Freitag, 2. August 2019

Dreiländerhüten im Juli 2018


Zurück in der Eifel.
Zusammen mit der ersten Hitzewelle für dieses Jahr.
Zur Erinnerung, ich wohne so weit im Norden, um der normalen Sommerhitze des Südens zu entgehen.
Dabei ist die Eifel ja noch gnädig.
Es bleibt bei höchstens 34°C.
Im Verhältnis.
Kein Grund zu jammern.
Jaaaa.
Okay, dann jammere ich nicht.
Über das Wetter.
Die Schwarzkopfherde darf endlich wieder gehütet werden!
Hüten!
Juhu!
Habe tatsächlich seit Januar nicht mehr gehütet.
Die Herde auch nicht.
Und auch nicht die Hunde.
Da ist Strom drin.
Dazu hat sich die Herde zu einer kleinen Zwischenlammzeit entschieden.
Die Muttern und ihre Kleinen bleiben in der Herde.
Wie war das mit Ylva und über-kontrollierenden Müttern?
Dafür hält sie sich wacker. Muss sie auch, denn ohne sie würde es nicht gehen.
Der Nachtpferch ist riesig, um die 15 Netze, so das die Schafe genügend Schatten haben und Bewegungsfreiheit.
Wetter bedingt stehe ich um absolut unschäferliche halb Sechs in der Früh auf.
Schnell die Betriebshunde bewegen, die paar Bracken im Stall versorgen und ab geht’s zur Herde.
Die Siedlung geht direkt an die Weide, so kann ich den Wasserhydranten in der Straße aufbauen und die Wannen alle wieder auffüllen.
Der Himmel fängt an zu glühen.

Arg! Da denkt man doch, dies zu schreiben in der nächsten Hitzewelle macht es einfacher. Immerhin ist das Gefühl absolut realistisch und präsent.
Aber von wegen. Mein Gehirn ist weich und matschig, mag nicht denken, nur dämmern.
Und erst recht nicht, sich vorstellen, da jetzt Schafe zu hüten.
Aber hilft ja nichts.

Schafe wollen bei jedem Wetter fressen.
Zeit das die Herde läuft.
Guten Morgen, Schafe.
Nervös begucken sie mich aus dem Schatten.
Ich rufe.
Sie drehen in die andere Richtung.
Okay, dann eben der Hund.


Ich dirigiere Ylva im großem Bogen hinter die Herde, lasse sie anschieben.
Die Schafe stürmen los, versuchen erst nach links, dann nach rechts auszubrechen. Doch da ist dann Lille. Der nach ein paar Mal die Hänge rauf und runter schon schnauft wie eine sterbende Lokomotive.
Oh, Oh. Keinerlei Training, hoffentlich fällt er mir nicht um!
Doch endlich haben wir sie aus dem Pferch, durch den Wald, auf frischem Futter.
Wunderschöne Wildblumenhänge mit einer Sicht bis weit nach Luxemburg.
Ich postiere die Hunde oben und unten in den Grenzen und lasse die Schafe wie sie wollen. Auf meiner ihnen zugedachten Fläche. Nach etwas Geschmolle und Hunde Beglotze fangen sie an zu fressen.









Die ersten Tage bin ich über diesen täglichen Kampf ziemlich frustriert.
Es macht einfach keinen Spaß von Schafen als der Feind betrachtet zu werden.
Keinen Spaß?
Es schlägt mir ziemlich aufs Gemüt!
So stelle ich mir Arbeit im Büro mit unliebsamen Kollegen vor.
Doch immerhin kann ich die Schafe jeden Tag etwas mehr von mir einnehmen.
Immer die alte Taktik. Verlässliche Regeln aufstellen an denen sie nicht vorbei kommen und mit frischem Futter belohnen.









Länger als zwei Stunden fressen sie vormittags nicht, dann ist es ihnen zu heiß, sie wollen Heim. Ich lasse sie gehen, laufe hinter her, achte darauf, dass auch wirklich alle kleinen Lämmer mitkommen.
Die Herde stürzt sich aufs Wasser, ich fülle Wannen nach.










Als das letzte auch getrunken hat, geht es zurück in den Schatten.
Die Hunde und ich dürfen zurück zur Schäferei.
Mittag.
Und frei.
Frei bis abends.
Was für ein Luxus?
Ha, ha.
Ich bekomme nicht einmal einen richtigen Mittagsschlaf hin, geschweige denn, dass ich die Zeit für irgendetwas sinnvolles nutzen könnte. Ich verbringe den Tag in leidendem Dämmerzustand. Wird es denn immer nur noch heißer? Kann doch nicht wahr sein!
Ertrage ich es gar nicht mehr, ein Schritt aus dem Haus erinnert mich, wie „schön kühl“ es doch drinnen ist.
Es wird fünf und halb sechs abends.
Und doch immer nur heißer.
Aber ich raffe mich auf, zurück zur Herde. Erstmal den Nachtpferch erweitern, so dass sie Nachts noch etwas Frisches zu Fressen haben. Die Herde im Schatten rührt sich nicht.
Doch die zu hütende Hangseite fällt in Schatten.
Los geht’s!
Die Hunde und ich zwingen sie aufs Futter.
Kaum da haben sie doch Hunger, verteilen sich weit, fressen.
Ich genieße den weiten Blick, die Ruhe, das beruhigende rupfen der Tiere.
Schäferromantik pur.










Es dämmert als wir wieder zum Wasser kommen. Der Durst ist nun schnell gestillt, es drängt sie auf den Nachtisch im Pferch.


Ich schließe den Zaun, installiere das Batteriegerät.
Im schwarzen Wald neben mir fangen die Glühwürmchen ihren Tanz an.
Ich stehe und schaue. Staune! Ein Anblick der mir tief ins Herz krabbelt.
Doch bis ich Zuhause bin ist es elf und essen möchte ich auch noch etwas.
Ja, ein gewisser Schlafmangel macht die Tage nicht leichter.
Und dann ist meine Zeit in der Hitze um. Es geht direkt in den Westerwald zu 17°C und Wind.
Aber bevor ich dahin komme, ein kleiner Einschub zu derEifelschäferei.
Mir wurde kürzlich vorgeworfen, dass man beim Lesen meiner Berichte so viel spüren kann, über Schafe, über Hunde, über meine Zuneigung zu ihnen.
Nur nichts über Menschen.
Und ja, ich schreibe nichts über Leute.
Dabei würde es so viel Spaß machen.
Und ich hätte Geschichten.
Nein, meine Lippen bleiben verschlossen.
Und da es mein Bericht ist, werde ich nun direkt mit dem letzten Satz brechen.
Denn wenn sich der ein oder andere fragt, weshalb ich, wo ich doch die freie Wahl habe, so gerne in dem Eifelbetrieb arbeite, wo es doch keine Urlaubsvertretung ist.
Dann kann man schon vermuten:
Es sind nicht die Schafe.
Es sind die Menschen.
Ich fühle mich rundum willkommen und geliebt.
Habe beim Arbeiten selbständige Freiheit und finde doch immer ein offenes Ohr.
Die Dinge getan zu bekommen ist wichtiger, als die Zeit, die man dafür braucht, oder den Stress den man sich dabei macht. Die Tage können lang sein, aber wenn sie kurz sind, ist es auch okay.
Und dann gibt es noch Konversationen wie diese:
„Dies hier bei uns ist eine gute Stelle für einen Schäfer.“
„Auf jeden Fall.“
„Und warum solltest Du sie nicht genießen?“
„Hä, äh, aber ich sehe doch immer zu, dass ich genug arbeite.“
„Aber Du musst nicht, kannst auch mal ruhiger machen.“
„Äh. Als ich letztens Hüfte hatte, habe ich den kranken Tag auch nicht berechnet und halbe zusammen gelegt.“
„Anna, es ist einfach in Ordnung, dass Du diese Stelle genießt. Auch Du hast es mal genau so verdient.“
Es gibt Dinge, da fallen mir dann keine Worte mehr ein.
Vielleicht noch: Weinen?
Westerwald.


Das vierte Jahr.
Die Hunde freuen sich ein Loch in den Bauch mich zu sehen. Auch Hannah mit ihren kleinen Welpen vertraut mir selbstverständlich mit ihrer herzallerliebsten Brut.








Auch die Herde scheint etwas zu erinnern. Oder vielleicht bin ich auch einfach nur sicherer geworden, unwillige Schafe zu lenken.
Ich kann die Erringungen an meine Ängste und Ringen überall auf der Weide wieder treffen. Und mich darüber amüsieren. Es gibt keinen Moment mehr, bei dem ich nicht das Gefühl habe, alles im Griff zu haben. Sie laufen brav die Schlucht zum Wasser runter.








Brav in den Pferch, brav durch das Fußbad.


Natürlich tragen meine beiden nun sicher zu dirigierende Hunde alles dazu bei.
So gibt es kaum etwas zu erzählen, ich genieße Wetter, Hüten, Schafe und Welpen.


Nur am letzten Morgen. Ich bin extra früh dran mit Stall, möchte ich doch auf einen Morgentee bei Nachbarsschäfern vorbei. Ich lasse meine Hunde ins Auto, schmeiße die Schiebetür zu. Schon da fällt es mir auf, aber zu spät. Tür zu, Griff kaputt, Hunde drinnen.
Toll!
Und nun?
Ich kann noch nicht mal die Herde aus dem Pferch lassen. Keine Hunde.

 
Besuch absagen. Mehr telefonieren. Zum Glück kennt auch hier jeder jeden.
Und als bald stehen ich vor der nächsten Autowerkstatt, warte, dass jemand öffnet.
Und ganz selbstverständlich bekomme ich geholfen. Der Griff wird raus gebrochen und der Bautenzug geangelt.
Damit lässt sich die Tür wieder bedienen.
Vielen Dank! Letzter Tag, wir kommen.
Damit ist mein Einsatz für diesen Monat noch nicht erledigt.


Ein Einsatz in Schleswig-Holstein auf meinem Ursprungsbetrieb erwartet mich.
Vier Jahre war ich nicht mehr hier.
Hochmoor! Wie habe ich es vermisst!






 

Und das Wetter erst!
Es ist trocken. Viel zu trocken.
Aber der Himmel bleibt bewölkt und angenehme 20°C umschmeicheln mich.


Und die Erinnerungen hier!!!!
Leute, was für Erinnerungen!
In diesem Moor habe ich mein Hüten begonnen!
25 Jahre ist das nun her!
Einfach Wow!
25 Jahre!



















1 Kommentar:

  1. Die Hitze ist wirklich abartig. War es nicht "früher" so, dass die Mittagshitze beim hohen Sonnenstand die höchste war und es im Laufe des Nachmittags abkühlte? Seit dem letzten Sommer habe ich den Eindruck, dass die Hitze bis ca. 17 Uhr unbarmherzig bleibt und erst danach leichte Entspannung eintritt.

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