Montag, 3. Dezember 2018

Hüten in der Eifel im November 2018


Ein neuer Bericht über meine Zeit in der wunderschönen Eifel.
Und was ist?
Ich bekomme den Kopf nicht frei.
AAAARRRRGGG!
Das Finanzamt treibt mich in den Wahnsinn!
Steuerbescheid 2016 war noch gar kein Problem.
Was? Sie sind selbständige Aushilfsschäferin und Betriebshelfer mit eigenen Hütehunden.
Kleinunternehmer, von der Umsatzsteuer befreit.
Kein Problem, schicken sie mir eine lose Aufstellung der betrieblichen Ein- und Ausgaben.
Und kurz darauf hatte ich den Bescheid im Haus, dass ich, wenn ich denn Steuern zahlen würde, so und so viel zurück bekommen würde.
Okay, abgehakt.
Nun dachte ich, das würde für 2017 genauso gehen.
Ha, ha!
Weit gefehlt!
Wie naiv!
Nein, ich soll diesmal doch bitte alle Formulare ausfüllen.
Also mir diese aus dem Internet ausgedruckt.
Nur nicht die Anlage G, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die finde ich nicht.
Angerufen, kein Problem, ich könne kommen, mir sie abholen.
Aufs Fahrrad und die sieben Kilometer zum Finanzamt geradelt.
Wer hat ihnen das denn erzählt? Die bekommen sie hier nicht! Aber ich kann ihnen sagen, wo im Internet sie Anlage G finden.
Danke.
Zwei Wochen nach dem ich die Steuererklärung abgeschickt habe kommt ein Schrieb, ich habe das ganze online einzureichen, sie werten meine Unterlagen als nicht eingegangen, das ganze „umgehend“.
Wow! Und da dachte ich, mit Mai wäre ich dieses Jahr mal früh mit dem Kram.
Dann laden wir uns mal ELSTAR, das kostenfreie Steuerprogramm, runter.
Wo soll das auf meinem Computer gespeichert werden?
Lege es unter „Eigene Dokumente“, da finde ich es wenigstens.
Ja, ich weiß, bisschen dumm ein Programm in eigene Dokumente zu legen.
Nun ist das ganze Programm über meinen „Anna Dokumente“ Ordner verteilt.
Hm.
Was mache ich jetzt?
Ach, am besten deinstalliere ich Elstar wieder.
Gedacht, getan.
Elstar verschwindet von meinem PC und nimmt gleich meinen ganzen Dokumente-Ordner mit.
Mit allem, was ich je geschrieben habe.
KREISCH!
HEUL!
Ich habe natürlich nicht alles gesichert.
Ein Gefühl, wie gegen eine Wand gerannt.
Verzweifelt den Computer zu meinem Spezialisten des Vertrauens geschleppt und eine Nacht gelitten.
Doch dieser Retter schafft, das meiste zurück zu holen, zumindest alles, was ich nicht gesichert hatte.
Tief durchatmen.
Nächster Anlauf.
Elstar heruntergeladen.
Diesmal richtig.
Jetzt brauche ich dafür noch ein Passwort und dazu die Bestätigung meiner Person.
Da kommt eins per Mail, eins per Post.
Da habe ich ja Glück, dass ich, nach dem ich vier Monate auf den Ummeldetermin der Stadt gewartet hatte, nun endlich auch an meiner Anschrift gemeldet bin.
Vier Tage bis der Brief kommt.
Hab ich in der Zwischenzeit mein Postfach aufgeräumt?
HAB ICH!
Und dabei aus versehen die Verifizierungmail gelöscht, den Papierkorb gleich mit.
AAAAAAAA!
Nein, wir können ihnen nicht eine neue Mail schicken, sie müssen sich komplett wieder abmelden und neu anmelden.
Weitere vier Tage auf Post warten.
Hatte ich nicht ein „Umgehend“?
Muss ich nicht auch mal arbeiten fahren?
Da kommt auch schon die Mahnung vom Finanzamt mit Frist.
Na gut, jetzt mich schnell durch diese Steuererklärung gequält.
Wirklich gequält!
Denn immer, wenn das Programm meint, man mache einen Fehler, geht es nicht weiter, bis man es zu dessen Zufriedenheit gelöst hat.
Aber geschafft, abgeschickt.
Und dann ist da auch endlich der Steuerbescheid, der besagt, dass ich gar keine Steuern bezahlen muss.
Abgehakt.
Halt, Anna!
Habe ich das Kleingedruckte gelesen?
Nein?
Selbst Schuld.
Da stand nämlich, dass sie finden, dass ich doch ziemlich viele Kilometer gefahren bin und diese doch bitte Nachweisen soll, mit Kilometerständen.
Dafür kommt nun die Mahnung, mit Frist.
Toll.
Natürlich habe ich kein Fahrtenbuch geführt.
Musste man ja auch nicht.
Also die gefahrenen Betriebskilometer habe ich, mit Datum.
Und ich habe das Auto im Januar 2017 gekauft, da gibt es den Kilometerstand in den Unterlagen.
Dazu ein Foto vom jetzigen Tachostand, Oktober 2018.
Das ganze eingetütet und abgeschickt.
Reicht doch jetzt!
Oder?
Komme ich aus der Eifel, erwartet mich hier ein Schreiben, dass ich auch weiterhin keine Steuern bezahle, dass ich aber, laut ihrer geschätzten Rechnung, mit dem Auto mehr Kilometer betrieblich gefahren bin als privat.
Somit sei das Auto ein Betriebsfahrzeug, die privaten Fahrten sind nun Betriebseinnahmen.
Eigentlich ja kein Problem.
Auch, wenn sich meine Betriebseinnahmen auf Schlag verdoppelt haben, komme ich mit diesen „Einnahmen“ ja immer noch nicht an die Umsatzsteuergrenze.
Aber eben noch nicht dieses Jahr.
UND!
Vor allen Dingen!
Ich habe das Auto im Januar 2017 privat gekauft.
Wird mein Betrieb nun gezwungen dieses Auto zu kaufen, ist er pleite, in den roten Zahlen.
Und das nicht nur 2017, sondern auf die nächsten Jahre.
Ja, ich bin hoffnungsvoll auf andere Lösungen.
Bin am Machen.
Aber eben aber!
Warum?
Ich muss doch so und so keine Steuern zahlen.
Bin ein Kleinunternehmer, der so vor sich hin krebst.
Versucht, sich und Kinder über Wasser zu halten.
Kann man mich mit so unnötigem Scheiß nicht einfach in Ruhe lassen!!
Tief durchatmen!
Jetzt hab ich es mir aus dem Kopf geschrieben!
Also lass es auch los.

Eifel!


Hier war ich noch nie.
Dabei ist das doch Pfalz.
Oha, lag ich mit der Aussage falsch.
Das ist Rheinland.
Mit Pälzer hän se nix zu due.
Okay.
Sorry!
Schaut auch definitiv anders aus.
Felsen sind nicht rot, eher gelb.
Und auf der anderen Seite des Flusses ist schon Luxemburg.
Was für ein Luxus beim Tanken, Diesel für 1,16 Euro den Liter.
Kleine Dörfer, Flüsse, Hügel, Wiesen, Wälder.


Herrlich, wunderschön.
So einsam, dass das Telefon kein Internet hat.
Und jeder grüßt einen, selbst Teenager.
Ich mag es hier auf Anhieb.
Auch und besonders die Schäferei in der ich aushelfe.
Keine Urlaubsvertretung. Das mache ich eigentlich lieber, habe den Betrieb gerne für mich alleine.
Ich bin gerne alleine?
Kein Problem, ich bekomme Schafe und Flächen gezeigt und damit wird mir auch gleich alles überlassen.
Die Herde ist eine Gebrauchschafherde. Schwarzköpfe, aber in einem sehr ursprünglichen, bodenständigen Typ, die auch noch den lokalen kleinohrigen Einschlag haben.


Sagt man Schnucken nach, dass sie nervös und hektisch sind?
Nichts gegen diese Schwarzköpfe, konfrontiert mit fremder Schäferin und fremden Hunden.
Auf mein Rufen hört keiner.

"Koooommt! Kooommt! Auf jetzt! Sonst machts der Hund!"


Läuft eine, laufen alle. Geht doch, Mädels!



Ylva muss liegen bleiben. Zwei Hunde wären zu viel Druck.

Im Gegenteil, sie drehen, laufen in die andere Richtung.
Dann kommt eben der Hund.
Aber Lillebror, mein junger altdeutscher Tiger, kann ich auch nicht schicken, da sie sofort, wenn der Hund zu mir zurück kommt, wieder umdrehen, im Galopp.
Außerdem ist Lille für solche Schafe leider noch denkbar ungeeignet. Je nervöser die Schafe, je mehr spult er sich hoch. Hat nur noch hetzen und jagen im Kopf, weint neben mir empört, dass er nichts tun darf. Sein Gehirn bekomme ich nicht angeschaltet.
Dann eben Ylva, meine schwarze Strobelhündin.
Die alte erfahrene.
Wobei so panische Schafe selbst bei ihr etwas auslösen.
Aber ich kann sie hinter die Herde schicken, dort bleiben lassen.
Hinten ein Hund, vorne ich mit dem zweiten.
Die Herde dreht sich im Kreis.
Ich lasse Ylva von ihrer Position auf die Schafe laufen.
Sie rennen los, wollen mich über den Haufen stürmen.
Da ist aber Lille.
Sie bremsen ab, drehen um.
Die Herde dreht.
Habt ihr das Bild?
Großartig.
Hab ich sie dann endlich auf der zu hütenden Fläche, stehen sie in der Mitte auf dem Klump.


Lille, der sonst so entspannt und ausgeglichen seine Grenzen läuft sprintet nun nervös fiepend auf und ab.
Arg! Am liebsten würde ich...
...tief durch atmen.
Entspannen.
Die Situation nehmen, wie sie ist.
Wir gewöhnen uns schon an einander.
Denn irgendwann fangen sie doch an zu fressen, Lille entspannt in seinem Laufen, eine vorsichtige Harmonie entsteht.


Und so werden wir vertraut miteinander.
Ich mache den Nachtpferch jeden Tag etwas kleiner, so müssen sie mehr beim Hüten fressen.

"Guten Morgen!"

Und dazu die gute alte Erziehung.
Ich rufe, Schafe kommen nicht, dann kommt der Hund.
Frisches Futter?
Gibt es nur über mich, nur wenn ich rufe.


Seht ihr Schafe irgendetwas leckeres, meint einfach los rennen zu können, dann kommt der Hund.
Ylva lasse ich beim ziehen oft hinter oder neben der Herde.


Das klappt auch meistens gut, nur, dass sie, wenn ich sie nicht sehe, wieder vor kommen will.
Meistens auch kein Problem, kommt sie doch weitläufig, ohne die Herde zu stören.
Außer.
Der Weg ist eng.
Oder es sind so viele Dornen und Brenneseln im Wald.
Dann kann man als Hund doch nur an den Schafen nach vorne kommen.
Und es reicht, wenn sich die letzten zehn Tiere erschrecken, in die andere Richtung davon rennen.
Denn dann drehen auch die nächsten, tröpfeln nach hinten davon.
Da stehe ich dann mit der Herde und weiß, gleich ist kein einziges Schaf mehr bei mir.
Wie eine Sanduhr.
Alles was mir bleibt, ist hinter her zu gehen. Weit rennen sie ja nicht, nur bis sie sich sicher fühlen.
Auf die Pferchfläche zum Beispiel. Da kann ich sie dann wieder einsammeln, ein neuer Anlauf.
Ich sehe das ganze als Herausforderung.
Das wichtigste:
Die Schafe sollen abends satt und rund sein.
Fremdflächen bleiben ungeplündert.
Für beides gibt es keine Kompromisse.
Alles andere kommt schon.
Und so ist es auch.


Jeden Tag laufen sie etwas besser, fressen entspannter.
Die Herde fängt an, mich zu bedrängen, wenn sie frisches Futter haben möchte.
Sie gucken nach mir, achten auf meine Ansagen.
Und ich?
Ich genieße jeden Tag.


Es ist für November unglaublich mild, alle Wollunterwäsche umsonst mitgeschleppt.
Die Zeit verschwimmt zu einer Einheit.
Ich bin so zufrieden.
Habe richtig Spaß, starte mit Freude in jeden neuen Tag.


Abends komme ich strahlend heim, erzähle mit einem Schmunzeln von den neuesten Ideen der Schafe und wie ich sie zur Vernunft gebracht habe.
Ja, und was macht der Betriebseigentümer, wenn nicht Urlaub?
Er setzt alle gewonnene Zeit in die Rettung der Schäferei. Führt Telefonate mit Schäfern, Journalisten, Politikern bis nach Brüssel, ist für Kollegen in Not auch nachts um elf noch zu erreichen.
Das alles mit einer Ruhe und Geduld, die in mir tiefe Hochachtung weckt.
Vielen Dank!
Und dann ist die Zeit schon wieder um.
Sicher?
Bin doch gerade erst angekommen!
Nein, wirklich.
Wow!
Danke!
Ich habe wirklich gerne bei Euch gearbeitet!

Und ganz zum Schluss noch etwas zu meinen Steuern.
Vordrucke und Amtsschreiben sollen ja neutral formuliert sein.
Und klingen doch immer wie eine persönliche Kriegserklärung.
Einige nette kompetente persönliche klärende Gespräche haben mir sehr weiter geholfen.
Betriebswagen also, mit Abschreibung und Fahrtenbuch.
Für mich eigentlich sogar von Vorteil.
Und was lerne ich daraus.
Immer und immer wieder!
Zur Not mit der Holzhammermethode.
Wenn mich was aufregt: Suche das persönliche Gespräch.
Die wenigsten haben es wirklich auf mich persönlich abgesehen.
Sogar ich selber nicht.
UND:
Ich habe meine eigene Gehirnscheiße nicht so ernst zu nehmen.
Meine Gedanken sind eine echte Dramaqueen.
Lass sie denken.
So schlimm wie ich es mir gedacht habe, ist es noch nie gekommen.
Und all die Scheiße die mir schon passiert ist, habe ich mir in meinen schalflosesten Nächten nicht ausmalen können.
Also, wen kümmerts?
Mich nicht!
Lach.