Mittwoch, 25. Juli 2018

Hüten im Juni 2018


Heiß!
Heißer!
Sonne!
Und noch mehr Sonne!
Die Luft ist feucht.
Schwül!
Die Hitze drückt.
Alles gelb.
Trocken.
Staub.
Und die Schafe fressen.
Fressen und fressen.


Mir rinnt der Schweiß.
Den Rücken hinunter.
Tropen aus den Augenbrauen in die Wimpern.
Perlen auf der Oberlippe.
Und die Hunde laufen.
Unermüdlich, ziehen ihre Bahnen. Schuhe an den Füßen, damit die Ballen nicht dem staubigen Schotter nachgeben.


Immer wieder zieht es Schafe und Hunde an die Wasserbütten. Ich achte darauf, dass die Hunde möglichst immer die gleichen Wannen nutzen. Auch wenn den Schafen bei dem Wetter der zustand des Wassers egal ist, Hauptsache nass. Zwischen 3000 und 6000 Liter Wasser fahren wir am Tag. Der Tank fasst 1000 Liter. Immerhin ist er mit Druck schnell vollgepumpt.
Die Wannen stehen nicht nur im Pferch, auch auf der Fläche, Wasser ist bei der Hitze lebenswichtig.







Für Schafe, Hunde, mich. Drei Liter schleppe ich mit. Teile sie ein.
Das Wasser so lecker schmecken kann!
Das Land verdorrt.
Ich telefoniere mit Kollegen, überall das gleiche, selbst oben im sonst so nassen Schleswig-Holstein.
Wir brauchen Regen!
Die Hitze erschlägt.


Doch die Schafe fressen.
Der Vorteil, sie sind schnell satt, ich bin abends Zuhause.
Der Nachteil, ich stehe in der Mittagsglut.
Kein Schatten.
Einmal bekomme ich Besuch. Nach einer halben Stunde geben sie auf, zu heiß!
Wie ich das aushalte? Ob ich ein Sonnenmensch bin?
Lachen.
Ich!
Ein Sonnenmensch!
Nicht nur leide ich unter Sonnenallergie. Ich mag direkte Sonne auch nicht.
Nie, wirklich niemals wird man mich in der Sonne antreffen, nicht am Strand, nicht in der Eisdiele, nicht auf der Terrasse, nicht für fünf Minuten. Ich bin immer im Schatten. Immer!
Wie ich das dann jetzt aushalte?
Aushalten?
Ich hüte Schafe.
Wetter?
Das ist, wie es ist.
So bleibe ich alleine zurück.
Ich und meine fleißigen Hunde.
Ich und die zufrieden fressenden Schafe.
Ich und die Hitze.
Selbst die Stare, die über die Schafrücken hupfen, haben die Schnäbel zur Kühlung weit aufgerissen.


Abends dann endlich das erwartete Gewitter.
Schon die letzten Tage habe ich sie gesehen. Blitz und Donner, Wolkenberge, Starkregen, immer um uns herum. Überflutete Straßen und Keller. Gigantische Schauspiele, doch nie bei uns.
Und nun entlädt es sich mit Macht.
Die Schafe rücken zusammen, Hintern in den Wind.
Habe ich Regensachen dabei?
Eine Regenjacke, nicht ausreichend für das was da runter kommt.
Es ist mir egal. Endlich kühl und nass.
Ich binde mir die Regenjacke um die Hüfte, lasse mich durchregnen.
Gerade noch geglüht, fange ich nach kürzester Zeit an zu zittern.
Aber der Guss währt nur kurz.
Ich stopfe das triefende T-Shirt in den Rucksack, ziehe ein trockenes Hemd an. Altbewährter Trick.
Der Boden dampft, absorbiert das Wasser.
Ein diesiger Regentag belohnt uns weiter.











Wachswetter.
Nur ich habe mich doch erkältet, stehe da mit Triefnase, bellendem Husten und, ab spätem Nachmittag, Fieber.
Erschöpft, aber die Schafe fressen.
Die Hunde arbeiten. Trotz weher Pfoten. Abends fallen sie wie ich auf ihr Lager, rühren sich nicht mehr, krabbeln morgens steif hoch.
Aber bei den Schafen zählt das alles nicht.
Gehütet wird.

Zwischendurch entwurmen wir alle Lämmer gegen Magen-Darmwürmer und Bandwürmer. Um die 100 der größten Bocklämmer werden aussortiert. Zwei Hängerladungen, die ich auf eine 50 km entfernte, fest eingezäunte Weide bringen. Die kleinen Kerlchen waren schon am treiben, wollten decken. So müssen sie nun ohne ihre Mütter weiter leben. Auf dem ca. 500 X 500 großen, steilen und zum Teil buschigen Fläche sind sie zu Anfang ziemlich verloren. Doch schnell gewöhnen sie sich ein, verteilen sich in kleinen Gruppen. Wir schauen täglich nach ihnen, bringen sie zusammen. Eine ganz neue Aufgabe für meine Altdeutschen Lillebror. Abstand, langsam, alle mitnehmen, am Fluchtpunkt. Das ist eigentlich Border Collie Arbeit, die ich von ihm verlange. Dafür, naja, wir bekommen es hin.








Bei der Herde ist das Futter abgeweidet und doch schrubben wir noch etwas auf dem abgegrasten. Wir wollen ja nicht, dass die nun lämmerlosen Mütter mit Euterentzündung reagieren.


Dann endlich, die Euter sind nicht mehr gefährlich prall, weiter geht es.
Kaum aus dem Tor explodieren die Schafe.
Frisch!
Frisch! Frisch! Frisch!
Ich mache das erste Stück langsam, lasse sie am Wegrand fressen, ihr Glück genießen.







Dann geht es durchs Getreide. Harte Arbeit für die Hunde.
Der Steinbruch, unser Ziel, ist herrlich grün. Der Boden bedeckt mit Blümchen und Wilderdbeeren.
Grüne Büsche mit Schatten und tief unten das blau des Sees.













Die Schafe fressen, die Hunde laufen und auch ich laufe. Herrliche Fläche, doch schwer zu hüten, schwer einsehbar. Um die 1000 Tiere, von denen ich oft nur 50 sehen kann. 







 


Da muss ich laufen, immer wieder meinen Standort ändern. Wenn alles frisch ist, drücken sie auch in alle Richtungen. Und runter zum See dürfen sie auf keinen Fall, die Kante ist zu steil. Da käme nicht einmal eine Ziege heraus. So fahren wir weiter Wasser.

Und ich laufe. Genieße das Hüten, gerade weil es schwierig ist, weil ich so aufmerksam sein muss.

Herde von der einen Seite



Um die Herde rum von der anderen Seite



Auch genieße ich, dass ich so viele Tage am Stück hüten konnte, das Herde, Hunde und ich eine harmonische Einheit bilden. Frisch gibt es immer nur über mich, nie, wenn man einfach da hin drückt. Und so drängen sie nicht mehr so viel, gucken nach mir. Was macht sie? Wo läuft sie? Geht es schon weiter? Bekommen wir was neues?
Und kaum sind wir in dieser Harmonie angekommen, ist meine Zeit auch schon wieder um. Gerade, als ich das Gefühl habe, einfach ewig weiter Hüten zu können.
Der letzte Tag, der letzte Abend, die Herde trottet zufrieden in den Pferch.
Die Hunde und ich klettern noch einmal zum See hinunter, baden im kühlen, tiefen Blau.
Als wir müde zum Auto zurück kommen, liegt die ganze Herde im Schlummer.
Gute Nacht ihr Schafe!
Bis bald!