viel Freude und kam so gut an, dass ich dachte, vielleicht könnte ich doch mehr schreiben. Nur was?
Und da war mir schnell klar, dass ich als erstes Narla zu einem Rund verhelfen musste.
So fing ich an aus all dem, was ich seit meinem zwölften Lebensjahr geschrieben habe, einen Roman zu gestalten. Es musste neu geschrieben, Lücken gefüllt, Charaktere überarbeitet werden. Aus Momo wurde Narla.
2010 hatte ich den ersten Entwurf von Narla in der Hand, oder auf Computer.
Doch noch immer war eine Veröffentlichung jenseits meiner Vorstellung.


Dies änderte sich, als ich 2015 eine halbe Seite Text aus meinem Schäferalltag auf facebook veröffentlichte. Die Resonanz war überwältigend!
Schnell schrieb ich monatliche Berichte, die ihren Weg auch in den Schäferbrief des Bundesverband der Berufsschäfer fanden.
Eigentlich hätte ich es ja schon seit meiner Schulzeit wissen müssen, als ich meine Aufsätze vor der Klasse vortrug. Doch nun zu sehen, dass Menschen, die sonst nicht die Geduld aufbringen, einen Absatz zu lesen, mit Interesse und Begeisterung fünf Seiten und mehr von mir verschlingen!
Wow!
Viele können Rechtschreibung, nicht viele können Leser an ihre Worte fesseln.
Endlich!
Endlich glaubte ich daran, dass meine Narla es Wert ist, veröffentlicht zu werden.
Das ich es Wert bin!


Von hier dauerte es noch bis 2019 und viele Anfragen und Absagen später, bis ich auf den Verlag Edition-Weltenschreiber aufmerksam wurde. Da war auf der Internetseite eine Telefonnummer. Es vergingen wieder Tage bis ich den Mut hatte, diese anzurufen.
Entspannt wollte ich klingen, fröhlich, sympathisch!
Und das in einem Moment in dem ich gerade mit sieben, von der Winterpause gelangweilten Hütehunden im Feld unterwegs war. Ha, ha. Doch anders war in der Lammzeit einfach kein Moment zu einer vernünftigen Zeit zu telefonieren. Und irgendwie gelang es mir und ich durfte mein Exposé mit der 30 seitigen Leseprobe an Swetlana Neumann schicken, bekam das Versprechen, sie würde es prüfen und mir eine Kritik geben.
Diese Kritik war dann eine direkte Zusage! Unglaublich!
Der Traum des kleinen Mädchens!
Ich bin eine Autorin!


Und Schäferin.
Eine Schäferin die ein Fantasy Buch schreibt, in dem Wölfe Hauptrollen spielen.
Würde ich, heute hier aufgewachsen, die Dinge anders sehen?
Ich weiß es nicht.
Mein Fachwissen zu Wölfen hat mich sicherlich befähigt, die Anpassungsfähigkeit dieser Beutegreifer voraus zu sehen. Zu wissen, das Menschenscheu, natürliches Verhalten, Kehlbiss, frisst nur was er braucht, lässt sich von Zäunen und Hirtenhunden abhalten, doch Unwahrheiten sind und nicht einfach so funktionieren.
Ich stehe hinter der Weidetierhaltung als beste Form, das Leben des Menschen mit der Natur in Einklang zu bringen.
Wölfe, die den Mindestschutz überwinden, die sich ohne Scheu Menschen und dessen Tieren nähern, gehören entnommen. Völlig egal wie er sich dieses Verhalten angeeignet hat.
Mehr dazu findet Ihr auch hier:


Passt das zusammen mit meinem tiefen Respekt vor diesem wilden Tier?
Für mich schon.
Keiner zweifelt an, dass ich Hunde und Schafe liebe.
Und doch entnehme ich Schafe, die meinen sie könnten über Zäune hupsen.
Wir als Menschen sind die Verantwortung tragenden.
Der Wolf scheint mit seiner Präsentation von wilder, unberührter Natur doch all zu oft ein Sichtschutz und Trostpflaster für Menschen die jeden echten Kontakt zur Natur verloren haben. Dabei wird übersehen, dass der Wolf sich wunderbar in der industriellen Intensivlandwirtschaft zu Hause fühlt und da auch keine Bedrohung darstellt, gibt es doch keine Tiere mehr, die das künstliche Licht der Ställe verlassen.


Mein Buch spielt in einer von Menschen noch weniger, aber doch dominierten, technikfreien Fantasiewelt. Der Gott, nicht weniger fern als der unsrige, ist ein Wolf.
Wer nun auf eine intensive Konfrontation mit diesem Thema hofft, wird enttäuscht. Nie wollte ich eine Massage verbreiten oder Belehren, sondern einfach nur die Geschichte leben.
Oksidien in einer Welt, in der ich jeden willkommen heiße, sich Zuhause zu fühlen, einzutauchen, den Alltag hinter sich zu lassen.


Echte Wölfe werden nicht verklärt oder verherrlicht, doch respektiert.
Ha, ha.
Habe ich nun allen Seiten genug Stoff zum Hassen gegeben?
Dann hasse, wer es muss.
Ich bin in so unterschiedlichen, strukturellen Welten aufgewachsen, beobachte, wie wir alle in unseren Blasen leben, den anders Denkenden all zu oft verabscheuen. Nie habe ich irgendwo richtig dazu gehört, Abneigung bin ich gewohnt.
Und doch habe ich mich schon vor Jahren gegen das Hassen entschieden.
Gründe für Abscheu findet jeder. Aber Hass ist etwas, was ich mir selbst antue.
Es gibt keine Sache die Propaganda oder Hass rechtfertigt!
Verantwortung, Toleranz, ein waches Interesse an meinen Mitmenschen und, vor allem anderen, Liebe, können unsere Welt retten.
Liebe!



Hm, insgesamt scheint es mir diesmal ein etwas wirrer, unstrukturierter Text zu sein.
Doch so sind Gedanken, besonders persönliche. Sprunghaft, nicht erörternd.
So danke ich Euch, wenn ihr jetzt immer noch lest. Ha, ha.
Wir haben Ostern und ich würde den Text gerne als Ostergruß einstellen.
Ohne noch Ordnung rein zu bringen. Immerhin ist jetzt Karsamstag.
Dieses Wochenende wäre eigentlich unsere großes Familienfest.
Meine Großmutter, 91 Jahre, hatte als Neujahr Resolution, noch so lange zu leben.
Denn das Leben verlässt sie bereits, so schwach, so schwer an Luft zu kommen.
In meinem Buch schreibe ich ihr:
Mein erster Dank gebührt meiner Großmutter Mima. Du warst immer für mich da. Nun bin ich es für Dich!
Wegen ihr suche ich nach Arbeitsmöglichkeiten im Süden Deutschlands, besuche sie bei jeder sich bietenden Möglichkeit.
Und nun ist sie isoliert, eingesperrt in ihrem Zimmer. Keinen Besuch, kein Ausgang, der aus eigener Kraft auch nicht mehr möglich wäre. Wir telefonieren täglich und schreiben.
Ich habe diese unglaublichen Blumen von ihr bekommen.


Uns verbindet tiefe Liebe.
Werden wir uns je wieder sehen?
Ist dieser Zwang die richtige Lösung?
Müsste sie nicht selbst entscheiden dürfen?
Ich kann das nicht beantworten.


Für Euch alle ein schönes, besinnliches Osterfest!
Bleibt gesund, kümmert Euch um Eure Nächsten!
Seit für einander da!
Sollte es gerade zu viel sein, die Schleifen zu sehr ins negative driften...
Ihr seid nicht alleine!
Sich Hilfe zu suchen, ist Stärke!
Für jeden der noch in der Lammzeit steckt, fitte, runde Lämmer und fürsorgliche Mütter mit viel Milch.
Macht es gut, seht mir diesen seltsamen Bericht nach, es sind seltsame Zeiten!
Liebe Grüße
Anna




Bindung Softcover
Seiten 352
Maße 21 cm x 14,8 cm
Autor Anna Kimmel
ISBN-13 978-3-944879-81-9